Schach:"Ich will mich nicht wie ein Wesen zweiter Klasse behandeln lassen"

161229 DOHA Dec 28 2016 Anna Muzychuk of Ukraine plays against Ju Wenjun of China during

Anna Musytschuk während der Schnellschach-WM in Doha im vergangenen Jahr.

(Foto: imago/Xinhua)
  • Anna Musytschuk entscheidet sich für einen Boykott der Blitz- und Schnellschach-WM in Saudi-Arabien, weil sie die Missachtung der Frauenrechte nicht akzeptiert.
  • Beim vergangenen Turnier hatte sie noch zwei Medaillen gewonnen.
  • Auch die verweigerten Visa für Sportler aus Israel sind ein großes Problem.

Anna Musytschuk kennt sich mit Regeln im Schach ziemlich gut aus. Zwei Goldmedaillen hatte sie vor einem Jahr mit nach Hause nehmen können, sie gewann die WM-Titel im Blitz- und Schnellschach und nun, ein Jahr später, hätte die 27-Jährige versuchen können, das Ganze zu wiederholen. Zu beweisen, dass sie immer noch die Beste ist. Doch die Bedingungen, die so eine WM prägen können, sind nun ganz andere.

"In ein paar Tagen werde ich zwei WM-Titel verlieren", schrieb Musytschuk kurz vor Weihnachten auf ihrer Facebook-Seite, "einen nach dem anderen." Das Turnier findet dieses Mal in Riad in Saudi-Arabien statt, allerdings ohne die Titelträgerin. Sie boykottiert die WM wegen der Missachtung von Frauenrechten, sie will nicht "nach den Regeln von jemandem spielen, der ihr ein Kopftuch vorschreibt", nur in Begleitung das Haus verlassen dürfen. Und überhaupt: "Ich will mich nicht wie ein Wesen zweiter Klasse behandeln lassen."

Der Weltschachbund hatte den Organisator im Vorfeld der WM noch zu Gesprächen bewegen können, in denen zumindest eine Regel gelockert wurde: Verschleierung müssen die Teilnehmerinnen nun doch nicht tragen, wenn sie ihre Partien spielen, für weitere Aktivitäten in der Öffentlichkeit wurden ihnen allerdings Abayas ausgehändigt. Bei der vergangenen WM im Teheran - sie findet im Frühjahr nach der Blitzschach-WM statt - gab es auch eine Kopftuchpflicht, auch Musytschuk spielte mit. Offenbar ein prägendes Ereignis.

Visa-Probleme für Spieler aus Katar, Israel und dem Iran

In fünf Tagen bei der WM hätte sie mehr Geld verdienen können als bei einem Dutzend anderer Turniere zusammen, schrieb Musytschuk noch, zwei Millionen Dollar Preisgeld sind insgesamt ausgeschrieben. Es soll unterstreichen, wie ernst der Ukrainerin die moralische Dimension ist, "das Ärgerlichste ist, dass es niemanden zu stören scheint". Ihre jüngere Schwester Marija ist Schachprofi und verzichtet ebenfalls, "ich bin froh, dass wir uns da einig sind", schrieb Musytschuk.

Auch Hikaru Nakamura, amerikanischer Schachgroßmeister, verzichtete auf eine Teilnahme und schrieb bei Twitter: "Eine Schach-WM dort auszurichten, wo wesentliche Menschenrechte nicht geachtet werden, ist der Horror. Schach ist ein Spiel, bei dem unterschiedlichen Menschen zusammenkommen können und keins, das Leute trennt wegen ihrer Religion oder Abstammung." Nicht nur die missachteten Frauenrechte sind ein Problem, auch politische Zerwürfnisse und der Umgang mit vermeintlichen Gegnern. Spieler aus Katar, Israel und dem Iran stritten sich lange um ein Visum - oder versuchten es erst gar nicht. Die israelischen Sportler haben keine bekommen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: