Stipendium:Auch Normalbegabte bekommen Geld

Goethe Universitaet Frankfurt To Celebrate 100th Anniversary

Lernen statt Jobben: Ein Stipendium erleichtert die Konzentration aufs Studium.

(Foto: Getty Images)

Bestnoten, mindestens eine Klasse übersprungen und ein Ehrenamt seit der Grundschule: Nur so ergattert man ein Stipendium? Von wegen. Acht Irrtümer über Studienhilfen.

Von Eva Dignös

Gut 800 Euro brauchen Studierende in Deutschland im Schnitt für Miete und Kleidung, für Mensa, Bücher, Krankenversicherung und Handyvertrag, ergab die jüngste Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks. 68 Prozent arbeiten deshalb neben ihrem Studium - und nur 5 Prozent bessern ihr Budget mit einem Stipendium auf. Dass die Quote so niedrig ist, liegt auch daran, dass viele Studentinnen und Studenten wegen ihrer Noten eine Bewerbung von vornherein für chancenlos halten. Ein Irrtum - und nicht der einzige beim Thema Stipendium.

"Stipendien gibt es nur für die ganz Schlauen"

Keine Frage, viele Stipendien sind für besonders begabte Studierende gedacht und Noten bei der Vergabe ein wichtiges Kriterium. Aber längst nicht das einzige: Auch der Geburtsort, das Geschlecht, eine besondere Lebenslage oder ein spezielles Forschungsinteresse können ausschlaggebend sein. Neben den 13 großen Organisationen zur Begabtenförderung helfen mehr als 2500 kleinere Stiftungen und Institutionen bei der Finanzierung von Studium, Auslandsaufenthalten, Masterstudium, Doktorarbeiten, Reisen und Forschung.

Das Problem: Man kennt sie kaum. Einige haben einen regionalen Schwerpunkt, so wie der Nassauische Zentralstudienfonds. Er unterstützt ausschließlich Schüler und Studierende, die in einigen Landkreisen im Raum Frankfurt und Wiesbaden geboren worden sind, dem Gebiet des ehemaligen Herzogtums Nassau. Es gibt besondere Förderungsprogramme für Halb- und Vollwaisen oder Studierende mit chronischen Erkrankungen oder Behinderungen. Andere richten sich nur an Studentinnen (z.B. das Ariadne-Stipendium der Hochschule Trier) und Studierende bestimmter Fächer. Oder sie verlangen für die Zuwendungen eine Gegenleistung, von Medizinstudenten beispielsweise die Selbstverpflichtung, nach dem Studium in einer bestimmten Region als Hausarzt zu arbeiten. "610 Millionen Euro stehen bereit", weiß Mira Maier, Mitbegründerin und Geschäftsführerin des Stipendien-Suchportals Mystipendium. Das Geld werde aber oft nicht abgerufen, weil Stipendium und förderungswürdige Studierende nicht zueinander finden. Eine Übersicht über zahlreiche Stipendiengeber von A wie Adelhausenstiftung bis Z wie Zentralverband des Deutschen Handwerks bietet der SZ-Stipendienratgeber.

"Für ein Stipendium muss man vorgeschlagen werden"

Das war einmal. Für die allermeisten Stipendien bewerben sich Abiturienten und Studierende selbst. Auch die traditionsreiche Studienstiftung des deutschen Volkes, früher ausschließlich auf Empfehlung erreichbar, lässt mittlerweile die Selbstbewerbung zu.

"Außer guten Noten muss man bestimmt auch noch Schülersprecher gewesen sein und bei 'Jugend musiziert' gewonnen haben"

Vor allem die Begabtenförderungswerke legen tatsächlich ausdrücklich Wert auf gesellschaftliches Engagement, "eine 1,0 allein im Abitur oder Studium ist keineswegs ein Freifahrtschein für ein Stipendium", sagt Annette Julius, die Generalsekretärin der Studienstiftung des deutschen Volkes, dem ältesten und größten der Begabtenförderungswerke in Deutschland. Die Bewerber müssten neben guten Noten auch zeigen, "dass sie ihr Talent nicht nur für das eigene Fortkommen einsetzen, sondern sich auch für die Belange anderer Menschen oder für Gemeinschaften engagieren".

Ob das aber jetzt als Jugendgruppenleiter in der Kirchengemeinde geschieht, als Handballtrainer im Sportverein oder vielleicht sogar in der eigenen Familie, ob über viele Jahre einmal in der Woche oder im Rahmen eines Projekts über einen begrenzten Zeitraum, ist gar nicht so wichtig: "Entscheidend ist für uns, dass potenzielle Stipendiaten die Initiative ergreifen, mit Energie und langem Atem bei einer Sache sind - und möglicherweise dabei auch ganz neue Wege finden, unsere Gesellschaft zu gestalten", sagt Julius.

"Die wollen bestimmt nur Studienanfänger"

Irrtum, viele Stiftungen wenden sich sogar ausdrücklich an Studierende, die schon mitten drin sind oder kurz vor dem Abschluss stehen. Die Veith-Berghoff-Stiftung zum Beispiel unterstützt angehende Meeres- und Schiffstechniker erst ab dem fünften Semester mit einem Abschlussstipendium. Und das Felix-Klein-Stipendium ist unter anderem für Mathematik-Studenten gedacht, die zur Fortsetzung ihres Studiums an die TU Kaiserslautern wechseln wollen.

