Handball-EM:Übermächtig zum Auftakt

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Wieder in Form: Andreas Wolff gegen Montenegro. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Montenegro hat beim 32:19 keine Chance gegen die deutsche Handballnationalmannschaft.
  • Das Team beklagt einige Ungenauigkeiten, jammert aber letztendlich auf hohem Niveau.
  • Torwart Andreas Wolff muss verletzt vom Platz, zunächst gibt es aber Entwarnung.

Von Ralf Tögel, Zagreb

Im Handball muss man mit Halbzeit-Prognosen vorsichtig sein, es ist ein rasantes Spiel mit vielen Torszenen, da kann sich eine Mannschaft schon einmal in einen Rausch spielen und eine verloren geglaubte Partie drehen. Doch wie die deutsche Nationalmannschaft Gegner Montenegro nach ein paar Minuten Eingewöhnungszeit beherrschte, legte den Schluss nahe, dass der EM-Auftakt für den Titelverteidiger beim 17:9-Pausenstand schon erledigt war. Montenegro spielte von der ersten Minute an wie eine Mannschaft, die sich gegen einen übermächtigen Gegner kaum Chancen ausrechnet. Was natürlich zum Großteil der Leistung des DHB-Teams anzurechnen ist. Weil beim DHB-Team in der zweiten Halbzeit auch noch der Vorteil des breiten Kaders zur Geltung kam, nahm das Debakel für Montenegro seinen Lauf und endete mit einem überdeutlichen 32:19-Triumph des Europameisters.

Letztendlich war Montenegro noch gut bedient, denn fehlerfrei war das Spiel der Prokop-Truppe nicht. DHB-Vizepräsident Bob Hanning gab hernach den Mahner, erwähnte ein paar technische und ein paar Abwehrfehler, teilweise waren die Zuspiele ungenau und die Chancenverwertung etwas lax. "Jammern auf sehr hohem Niveau", gab Hanning dann doch zu, die ohnehin enormen Erwartungen wird dieser Auftritt sicher nicht herunterdimmen. Auch den Mitfavoriten wird dieser gelungene Auftritt die Möglichkeit geben, mit dem Finger auf den Titelverteidiger zu zeigen, immer schön den Druck weiterzuleiten.

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"Das macht mich glücklich"

Was war nicht gewarnt worden von den Verantwortlichen im DHB-Lager, angesichts dieser schwer einzuschätzenden gegnerischen Mannschaft, dem ersten Auftritt im Ernstfall? Die Mannschaft hat dem Druck spielerisch leicht standgehalten, der sich einen Tag vor dem Auftaktspiel noch erhöht hatte. Denn beim Gegner fehlten "die beiden Starspieler", wie Bundestrainer Christian Prokop hernach meinte. Trainer Dragan Djukic musste auf seinen besten Angreifer Vuko Borozan, der beim mazedonischen Champions-League-Sieger Vardar Skopje auf der Königsposition im halblinken Rückraum spielt, und auf seine Nummer eins im Tor Nebojsa Simic vom Bundesligisten MT Melsungen verzichten. Das habe "die Stimmung bei uns ziemlich gedämpft", wie Djukic vor der Partie sagte. Die von Prokop erwartete "unorthodoxe Abwehr" der Montenegriner, deren Defensive phasenweise enorm offensiv agierte, bereitete den Deutschen nur in der Anfangsphase Probleme. Die befürchtete Hexenkessel-Atmosphäre blieb gar völlig aus, denn entgegen der Erwartungen des Gastgebers war das Spiel bei weitem nicht ausverkauft, die offizielle Angabe von 8000 Zuschauern wirkte immer noch sehr optimistisch.

Zudem ließ die deutschen Mannschaft den als heißblütig bekannten Fans vom Balkan nicht den Hauch einer Chance, in Stimmung zu kommen. Sehr zur Freude des Bundestrainers, seine Akteure hätten die Aufgabe sehr gewissenhaft "und seriös" zu Ende geführt, so Prokop, "das macht mich glücklich". Mit viel Videostudium hatte Prokop, der sein erstes Turnier in Kroatien spielt, "uns eingestellt und ein paar gute Dinge mit auf den Weg gegeben", sagte Paul Drux hinterher, der mit fünf Treffern zweitbester Schütze des DHB war.

Wolff humpelt vom Platz

Es ging nahezu alles auf, was sich Prokop überlegt hatte, zudem konnte er allen Spielern Einsatzzeit geben. Außer den Abwehrspezialisten Bastian Roschek und Maximilian Janke warfen auch alle Spieler ein Tor. Drux beteuerte nach der Partie, dass es nicht so einfach gewesen sei, wie es "vielleicht ausgesehen hat, am Anfang war es schon eng". Das ehrt den Berliner, Respekt vor dem Gegner zeigen, doch an diesem Abend war die deutsche Mannschaft eine Klasse besser. Nur Kapitän Uwe Gensheimer habe etwas "herausgeragt", fand der Berliner Rückraumspieler, "sonst waren wir alle auf dem gleichen Niveau." Das ist Prokops Plan, "das macht uns so schwer ausrechenbar", bestätigte Drux.

Zum besten Spieler der Partie wurde Torhüter Andreas Wolff gewählt, der die Montenegriner mit seinen Paraden zur Verzweiflung trieb. Zwölf Minuten vor dem Ende der einseitigen Partie ging der Kieler humpelnd vom Platz, doch auch im Tor war mit dem eingewechselten Silvio Heinevetter von den Füchsen Berlin kein Einbruch zu erkennen. Was Vizepräsident Hanning, der im Hauptberuf Manager der Berliner ist, natürlich besonders freute. "Wir müssen uns jetzt nicht für die Leistung von Montenegro entschuldigen", fand er, es sei vielmehr schön zu beobachten gewesen, wie "alle Spieler einen guten Start ins Turnier hatten und mitgenommen wurden". Überbewerten dürfe man das Gezeigte dennoch nicht, der Start ins Turnier sei selbstredend bestens gelungen.

Hanning hatte aber nicht nur mahnende Worte parat, er gab auch Entwarnung beim überragenden Torhüter Wolff: "Das wird uns die nächsten zwei Tage beschäftigen", schloss der DHB-Vize, aber es gebe keinen Grund zur Beunruhigung. Er lächelte.

© SZ vom 14.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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