Verfassungsgericht:Mäßigung und Transparenz

Die Karlsruher Richter geben sich selbst einen Ethik-Kodex. Der formuliert nicht nur Regeln, wie sie sich während ihrer Amtszeit verhalten sollen, er soll auch den Gutachter-Aktivismus danach eindämmen.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Prinzipien und Leitsätze zu formulieren ist eigentlich ihre Spezialität, doch mit diesem Regelwerk haben sich die hohen Richterinnen und Richter nicht ganz leicht getan: Erstmals in der Geschichte haben die 16 Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts Verhaltensleitlinien in eigener Sache formuliert - einen Ethik-Kodex für die Welt außerhalb von Verhandlungen und Beratungen. Herausgekommen sind 16 Ziffern, in denen zu angemessener Zurückhaltung, Neutralität der Amtsführung und Wahrung persönlicher Integrität gemahnt wird.

Dazwischen finden sich aber auch überraschend konkrete Vorgaben, zum Beispiel eine Transparenzpflicht für Nebeneinkünfte. Das ist ein brisantes Thema in der Justiz, seit bekannt wurde, dass manche Richter namentlich am Bundesgerichtshof und am Bundesfinanzhof mit Vorträgen und Gesetzeskommentaren stattliche Zweiteinkommen erzielen. Auch beim Bundesverfassungsgericht ist es bisher nicht gänzlich tabu, Geld für Vorträge zu nehmen. Daran ändert auch der neue Kodex nichts, auch wenn er eine unbestimmte Grenze setzt: Vergütungen dürfe ein Richter nur insoweit entgegennehmen, "als sie das Ansehen des Gerichts nicht beeinträchtigen und keine Zweifel an der Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Neutralität und Integrität seiner Mitglieder begründen kann". Dann aber folgt der entscheidende Satz: "Dadurch erzielte Einkünfte legen sie offen." Die Details sollen dem Vernehmen nach im Laufe des Jahres präzisiert werden. Klar ist aber, dass fortan Transparenz herrscht.

Die zweite wichtige Regel betrifft die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Gericht. Hier soll eine einjährige Karenzzeit gelten, in der ein früherer Richter nicht als Berater, Gutachter oder Prozessvertreter auftreten darf - freilich nur in Sachgebieten, die zu seiner unmittelbaren Zuständigkeit während der Karlsruher Amtszeit gehörten. Ohne Zeitlimit sollen Gutachten über "Rechtssachen" verboten sein, die während der Amtszeit am Gericht anhängig waren. Ein Mäßigungsgebot für Ex-Richter also, mit dem ein Gutachter-Aktivismus eingedämmt werden soll, wie ihn etwa der frühere Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier betreibt. Für ihn gelten die neuen Regeln aber wohl nicht. Wirkung entfalten sie erst für die Zukunft.

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