"Fire and Fury" von Michael Wolff:Worum es im neuen Skandalbuch über Trump wirklich geht

  • Bereits vor dem eigentlichen Erscheinen sorgte "Fire and Fury" dafür, dass sich US-Präsident Trump mit seinem ehemaligen Wegbegleiter Bannon überwarf.
  • Seit Freitag ist das Buch des US-Journalisten Michael Wolff nun auf dem Markt und in manchen Läden bereits ausverkauft.
  • Es belegt, wie untauglich Trump als Präsident ist - und wie klar das seinem engsten Kreis ist.
  • Außerdem erzählt es von den Ränkespielen und Lästereien im Weißen Haus, in deren Zentrum oft Trumps eigene Kinder stehen.

Von Johanna Bruckner, New York

H.R. McMaster, heute Nationaler Sicherheitsberater der USA, war Donald Trump im Vorstellungsge­spräch viel zu langweilig. Der Präsident ließ sich nur unter der Voraussetzung überreden, ihn einzustellen, dass er nie wieder in einem Meeting mit ihm sitzen müsse. Nicht die einzige Anekdote im Skandalbuch "Fire and Fury" des amerikanischen Journalisten Michael Wolff, die belegt, wie beliebig Trumps Einstellungspolitik war und wie wenig Interesse er am schnöden Regierungsalltag hat.

Auch John Bolton, ehemaliger Botschafter der USA bei den Vereinten Nationen, stand schon mal für McMasters Position zur Debatte. Doch Trump, so erzählte es sein ehemaliger Chef-Stratege Steve Bannon dem Reporter, hatte etwas an der Personalie auszusetzen.

"Boltons Schnurrbart ist ein Problem", schnaubte Bannon (im Gespräch mit Ex-Fox-News-Chef Roger Ailes, Anm. d. Red.). "Trump findet, er sieht nicht aus wie ein Nationaler Sicherheitsberater."

"Nun ja, er hat mal Probleme bekommen, weil er nachts in einem Hotel in Streit geraten und ein paar Frauen hinterhergerannt ist."

"Wenn ich Trump das erzähle, hat er den Job vermutlich."

Wolff war mehr als 200 Tage lang "eine Fliege an der Wand" des Weißen Hauses, hörte zu, wer auch immer ihm etwas zu erzählen hatte. Glaubt man dem Reporter, wollten das viele.

Trump ist seiner Familie längst nicht so ergeben wie umgekehrt

Bannon - und andere Quellen von Wolff - tun etwas, das dem Präsidenten mit Loyalitätsfetisch zumindest unangenehm sein dürfte: Sie offenbaren, dass Trump seiner Familie längst nicht so ergeben ist wie umgekehrt. So soll Trump Spaß daran haben, zu erzählen, dass seine Söhne weit hinten gestanden hätten, als der Herrgott Hirn verteilt habe. Wenn schon der Vater so wenig von seinem Nachwuchs hält, wundert es kaum, dass die Trump-Söhne Donald Jr. und Eric bei den Mitarbeitern des Weißen Hauses als "Uday" und "Qusay" firmieren - nach den Söhnen des früheren irakischen Diktators Saddam Hussein.

Auch Tochter Ivanka kommt im Buch nicht gut weg. Das liegt allerdings nicht an Trump, sondern an Bannon. Der machte offenbar in seinen letzten Wochen als präsidialer Berater aus seiner Abneigung gegen die Trump-Tochter und ihren Mann keinen Hehl mehr (Wolff spricht von zwei Lagern im Weißen Haus, den "Jarvankas" um Jared Kushner und Ivanka Trump und den "Bannonites"). Als der Präsident im Juni vergangenen Jahres verkündete, aus dem Pariser Klimaabkommen auszutreten, verbuchte Bannon das als ganz persönlichen Sieg - vor allem über seine Intimfeindin Ivanka, die bis zuletzt versucht hatte, ihren Vater umzustimmen. "Treffer, die Schlampe ist tot."

Solche Sätze sind natürlich wuchtig, und nicht zuletzt unterhaltsam. Aber sind sie auch wahr? Buchautor Wolff ist selbst keine unumstrittene Figur. Er soll sich schon mal Szenen ausdenken und Zitate erfinden, wenn es der Story dienlich ist. Diese journalistischen Grauzonen geht der 64-Jährige gleich zu Beginn seines jüngsten Werkes offensiv an: "Viele der Erzählungen (...) widersprechen sich", schreibt Wolff im Vorwort, "viele sind, auf Trump'sche Art, schlicht unwahr. Diese Konflikte und eine Laxheit in Bezug auf die Wahrheit, ja vielleicht sogar in Bezug auf das, was die Realität ist, ziehen sich als roter Faden durch dieses Buch."

