"Me Too"-Debatte in Frankreich:Die Kritik an der "Me Too"-Debatte kommt zur richtigen Zeit

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Die französischen Schauspielerin Catherine Deneuve und die Autorin Catherine Millet haben in einem Gastbeitrag mit anderen prominenten Frauen die "Me-Too"-Debatte kritisiert. (Foto: Getty/AFP)

Catherine Deneuve und Catherine Millet erkennen zu Recht eine Tendenz, die gefährlich wäre, würde sie sich auswachsen. Der Diskurs muss sich öffnen, damit klar ist, dass es nicht um Lobbyarbeit gegen Männer geht.

Kommentar von Karin Janker

Die ersten Reaktionen auf den Gastbeitrag von etwa hundert prominenten Frauen aus Frankreich in Le Monde waren vorhersehbar: Junge Frauen empören sich darüber, dass ihnen die älteren die Solidarität verweigerten. Da versammeln sich Catherine Millet, Catherine Deneuve und weitere angesehene Französinnen hinter einem Text, der Männern "das Recht, lästig zu sein" zugesteht, manchen Auswüchsen der "Me Too"-Debatte Verbissenheit vorwirft und das Recht auf sexuelle Freiheit verteidigt. Dies schade der gesamten Debatte und dem Kampf der betroffenen Frauen um Gerechtigkeit, werfen die Kritikerinnen den Frauen vor.

Das Gegenteil ist der Fall. Der Beitrag aus Frankreich ist wichtig dafür, dass die "Me Too"-Debatte eine ernstzunehmende Bewegung bleibt und nicht als einseitige Lobbyarbeit von Frauen gegen Männer wahrgenommen wird. Vielfalt der Stimmen belebt den Diskurs und stärkt daher das Anliegen von Frauen, Strukturen sexualisierten Machtmissbrauchs in der öffentlichen Sphäre abzubauen. Denn auch die französischen Autorinnen erkennen an, dass Frauen Männern gleichgestellt sein müssen.

#MeToo-Debatte
:Frauen um Catherine Deneuve: "Ungeschicktes Flirten ist kein Delikt"

Etwa 100 Frauen haben sich in einem Beitrag der französischen Zeitung "Le Monde" zu Wort gemeldet. Darin kritisieren sie, die #MeToo-Debatte habe eine "Kampagne der Denunziation und öffentlicher Anschuldigungen" ausgelöst.

Der Französische Feminismus hat seine Eigenheiten

Trotzdem schlägt Catherine Millet und Catherine Deneuve - den prominentesten Unterzeichnerinnen - nun in Online-Kommentaren Hass entgegen. Dabei fordern sie keineswegs ein "Recht auf sexuelle Belästigung", wie ihnen mitunter vorgeworfen wird. Das "Recht, lästig zu sein" hingegen impliziert, dass Frauen sich selbst gegen unliebsame und ungeschickte Flirtversuche zur Wehr setzen. Ohne eine Intervention von außen, die aus Sicht der Autorinnen patriarchal wäre. Es ist die Forderung nach Selbstermächtigung der Frau, die der Beitrag auf den Punkt bringt.

Die Autorinnen erkennen in der "Me Too"-Debatte eine Tendenz, die gefährlich wäre, würde sie sich auswachsen: einen moralischen Totalitarismus, den Verlust der Fähigkeit, zwischen Flirt und sexueller Nötigung zu differenzieren. Dagegen schreiben sie an. Es ist gut und wichtig, dass dieses Argument von Frauen kommt. Denn von Männern wäre es erstens weniger überraschend und zweitens sähe sich derjenige, der es äußert, zu Recht oder zu Unrecht sofort dem Verdacht ausgesetzt, sich seine eigenen Vergehen nicht eingestehen zu wollen. Man kann den Gastbeitrag als Verharmlosung von ekelhaftem Verhalten von Männern gegenüber Frauen interpretieren. Man kann ihn aber auch so lesen, dass er die Frauen ermächtigen will, selbst die Grenzen zu ziehen. Darum geht es den französischen Frauen.

Der französische Feminismus hat seine Eigenheiten, zumal der der älteren Generation: Der geht es eher darum, ernst genommen zu werden, als beschützt werden zu müssen. Darum bezeichnen die Autorinnen es auch als "reaktionär", wenn im Zuge der "Me Too"-Debatte der Gedanke aufkomme, dass "Frauen 'besondere' Wesen sind, Kinder mit Erwachsenengesicht, die nach Schutz verlangen". Sie wollen Frauen aus dem Opferstatus befreien - und es ist wichtig, diese andere Perspektive auf den Diskurs anzuerkennen. Nur so kann das gemeinsame Projekt erfolgreich sein.

Verteidigung der Trennung von öffentlicher und privater Sphäre

Wer Millet und Deneuve vorwirft, sie würden Vergewaltiger und ekelhafte Belästiger wie Weinstein und Co. verteidigen, oder auch nur deren Verhalten normalisieren, der überliest ihren bewusst gewählten ersten Satz: "Vergewaltigung ist ein Verbrechen." Alles aber, was keine Straftat ist, solle auch nicht mit gesellschaftlicher Ächtung belegt sein, so lange es nicht in der Arbeitswelt stattfindet.

Eine Frau, die eben noch als Managerin einen Konzern geleitet und dort ein ebenso hohes Gehalt wie ihre männlichen Kollegen eingefordert hat, könne es nach Feierabend durchaus genießen, sich zum sexuellen Objekt eines Mannes zu machen. Die Trennung zwischen öffentlicher und privater Sphäre ist es, die die Autorinnen in ihrem Beitrag verteidigen.

Diese darf nicht erodieren. Sonst wird das Vertrauen zwischen den Geschlechtern erschüttert, das unumgänglich ist, damit sich die Gleichstellung der Geschlechter endlich durchsetzt.

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