Landkreis Dachau:Wo man mit Alpakas wandern kann

Alpaca Zucht

Der große Alois im Hintergrund ist ein echtes Prachtexemplar - und von Beginn an in Altomünster dabei.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Man soll den Tieren nicht zu tief in die Augen schauen, warnt ein alter Spruch aus Peru. Zu groß ist die Gefahr, sich für immer zu verlieben.

Von Benjamin Emonts, Dachau/Altomünster

Ganz ruhig und gemächlich zieht die kleine Karawane über das Dachauer Hinterland - und dennoch erregt sie Aufmerksamkeit. Ein Paketbote, der mit seinem Lieferbus vorbeifährt, grüßt und grinst über das ganze Gesicht. Eine Autofahrerin bremst ihren Wagen ab und blickt verzückt durch die Windschutzscheibe. "Die sind soooo süß", schwärmt die Studentin Klara, die die kleine Fee an der Leine führt. Dem Bann der flauschigen Alpakas, so scheint es, kann sich keiner entziehen. Ein alter Spruch aus dem fernen Peru warnt wahrscheinlich zurecht: "Schau einem Alpaka nicht zu tief in die Augen - du könntest Dich für immer verlieben."

Um die acht Erwachsenen, die an einer Alpaka-Wanderung durch Thalhausen bei Altomünster teilnehmen, ist es dann auch schnell geschehen: Das erste Beschnuppern im Stall verwandelt sich übergangslos in so etwas wie Liebe auf den ersten Blick. Und so geht es offenbar vielen Menschen mit diesen friedlich-freundlichen Alpakas. Ihr Vorkommen in Deutschland und speziell im Landkreis Dachau wächst kontinuierlich an. Laut dem Dachauer Veterinäramt leben heute mehr als 80 Tiere in fünf landwirtschaftlichen Betrieben des Landkreises. Man findet sie in den Gemeinden Altomünster, Petershausen, Odelzhausen, Sulzemoos und Bergkirchen.

Die Alpakas entstammen der Familie der Kamele. Ihre ursprüngliche Heimat sind die südamerikanischen Anden, insbesondere in Peru, Bolivien und Chile. Anfang der Achtzigerjahre wurden die Alpakas vermehrt auch nach Neuseeland, Australien, Nordamerika und Europa übergesiedelt. Mit dem hiesigen Klima kommen die Herdentiere problemlos zurecht. Sie brauchen ein bisschen Wasser, Heu, ausreichend Platz und sollten mindestens drei, vier Kumpels um sich haben, damit sie glücklich sind.

In letzter Zeit haben den Alpakas offenbar ziemlich viele Menschen tief in die Augen geschaut, denn der Hype um die flauschigen Tiere scheint größer denn je zu sein. Die Zeitschrift Neon hat das Alpaka zum Trendtier 2018 erklärt. Und der gebürtige Allacher Christian Tesch, der die Tiere in Thalhausen züchtet und Wanderungen mit ihnen anbietet, kann sich vor Anfragen kaum noch retten. "Die Interaktion zwischen Mensch und Tier funktioniert großartig", sagt Tesch begeistert.

Der 54-Jährige hat vor einigen Jahren von Berti Well die bayernweit bekannte Weilachmühle samt der dazugehörigen Stallungen gepachtet. Den beliebten Biergartenbetrieb lässt er dort zur Sommerzeit wieder aufleben, und es finden Hochzeiten statt. Auch die Kleinkunstbühne, auf der die Biermösl Blosn zu Hause war und Größen wie Gerhard Polt schon aufgetreten sind, wurde wieder reaktiviert.

Christian Tesch verfiel den Alpakas erstmals auf einer Urlaubsreise nach Nordamerika, nach der allmählich die "Schnapsidee" reifte, selbst Alpakas zu züchten. Aus Neuseeland und Europa importierte er 30 Zuchtstuten und warb den Hengst Enzo für seinen Betrieb an. Heute stehen in seinem offenen Stall hinter der Weilachmühle 40 Alpakas, von denen 13 noch Jungtiere sind. Ihr Vlies lässt Tesch zu Wolle und später zu Bettdecken, Socken, Mützen oder Pullovern weiterverarbeiten, die er in seinem eigenen Hofladen verkauft. Jungtiere gibt er für nicht gerade wenig Geld weiter. Und schließlich sind da ja noch die Wanderungen, die von Tag zu Tag bekannter und immer beliebter werden.

Alpaca Zucht

Alpakas gibt es in 22 natürlichen Farben und mehr als 80 Farbschattierungen. Christian Tesch aber züchtet ausschließlich weiße Tiere und nimmt mit ihnen sogar an Shows teil.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Denn Alpakas, das sollte man wissen, sind nicht nur knuffig, sondern auch ziemlich relaxed und sozial. Wegen ihres ruhigen und friedlichen Charakters werden sie vielerorts zu Therapiezwecken eingesetzt, etwa für alte oder behinderte Menschen. Nach einer kurzen Kennenlernphase ordnen die Herdentiere auch Menschen problemlos in ihre Gruppe ein. Der Umgang mit den Tieren wirkt meditativ und entschleunigend - eine wohltuende Abwechslung zum schnelllebigen Alltag.

