Flüchtlinge in München:"Ich habe Tag und Nacht Angst"

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Omar I. würde sich und seiner Familie gerne ein gutes Leben in Deutschland schaffen. Er geht zur Schlauschule, möchte einen Schulabschluss und eine Ausbildung machen. (Foto: Robert Haas)
  • Viele Flüchtlinge wohnen noch immer in Asylunterkünften, obwohl ihren Anträgen bereits stattgegeben wurden.
  • Wenn sie anerkannt sind, müssten sie eigentlich ausziehen. Doch eine Wohnung zu finden, ist in München schwierig.
  • In manchen Unterkünften können die Bewohner ihre Türen nicht abschließen. Sie haben Angst und werden sogar bedroht.

Von Inga Rahmsdorf

Omar I. und seine Frau erwarten ihr zweites Kind. Es kann jederzeit kommen. Die Familie sucht seit Monaten verzweifelt nach einer Wohnung. Der 24-jährige Eritreer, seine schwangere Frau und ihr einjähriger Sohn leben in einem kleinen Zimmer in einer Münchner Flüchtlingsunterkunft. Seit zwei Jahren. Wenn sie den Raum verlassen, nehmen sie ihre Pässe und die wenigen Wertsachen mit. Denn abschließen können sie ihre Zimmertür nicht. Bad und Küche teilen sie sich mit den anderen Bewohnern. In dem ehemaligen Bürogebäude in der Hofmannstraße wohnen 570 Menschen, 173 davon sind Kinder oder Jugendliche.

Auch Fatana M. wohnt in der Unterkunft in Obersendling, sie teilt sich ein Zimmer mit ihrer Schwester. Fatana M. heißt eigentlich anders, sie möchte nicht, dass ihr Name in der Zeitung steht. Sie hat Angst, fühlt sich nicht sicher, nicht einmal in ihrem Zimmer. Die 21-jährige Afghanin ist allein mit ihrer Schwester nach Deutschland geflohnen. Nachts schieben sie ihren Schrank von innen vor die Zimmertür, die auch sie nicht abschließen können. "Ich habe Tag und Nacht Angst", sagt Fatana M., vor anderen Bewohnern und vor Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes.

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"Wenn ich im Bett liege und Stimmen oder Schritte auf dem Flur höre, kann ich nicht schlafen." Es gebe Männer in der Unterkunft, die sie und ihre Schwester bedrängen und belästigen würden. Und Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes würden sie mit Sprüchen provozieren. "Meine Schwester hat sich gestern bei einem Mann beschwert, weil er in der Küche einen Staubsaugerbeutel geleert hat", sagt sie. Der Bewohner habe ihr daraufhin mit Schlägen gedroht.

Fatana M. und Omar I. besuchen die Schlauschule, eine Münchner Bildungseinrichtung für junge Geflüchtete. Beide dürfen in Deutschland bleiben, möchten ihren Schulabschluss und anschließend eine Ausbildung machen. Beide dürften aus der Unterkunft in Obersendling ausziehen. Eigentlich müssten sie sogar ausziehen, weil ihr Asylantrag bewilligt ist. Doch wie so viele Menschen in München finden sie keine Wohnung.

"Ich habe mich beim Wohnungsamt gemeldet und ich bewerbe mich bei allen Wohnungen, die ich finde, doch ich erhalte nicht einmal eine Antwort", sagt Omar I.. "Es ist hoffnungslos für sie, eine Wohnung zu finden", sagt der Sozialpädagoge Ruzbeh Sadeghi, der die beiden betreut. Dabei sei ihre Situation in der Unterkunft katastrophal, so Sadeghi. "Wir betreuen viele junge Menschen, die fix und fertig sind, weil sie aus dem Teufelskreis nicht herauskommen."

Die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge ist in den vergangenen zwei Jahren stark zurückgegangen. 2015 musste die Stadt noch innerhalb kurzer Zeit Unterkünfte im Akkord errichten und wöchentlich etwa 600 Asylsuchende unterbringen. Zuvor hatte die Stadt keine Flüchtlingsunterkünfte betrieben, denn eigentlich ist das Aufgabe des Freistaates.

Als der jedoch überfordert war mit der hohen Zahl der Neuankommenden, nahm er die Kommunen in die Pflicht. Die Leichtbauhallen, die die Stadt dann übergangsweise errichtete, sind längst wieder geschlossen. Es leben in München aber immer noch 7700 Menschen in staatlichen oder städtischen Unterkünften, 2620 von ihnen haben ein Aufenthaltsrecht, finden jedoch keine eigene Wohnung. Besonders belastend ist die Situation für Bewohner in großen Unterkünften wie in der Hofmannstraße.

