Fußball in der Regionalliga:Ein Dorf steht Kopf

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Kein Platz mehr frei: Beim ersten Heimspiel des FC Pipinsried in der Regionalliga war die Tribüne voll besetzt. (Foto: Toni Heigl)

Nach einem dramatischen Relegationsspiel in Fürth steigt der FC Pipinsried in die Regionalliga auf. Im Mai ist der TSV 1860 München zu Gast - für 5000 Löwen-Fans soll eine provisorische Tribüne entstehen

Von Benjamin Emonts, Altomünster

Der Pfingstmontag 2017 war ein historischer Tag für den Sport im Landkreis Dachau. Elf Pipinsrieder Fußballer kämpften damals bei Dauerregen vor 1100 Zuschauern aufopferungsvoll um jeden Ball im Fürther Ronhof. In einer dramtischen Verlängerung versetzten sie dem hoch favorisierten und mit zahlreichen Profis angetretenen Gegner mit zwei Toren dann den Todesstoß. Der 3:2-Auswärtssieg bei der Fürther Reserve bedeutete den Aufstieg in die vierthöchste deutsche Spielklasse, die Regionalliga. Der kleine Dorfverein Pipinsried sollte fortan in einer Liga mit dem großen Traditionsverein TSV 1860 München spielen. Und der Jubel kannte natürlich keine Grenzen.

Völlig freudetrunken wussten die Pipinsrieder da noch nicht, was noch alles auf sie zukommen sollte. Die Regionalliga ist so etwas wie die Champions-League des Amateurfußballs. Die sportlichen, aber auch die organisatorischen Anforderungen sind groß. Lange blieb unklar, ob die Pipinsrieder die hohen Sicherheitsauflagen rund um ihr kleines Dorf-Stadion würden erfüllen können. Umfangreiche, kostspielige Baumaßnahmen waren dazu erforderlich. Und die Zeit drängte.

Vereinsgründer und Patriarch Konrad Höß attackierte öffentlich den Bayerischen Fußballverband (BFV) und Behörden wie das Dachauer Landratsamt, deren Auflagen "reine Schikane" seien. In der Gemeinde Altomünster, zu der die 550-Einwohner-Ortschaft Pipinsried gehört, wollte man sich den Traum von der Regionaliga aber unbedingt erfüllen. Es begann eine im Landkreis beispiellose Gemeinschaftsaktion. Mehr als zehn Bauunternehmen aus der Region arbeiteten unermüdlich und trugen einen Teil der Kosten selbst oder stundeten sie. Zahlreiche Fans und Vereinsmitglieder unterstützten sie bei der schweißtreibenden Arbeit. Manager Roman Plesche startete ein Crowdfunding-Projekt, um die Baukosten im niedrigen sechsstelligen Bereich zu refinanzieren. Gegen eine Spende von 50 Euro verspeisten die Spieler vor laufender Kamera ganze Zitronen oder mähten für 250 Euro den Rasen ihrer Fans. Auch wenn das Projekt am Ende scheiterte und nicht die erforderlichen 25 000 einspielte, hatten die Pipinsrieder mit ihrer Aktion wieder einmal deutschlandweit für Aufsehen gesorgt.

Das Sportgelände und das Stadion hatten sie tatsächlich in wenigen Wochen regionalligatauglich gemacht: Anfang Juli erteilte der BFV die Lizenz. Sportlich, das macht die ganze Geschichte noch schöner, läuft es in der neuen Liga bislang recht gut. Als Abstiegskandidat Nummer 1 gilt die Mannschaft von Spielertrainer Fabian Hürzeler schon lange nicht mehr. Nach acht Saisonsiegen, darunter ein sensationeller Auswärtserfolg bei der Reserve des FC Bayern, steht die Mannschaft auf einem beachtlichen 14. Platz mit komfortablem Abstand zu den Abstiegsrängen.

Im Schnitt haben die Heimspiele der Pipinsrieder 470 Zuschauer gesehen. Anwohner und Fans regten sich teilweise über chaotische Verkehrszustände auf, nachdem wegen der Sicherheitsauflagen ganze Straßen gesperrt oder Parkverbote und Einbahnstraßenregelungen ausgesprochen wurden. In der zweiten Saisonhälfte dürfte sich die Zuschauerzahl noch deutlich erhöhen. Am Samstag, 5. Mai, kommt der TSV 1860 München. Auf einem Acker neben dem Stadion wird eine große Naturtribüne errichtet - für 5000 Sechziger-Fans.

© SZ vom 29.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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