Die Reihenfolge der Herde legen die Tiere fest

Vorausgesetzt, Enzo macht keinen Stress. Er ist in Thalhausen der Zuchthengst und hat schon so manchen Nachwuchs gezeugt. Als die Wanderer die Tiere noch gar nicht kennengelernt haben, schlendert er plötzlich unaufgeregt um die Ecke. Enzo wird von den anderen Tieren isoliert, es sei denn, man braucht seine Dienste. Der Hang und das kleine Wäldchen neben der Mühle sind sein Revier, auf dem er frei herumstreunen darf.

Im Stall werden Elvis, Alois, Fee und wie sie alle heißen an die acht erwachsenen Teilnehmer samt Leine und Halfter verteilt. Eines vorweg: Alpakas sind keine Kuscheltiere und werden besonders an Kopf und Ohren ganz und gar nicht gerne gestreichelt. Sie sind eher die treuherzigen Gefährten, die stundenlang neben einem Menschen herspazieren und bestimmt auch zuhören würden, wenn sie denn unsere Sprache verstünden. Angenehme, unaufgeregte Zeitgenossen. Mit dieser Einstellung setzen sich die Gefährten dann auch in Bewegung, angeführt vom mallorquinischen Hirtenhund Lotti.

Alpaca Zucht

Vorsicht Enzo: Der Zuchthengst streift frei durch das Wäldchen neben der Weilachmühle und lauert auf Weibchen.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Doch jetzt kommt Enzo ins Spiel. Er wartet schon auf diesen Moment. Sobald die frisch gebackenen Pärchen das Gartentor verlassen, setzt der Hengst zu wilden Attacken an. Im ersten Moment denkt man sich: "Oh Gott, wäre ich doch daheim geblieben." Dann begreift man aber, dass Enzo großen Respekt vor Züchter Tesch hat, der sich entspannt in den Weg stellt. Die Reise geht weiter.

In der nächsten Viertelstunde lernen sich Mensch und Tier näher kennen, "sie bauen eine Verbindung auf", wie Tesch es nennt. Elena, die ihrer Ehefrau Sarah die Wanderung zu Weihnachten geschenkt hat, wird feststellen, dass ihr gut aussehender Alois eher gemütlich unterwegs ist und sich am liebsten mit einigen Metern Abstand am Ende des Zuges aufhält, was sie wiederum von ihrer Ehefrau trennt.

Die kleine Fee hat ein Herz für Charlie und will partout in seiner Nähe laufen. Der 29-jährige Fabian aus Augsburg, der Charlie führt und eigentlich mit seiner Freundin da ist, kommt so automatisch mit der Münchnerin Klara ins Gespräch, die ihrerseits mit Fee unterwegs ist. Die Reihenfolge der Herde legen die Alpakas fest.

So sind auch bei den Menschen soziale Fähigkeiten gefragt. Und Standfestigkeit. Die Tage vor der Wanderung hat es in Strömen geregnet. Jetzt läuft man durch ein frisch gepflügtes Feld, das mehr Sumpf als Acker ist. Der Hinweis, unbedingt wetterfeste Schuhe zu tragen, wird einem jetzt völlig klar. Der Spaziergang führt entlang der Weilach über Wiesen und Felder, durch einen Wald und vorbei an einem Jägerstand und kleinen Bächen. Der Biber hat einige davon in kleine Seenlandschaften verwandelt und eine große Roteibe über Nacht derart angenagt, dass man befürchten muss, sie könnte bald umfallen.

Am Himmel, darauf weist Tesch hin, kreist ein Fischreiher, der angeblich "Egon, der Fischtöter" heißt und hier sein Revier aufgeschlagen hat. Bei einem steilen Anstieg am Ende des Waldes, an dem es seitlich heftig bergab geht, zeigt sich, wie gut Tier und Mensch inzwischen harmonieren. So oder so ähnlich muss es sich wohl in den Anden anfühlen. Am Ende des Anstiegs wartet jedenfalls eine saftig grüne Wiese auf die Alpakas, auf der sie ausgiebig grasen dürfen. "Für sie ist das wie Schnitzel", erklärt Tesch.

Zurück an der Weilachmühle fehlt von Enzo zum Glück jede Spur. Im Stall dürfen die Erwachsenen den Alpakas noch ein Leckerli geben, bevor es Abschied nehmen heißt. Die meisten aber wollen im Sommer oder Herbst schon wieder kommen. Der 38-jährige Nicolai aus Kasachstan sagt: "Das war echt wunderschön. Das hätte ich nicht gedacht."

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