Soll heißen: Was objektives Geschehen ist, und was subjektive Wahrnehmung von Ereignissen, muss der Leser selbst herausfinden. Mit Fact Checking hat sich Wolff nicht groß aufgehalten. Der Journalist scheint die Rolle des Geschichtenerzählers zu bevorzugen, das ist die Schwäche und zugleich die Stärke seines Buches, das der Verlag aufgrund des enormen Interesses drei Tage vor dem eigentlichen Erscheinungstermin auf den Markt warf. "Fire and Fury" lässt sich ganz auf die Welt von Donald Trump ein, auf den Wahnsinn und Wahnwitz seiner Präsidentschaft.

Conway wollte nicht schuld sein an Trumps Niederlage

Eines der ersten Kapitel seines Buches ist dem Wahltag gewidmet. Kellyanne Conway, Trumps Kampagnen-Managerin, telefonierte an jenem 8. November 2016 politische Freunde und Verbündete ab, um sich für die antizipierte Niederlage ihres Kandidaten in Stellung zu bringen. Sie selbst, so versicherte Conway schon mal vorab am Telefon, sei nicht schuld an Trumps Scheitern. Conway war mit ihrer tiefen Überzeugung, dass Hillary Clinton Präsidentin werden würde, nicht allein, wie Wolff schreibt. Die unausgesprochene Übereinkunft im Trump-Team sei damals gewesen, dass Trump nicht Präsident werden würde - und dass das auch besser so sei.

Trump vertraut der eigenen Expertise - egal, wie dürftig sie ist

Es kam bekanntermaßen anders. Wolff beschreibt das vielleicht größte Defizit des aktuell mächtigsten Mannes der USA so: "Er las nicht nur nicht, er hörte auch nicht zu. Er bevorzugte es, die Person zu sein, die redete. Und er vertraute seiner eigenen Expertise - egal, wie dürftig oder irrelevant sie war - mehr als der jeder anderen Person." Es sei nahezu unmöglich, dem Präsidenten Informationen zu vermitteln, Daten, Details, Optionen, Analysen. "Er war stolz darauf, (...) sich niemals Notizen zu machen - er stand einfach auf und verließ den Raum." Trump wolle nicht belehrt, sondern unterhalten werden, so Wolff.

Man kann sich am Ende des Buchs des Gefühls nicht erwehren, dass auch Autor Michael Wolff einen gewissen Gefallen gefunden hat an der Reality-Show im Weißen Haus. Am politischen Ränkespiel, am Power-Schach mit echten Personen.

Das öffentliche Zerwürfnis zwischen Trump und seinem ehemaligen Chef-Strategen Bannon, nachdem bekannt geworden war, wie offen und schonungslos dieser seine Zeit im Weißen Haus gegenüber Wolff reflektiert hatte, kommentierte der Journalist in einem Interview mit dem Nachrichtenradio NPR so: "Ich würde mein Geld gerade auf Steve Bannon setzen, nicht auf Donald Trump." Bannon habe noch mehrere politische Leben in sich. Wolff sagte dies bereits in dem Wissen, dass sich Bannons langjährige Förderin und Geldgeberin Rebekah Mercer kurz zuvor öffentlich von ihm losgesagt hatte.

Wie nahe der Reporter dem rechten Vordenker Bannon wirklich kam, welches Wissen er den Lesern seines Buches möglicherweise vorenthält, sei dahingestellt. Sicher ist: Wer in einer Welt, in der Trump Präsident ist, mit einem Buch für eine mediale Hysterie sorgt, der hat nicht nur beobachtet, sondern auch gelernt. Dank der brisanten Vorab-Veröffentlichungen führt das Buch nicht einmal 24 Stunden nach Erscheinen die Amazon-Kindle-Charts an. In einem Washingtoner Buchladen war "Fire and Fury" nach zwanzig Minuten ausverkauft - und das, obwohl das Geschäft erst um Mitternacht mit dem Verkauf begonnen hatte und die amerikanische Ostküste seit Tagen von einer Kältewelle mit zweistelligen Minusgraden geplagt wird.

Wie Bannon vom Scaramucci-Interview erfuhr

Mancher Leser könnte am Ende enttäuscht sein, dass die Bannon-Zitate über das Treffen von Trump-Sohn Donald Jr. und Trump-Schwiegersohn Jared Kushner mit einer russischen Anwältin während des Wahlkampfs tatsächlich das Highlight sind. Zumindest wenn es um die Relevanz der berichteten Einblicke ins Oval Office geht. An unterhaltsamen Anekdoten mangelt es "Fire and Fury" dagegen nicht.

So beschreibt Wolff unter anderem, wie Bannon seinerzeit von jenem verhängnisvollen Interview des damaligen Kommunikationsdirektors Anthony Scaramucci Wind bekam. Scaramucci lästerte gegenüber einem Reporter des New Yorker über Bannon und sorgte ausnahmsweise selbst dafür, dass seine Karriere im Weißen Hauses die (bisher) kürzeste war. "Bannon erfuhr von dem Artikel, als die Fakten-Checker des Magazins ihn anriefen und um eine Stellungnahme zu Scaramuccis Anschuldigung baten, Bannon lutsche an seinem eigenen Schwanz."

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