SPD:"Großes Misstrauen gegenüber Frau Merkel"

Sitzung der Landtagsfraktion der NRW-SPD

Norbert Römer ist nordrhein-westfälischer SPD-Fraktionschef.

(Foto: picture alliance / Federico Gamb)

Norbert Römer, SPD-Fraktionschef in NRW, sieht eine mögliche große Koalition skeptisch. Von der Union, insbesondere von der CSU, fordert er, "endlich aufzuhören, andauernd zu provozieren".

Interview von Stefan Braun, Berlin

Ein bisschen Optimismus verbreitete am Dienstagabend die Südwest-SPD, ihr Landesvorstand hatte sich in Stuttgart getroffen, um die Ergebnisse der Sondierungen kontrovers zu diskutieren. Am Ende sprach SPD-Landeschefin Leni Breymaier von einem "guten Bauchgefühl", immerhin. Sie glaubt, eine Tendenz für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union erkennen zu können. Parteichef Martin Schulz warb am Dienstag in Düsseldorf bei einem Treffen mit mehr als 65 Parteitagsdelegierten vom Mittel- und Niederrhein für die große Koalition - begleitet von lautstarken Protesten der Jusos. Das Sondierungsergebnis, sagte Schulz, enthalte genug Substanz, um Koalitionsverhandlungen zu führen. An jener Substanz aber zweifeln noch viele in der SPD, darunter auch Norbert Römer, der Fraktionschef in Nordrhein-Westfalen (NRW).

SZ: Hand aufs Herz - ist das Ergebnis der Sondierungen gut oder schlecht?

Nobert Römer: So schwarz-weiß kann man das aus meiner Sicht nicht einordnen. Unbestritten sind wichtige Punkte, die auch wir aus NRW vor den Verhandlungen gefordert haben, nicht erreicht worden. Zum Beispiel der Einstieg in die Beseitigung der Zwei-Klassen-Medizin. Ebenso fehlt ein Programm für sichere Arbeit mit der Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen und der Durchsetzung des Prinzips "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ab dem ersten Tag". Das fehlt bei der Leih- und Zeitarbeit. Gleichwohl hat die SPD einiges erreicht: Die Solidarrente, eine paritätische Bezahlung bei den Krankenkassen, ein bisschen Entlastung für kleine Einkommen und Familien.

Sind das nicht ausreichend Gründe, um in eine Koalition zu gehen?

In der Tat haben wir uns auch in vielen Punkten durchsetzen können. Nehmen Sie noch die Vereinbarung dazu, künftig Arbeit und nicht Arbeitslosigkeit zu finanzieren und einen sozialen Arbeitsmarkt einzurichten. Oder die Erhöhung und Stabilisierung des Rentenniveaus und die Solidarrente für Geringverdiener. Das sind ganz konkrete Fortschritte für die Menschen. Das kann man bei der Abwägung nicht einfach so vom Tisch wischen.

Woran fehlt es dann, damit Sie einfach okay sagen? Eine glaubwürdige und große Überschrift? Die Emotion?

Die Sondierungsergebnisse machen einen Neuanfang nicht deutlich genug. Da müsste in Koalitionsgesprächen nachgearbeitet werden. Dafür braucht es aber auch eine inhaltliche Grundlage, die zum Beispiel ein Paket für sichere Arbeit umfasst.

Was muss passieren, damit Sie den Gang in eine Koalition mit der Union voll unterstützen?

Darum geht es jetzt nicht. Wir entscheiden am kommenden Sonntag, ob wir Koalitionsgespräche aufnehmen werden. Der Union und vor allem der CSU kann ich nur raten, endlich aufzuhören, andauernd zu provozieren. Bei uns in der Partei und auch bei mir persönlich gibt es ein großes Misstrauen gegenüber Frau Merkel und ihrer Truppe.

Die NRW-SPD ist bislang besonders kritisch. Wäre es für viele im Land einfach leichter, wenn man in beiden Fällen in der Opposition ist?

Politik darf nie den einfachsten Weg gehen. Die Lage in Berlin und die in Nordrhein-Westfalen ist unterschiedlich. Weder Regierung noch Opposition dürfen Selbstzweck sein.

Die Union warnt davor, wieder alles infrage zu stellen. Müssen Sie nicht in der Tat um die eigene Glaubwürdigkeit fürchten?

Wir brauchen keine Ratschläge von der Union. Aus gutem Grund haben wir festgelegt, dass ein Parteitag darüber entscheidet, ob die erzielten Ergebnisse ausreichen. Es ist völlig klar, dass das Ergebnis von Sondierungen nicht einen Koalitionsvertrag vorwegnehmen kann.

Muss man das Paket noch mal aufschnüren, weil es ansonsten auf dem Sonderparteitag keine Chance hat?

Alles neu verhandeln wollen wir nicht. Aber ebenso wenig lassen wir uns einmauern. Und wir akzeptieren das Gejammer von CDU und CSU nicht. Ich möchte von der Union gerne mal ein sachliches Argument hören, warum wir nicht gerade jüngeren Beschäftigten mit der Abschaffung der sachgrundlosen Befristung sichere Perspektiven geben sollten oder gleiche Arbeit nicht gleichen Lohn wert sein sollte. Oder warum bei der Gesundheitsversorgung der Versicherungsstatus "privat oder gesetzlich versichert" und nicht der Bedarf der Patienten entscheidend ist.

Was zerreißt die SPD so sehr? Dass die Vernunft nicht zum Bauchgefühl passt? Oder fehlt das Vertrauen untereinander?

Ich erlebe eine SPD, in der fair und sachlich diskutiert wird. Wir sind uns einig: Wir müssen keine Scheu vor Verantwortung haben, weder in der Regierung noch in der Opposition.

Und was werden Sie am Sonntag tun?

Mich mit unseren Delegierten beraten.

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