Seit einigen Wochen muss die Frau von Omar I. ruhen, das hat ihr der Arzt verschrieben, es gab Komplikationen in der Schwangerschaft. Doch so einfach ist das nicht mit dem Ruhen, wenn fremde Menschen sich Zimmer teilen und die dünnen Wände dazwischen alle Geräusche durchlassen. Sein Sohn könne bei dem Lärm oft nicht schlafen, sagt Omar I.. Küche und Bad seien häufig dreckig, die Herdplatten ständig kaputt, das Warmwasser funktioniere oft nicht. Doch am schlimmsten seien die täglichen Konflikte zwischen Bewohnern. Es sind Probleme, wie sie häufig in großen Unterkünften auftauchen, wenn zu viele Menschen zu lange auf zu engem Raum miteinander leben müssen.

Die Unterkunft in der Hofmannstraße hat die Stadt vor zwei Jahren errichtet. Anfangs waren die sanitären Anlagen draußen in Containern und es gab Cateringessen. Es hat sich inzwischen einiges verbessert, die Stadt hat Bäder und Küchen im Gebäude installiert, so dass die Bewohner selbst kochen können.

Trotzdem bleibt es für die Menschen eine große Belastung, über zwei Jahre in so einer großen Unterkunft zu leben, in der zudem niemand seine Tür abschließen kann. Insgesamt 18 Frauen wohnen dort alleine oder nur mit ihren Kindern, zudem noch viele Familien wie die von Omar I.. Das Gebäude sei 2015 eigentlich nur als Überbrückungsstandort eingerichtet worden, sagt Hedwig Thomalla, Sprecherin des Sozialreferats. Dass die Unterkunft noch in Betrieb sei, liege nur daran, dass es weiterhin so einen großen Bedarf an Bettplätzen gibt.

Noch schlechter sind die Wohnbedingungen offenbar in der städtischen Unterkunft in der Klausenburger Straße, inmitten eines Gewerbegebiets. Laut Sozialreferat leben die 175 Bewohner im Durchschnitt bereits seit fünfzehneinhalb Monaten in dem ehemaligen Bürogebäude, darunter 70 Kinder. Der Münchner Flüchtlingsrat übt scharfe Kritik an der Unterkunft. Auch dort kann man die Zimmer nicht abschließen. Die Duschen, die in der ehemaligen Tiefgarage eingebaut sind, seien kalt und es fehle ein Sichtschutz, sagt Elif Beiner vom Flüchtlingsrat. Es gebe keine Privatsphäre. Zudem fehlen für Kinder Außenflächen zum spielen. Ein großes Problem sei auch, dass die Bewohner seit zwei Jahren nicht selbst kochen können.

Das Essen des Caterers sei zwar gut, sagt Rosemarie Ghorbani, Leiterin des Alveni-Sozialdienstes der Caritas, der die Flüchtlinge in der Klausenburger Straße betreut. Es sei aber belastend und entmündigend, wenn Menschen so lange Zeit nicht selbst entscheiden können, was sie essen. Problematisch sei zudem, dass die Unterkunft an einer viel befahrenen Straße liegt, direkt an der Autobahnauffahrt. Besonders für Kinder und Jugendliche sei das gefährlich auf dem täglichen Weg zur Schule. Ghorbani sagt aber auch, dass die Stadt sich sehr anstrenge, und das Sozialreferat eigentlich sehr bemüht sei, die Situation in den Unterkünften zu verbessern.

Es sei die letzte städtische Einrichtung, in der es noch Catering-Essen gebe, sagt Thomalla. Das Gebäude werde zudem umgebaut. Die Bewohnerzimmer sollen mit Schließsystemen ausgestattet werden, sie seien bereits bestellt. Die Stadt würde außerdem versuchen, besonders schutzbedürftige Personen bei Bedarf zu verlegen, so Thomalla. Das Sozialreferat hat ein Haus für Frauen und Kinder gegründet, das vor kurzem in ein größeres Gebäude in die Nailastraße gezogen ist. Nur, so lange Fatana M. und ihre Schwester dort keinen Platz erhalten, werden sie weiter nachts mit Angst im Bett liegen. Und für Omar I. und seine Frau wird die Situation mit ihrem Neugeborenen in der Unterkunft wohl noch schwieriger.

© SZ vom 03.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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