Iran:Zwischen Demokratie und Theokratie - so funktioniert Irans politisches System

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Die Islamische Republik ist ein Zwitterwesen: Einige Amtsträger werden gewählt, die wahre Macht aber liegt beim Obersten Rechtsgelehrten.

Von Moritz Baumstieger

Das politische System der Islamischen Republik Iran ist eine Übergangslösung, das macht Artikel fünf der Verfassung deutlich: Eigentlich steht die Macht dem sogenannten Mahdi zu, einem Nachkommen des Propheten, der nach dem Glauben der Schiiten seit dem Jahr 874 im Verborgenen lebt und zum Ende der Welt zurückkehren wird.

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Diese hätten mit Geld, Waffen und Politik Einfluss genommen, um der Islamischen Republik zu schaden. Der Oberste Rechtsgelehrte Irans wendet sich damit gegen die moderatere Linie von Präsident Rohani.

Bis dahin vertreten ihn auch in weltlichen Fragen die Geistlichen: Die Führungsfigur der Revolution von 1979, Ayatollah Ruhollah Chomeini, brach mit der Tradition des Klerus, sich aus politischen Fragen herauszuhalten. Er arbeitete ein "Wilayat-e faqih" genanntes Konzept aus, diese "Statthalterschaft der Rechtsgelehrten" zieht sich bis heute durch das politische System: Die Verfassung kennt scheinbar demokratische Elemente, das Volk kann den Präsidenten, das Parlament und auch den Expertenrat wählen, der aus 86 Geistlichen besteht. Dieses Gremium kontrolliert zumindest theoretisch den Obersten Rechtsgelehrten, den es auf Lebenszeit wählt. Dieser Fall trat jedoch erst einmal ein, als nach Chomeinis Tod 1989 überraschend Ali Chamenei zu seinem Nachfolger bestimmt wurde.

Der Oberste Rechtsgelehrte besetzt die zentrale Machtposition

Seither bekleidet der Ultrakonservative die zentrale Machtposition im iranischen System: Als Revolutionsführer kontrolliert er die Justiz, die Streitkräfte und die paramilitärischen Revolutionsgarden, die auch in der Wirtschaft Irans ein bestimmender Faktor sind. Er steht dem Nationalen Sicherheitsrat vor und kann den Präsidenten absetzen, gleichzeitig übt er über den Wächterrat indirekt sehr viel Macht aus. Dieses aus sechs Geistlichen und sechs Juristen bestehende Gremium überprüft sämtliche Bewerber, die bei Wahlen in Iran antreten wollen, und verweigert vielen von ihnen die Kandidatur.

Die sechs Geistlichen ernennt der Oberste Rechtsgelehrte selbst, die sechs Juristen werden von der von ihm kontrollierten Justiz vorgeschlagen und vom Parlament bestätigt. Der Wächterrat überprüft nicht nur Personen, sondern auch Parlamentsbeschlüsse auf Vereinbarkeit mit islamischen Werten. Können sich Parlament und Wächterrat auf keine gemeinsame Position verständigen, vermittelt der Schlichtungsrat - dessen 35 Mitglieder vom Obersten Rechtsgelehrten ernannt werden.

© SZ vom 03.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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