"Ich bin nicht in einer Kirche oder einer Partei"

Einige - aber längst nicht alle - der 13 Begabtenförderungswerke stehen Parteien oder Kirchen nahe: SPD, CDU, CSU, FDP, Grüne und Linke sind mit ihren parteinahen Stiftung am deutschen Stipendiensystem beteiligt, ebenso das Evangelische Studienwerk Villigst, das katholische Cusanuswerk, das Ernst-Ludwig-Ehrlich-Studienwerk für jüdische Studierende und als jüngste Gründung das Avicenna-Studienwerk zur Begabtenförderung von Muslimen. Daneben gibt es aber auch die politisch und konfessionell unabhängige Studienstiftung des deutschen Volkes sowie die Stiftung der Deutschen Wirtschaft und die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung.

Auf ihrem gemeinsamen Internetauftritt Stipendiumplus stellen alle Begabtenförderungswerke ihre inhaltlichen Schwerpunkte vor - für Bewerber eine gute Möglichkeit zu prüfen, welcher potenzielle Geldgeber überhaupt zum eigenen Profil passt. Die religiös gebundenen Stiftungen erwarten eine Zugehörigkeit zur jeweiligen Glaubensrichtung, ein Jungpolitiker der Jungen Union kann mit den Förderangeboten der Linken-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung vermutlich nicht ganz so viel anfangen und ein Bewerber für ein Stipendium bei der Hans-Böckler-Stiftung sollte sich mit Gewerkschaftsfragen zumindest schon mal gedanklich auseinandergesetzt haben.

Denn neben Geld - bis zu 735 Euro gibt es im Monat, dazu eine Studienkostenpauschale von 300 Euro - gehört zum Stipendium auch die ideelle Förderung in Form von Seminaren oder Summer Schools, die meist zumindest teilweise inhaltlich mit der Ausrichtung der Stiftung zu tun haben. Die Veranstaltungen sind nicht nur Angebot - es wird durchaus erwartet, dass die Stipendiaten nicht nur die finanzielle Unterstützung einstreichen, sondern auch das ideelle Bildungsangebot nutzen. Unabhängig von Weltanschauungen ist übrigens auch das Deutschlandstipendium, das seit 2011 vergeben wird. 300 Euro im Monat sollen begabten Studierenden die Konzentration aufs Studium erleichtern, das Geld kommt zur Hälfte vom Staat und zur Hälfte von privaten Geldgebern, die von den Universitäten angeworben werden.

Stiftungen wollen nicht nur Bedürftige unterstützen

"Meine Eltern verdienen zu viel"

Es stimmt: Viele Stipendien richten sich an Bedürftige. Bei der Vergabe spielt der Verdienst der Eltern eine Rolle, auch die Höhe der Zuwendung hängt dann vom Gehalt von Mutter und Vater ab. Doch verfolgen viele Stipendiengeber auch noch andere Ziele, etwa die Förderung von bestimmten Berufsgruppen oder Studierenden aus ihrer Region. Unabhängig davon können aber alle Stipendiaten bei den großen Begabtenförderungswerken monatlich 300 Euro Büchergeld bekommen. Ein Bewerbung lohnt sich also für jeden.

Manche Stiftungen gewähren neben Stipendien zinslose Darlehen, allerdings unter Einschränkungen. So muss, wer zum Beispiel von der Gustav-Schickedanz-Stiftung bedacht werden will, evangelischen Glaubens sein und seit mindestens fünf Jahren in Bayern leben.

Wieder andere Stiftungen machen ihre Zuwendungen geradezu vom Beruf der Eltern abhängig. Die Rosa-Schneider-Stiftung etwa unterstützt bedürftige Kinder von bayerischen Ärzten, insbesondere Waisen.

"Die Bewerbung für das Stipendium ist zu aufwendig"

Wer sich bei einem der großen Begabtenförderungswerke bewirbt, muss mit großer und leistungsstarker Konkurrenz rechnen. Entsprechend aufwendig ist das Bewerbungsverfahren: Zeugnisse, Motivationsaufsätze und Referenzen einreichen, in den nächsten Runden Einzelgespräche und Gruppendiskussionen bestehen - die Stipendiengeber schauen sich die Bewerber genau an. Laut einer - allerdings nicht repräsentativen - Umfrage unter den Nutzern der Datenbank Mystipendium aus dem Jahr 2016 wurden nur 13,5 Prozent der Bewerber genommen, ein Deutschlandstipendium ergatterten immerhin 19 Prozent. Mit mehr als 30 Prozent deutlich besser ist die Erfolgsquote bei kleineren Stiftungen, oft reichen für die Bewerbung schon Zeugnisse und ein Bewerbungsschreiben. Hier ist es eher die Kunst, das Stipendium zu identifizieren, das am besten zum eigenen Profil passt. Hilfreich bei der Suche nach passenden Angeboten sind neben der Datenbank Mystipendium die Suchfunktion auf der Webseite des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen und die Stipendiendatenbank des Bundesbildungsministeriums.

"Ich wurde abgelehnt, jetzt kann ich's bleiben lassen"

Das Absageschreiben im Briefkasten ist erst einmal frustrierend, aber kein Grund aufzugeben. Viele Stiftungen lassen eine erneute Bewerbung zu, ob sofort oder nach einer bestimmten Wartezeit, steht in den jeweiligen Statuten. Und: Man kann sich natürlich auch bei mehreren Stipendiengebern gleichzeitig bewerben. Dasselbe Standardschreiben wahllos an zehn Stiftungen zu schicken, ist allerdings keine gute Idee. Wie bei der Job-Bewerbung sollte schon deutlich werden, warum es genau dieses Stipendium sein soll.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: