Klausur der CSU-Landtagsfraktion:Söders Plan

Der künftige Ministerpräsident stellt sein milliardenschweres Zehn-Punkte-Programm für Bayern vor. Darin werden auch zentrale Forderungen der Opposition als CSU-Position verkauft. Dem Jubel tut das keinen Abbruch

Von Lisa Schnell und Wolfgang Wittl, Bad Staffelstein

Abschluss Winterklausur CSU-Landtagsfraktion

Noch ist er es nicht, aber Markus Söder probt schon mal die Rolle des Landesvaters. Bei der Klausur der CSU-Landtagsfraktion in Kloster Banz präsentiert er den begeisterten Abgeordneten seine Ideen für die kommenden Jahre.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)

Applaus im Stehen, Bravo-Rufe, nicht der Hauch von Kritik: Euphorisch hat die CSU-Landtagsfraktion zum Abschluss der Winterklausur in Kloster Banz die Pläne des künftigen Ministerpräsidenten Markus Söder bejubelt. "Ein echter Aufbruch", schwärmt der stellvertretende Generalsekretär Markus Blume. "Ein toller Aufschlag, der die ganze Gesellschaft im Blick hat", sagt JU-Chef Hans Reichhart. Die Opposition zeigt sich weniger begeistert, sie erkennt einige ihrer Forderungen nun als CSU-Position wieder. Söders milliardenschweres Zehn-Punkte-Programm im Überblick.

Neue Polizeiuniform in Bayern

Mehr Polizisten soll es im Freistaat geben.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Sicherheit: Mit weiteren 1000 Stellen von 2020 an will Söder die Polizeipräsenz auf Plätzen, Bahnhöfen und Straßen stärken. Zusätzlich soll es eine eigene bayerische Grenzpolizei geben. Sie soll allerdings nicht in Konkurrenz zur Bundespolizei treten, sondern kurz hinter der Grenze tätig sein. In dieser Einheit sollen alle Polizisten zusammengefasst werden, die bereits mit Grenzarbeiten zu tun haben, etwa Schleierfahnder. Die Grenzpolizei soll zum Start etwa 500 Stellen umfassen, allerdings sind nur wenige davon neu. "Kleinstaaterei aus dem letzten Jahrhundert", nennt das Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann. Stattdessen müsse sich Bayern für wirkungsvolle Kontrollen an den EU-Außengrenzen einsetzen.

Asyl und Abschiebungen: Mit einem neuen Landesamt für Asyl und Abschiebungen - laut Söder "eine Art bayerisches Bamf" (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - sollen Abschiebungen aus Bayern konsequenter vorangetrieben werden. In diesem Amt sollen die Wege zwischen Sozial-, Innen- und Kommunalverwaltungen kürzer werden. Der Rechtsstaat werde nicht aufgeweicht, versichert er, "aber wir machen ihn effizienter". Auch die Zahl der freiwilligen Rückkehrer soll zunehmen. Noch in diesem Jahr will der Freistaat 50 Verwaltungsrichter einstellen, um die Verfahren zu beschleunigen. Damit erfüllt Söder eine - seit Jahren vergebliche - Forderung der Freien Wähler. "Die Gerichte sind lahmgelegt, weil die CSU seit Jahren an der falschen Stelle spart", sagt FW-Chef Hubert Aiwanger.

McGraw-Kaserne - McGraw Graben

Die Mc-Graw-Kaserne soll bebaut werden.

(Foto: Claus Schunk)

Wohnen und Eigentum: Einen Schwerpunkt setzt Söder im Wohnungsbau. Er will eine staatliche Wohnungsbaugesellschaft namens "Bayernheim" gründen und mit mehreren hundert Millionen Euro ausstatten. Sie soll staatliche Flächen nutzen; so soll etwa das Gelände der Mc-Graw-Kaserne in München komplett bebaut werden. Das ist schon länger in der Diskussion, eine Einigung gab es bislang nicht. Damit will Söder der Wohnungsknappheit in Ballungsräumen entgegenwirken. Ziel: Bis 2020 sollen zusätzlich 2000 neue Wohnungen geschaffen werden. Die Opposition, die Söder seit Jahren scharf dafür kritisiert, dass er den Verkauf der GBW-Wohnungen der Landesbank forciert hatte, spart nicht mit Spott. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) nennt die Vorschläge "eine interessante Entwicklung". Schließlich lehnte die CSU erst im Oktober einen entsprechenden Antrag der SPD im Landtag ab und weigerte sich, eine staatliche Wohnungsbaugesellschaft zu gründen. "Damit will Herr Söder wohl jetzt im Wahlkampf seinen größten wohnungspolitischen Fehler aller Zeiten, den Verkauf von mehr als 30 000 bezahlbaren Wohnungen in Bayern, vergessen machen", sagt Reiter. Versöhnlicher zeigt sich der Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD). "Ein reuiger Sünder ist mehr wert als 100 Gerechte", sagt er in Anlehnung an die Bibel. Jetzt komme es darauf an, wie die Wohnungsgesellschaft ausgestaltet wird, sagt SPD-Landeschefin Natascha Kohnen. Sie müsse mindestens 50 Prozent geförderten Wohnungsbau beinhalten. Ihre Vermutung ist, dass es der CSU um Eigentumswohnungen gehe. "Das hilft denen, die sich ein Dach über dem Kopf nicht leisten können, aber nicht." FW-Chef Aiwanger kommentiert gewohnt deftig: "Die Brandstifter spielen Feuerwehr."

Verkehr: Im öffentlichen Nahverkehr setzt Söder auf die digitale Gesamtvernetzung Bayerns: bei Fahrplänen, Anschlüssen und einheitlichen Tarifen. Tickets sollen überall abrufbar sein, Wlan soll in Bussen und Regionalzügen frei verfügbar sein, Routenberechnungen sollen aufzeigen, ob es gerade günstiger ist, mit dem Auto oder mit der Bahn zu fahren. Die Umsetzung liegt jedoch noch in weiter Ferne - das Programm trägt den Namen "ÖPNV-Plan 50", gemeint ist das Jahr 2050. Dafür gibt es Lob von den Grünen, die längst für eine Vereinfachung des ÖPNV plädieren. Allerdings dauere das bis 2050 viel zu lange.

Bildung: Digitalisierung in Schulen soll forciert werden - für Schüler und Lehrer gleichermaßen. Ansonsten geht es Söder vor allem darum, die im vergangenen Jahr beschlossenen Schulreformen fehlerfrei umzusetzen.

Forschung und Wirtschaft: Söder will die Gründerkultur fördern, so sollen Start-ups etwa von einem einjährigen Wegfall der Gebühren und weniger Bürokratie profitieren. Es gelte der Grundsatz: Arbeitsplätze zu den Menschen zu bringen - und nicht umgekehrt. In der Forschung denkt Söder über ein noch nicht benanntes Leuchtturmprojekt nach. Über den Bau einer dritten Startbahn am Münchner Flughafen ist noch keine Entscheidung gefallen. Hier sollen erst Gespräche mit der Stadt München geführt werden, womöglich noch vom amtierenden Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Söder zählt, wie die überwältigende Mehrheit der CSU-Fraktion, zu den Befürworten des Ausbaus.

Klausur der CSU-Landtagsfraktion: Markus Söder plant mehr Hospizplätze.

Markus Söder plant mehr Hospizplätze.

(Foto: Catherina Hess)

Soziales: Respekt und Würde, darauf komme es ihm an, sagt Söder - auf den ersten Metern des Lebens wie auch auf der letzten Meile. Die Zahl der Hospiz- und Palliativplätze will Söder verdoppeln, 100 Plätze sollen in den nächsten drei Jahren entstehen. Zum Jahresende 2016 gab es in Bayern 186 Hospizplätze für Erwachsene und 456 Palliativbetten. Außerdem will der künftige Regierungschef ein Landesamt für Pflege gründen und ein Landespflegegeld einführen - in welcher Höhe, ist noch offen. Damit soll es Familien erleichtert werden, ihre Angehörigen zu Hause zu pflegen. Das deckt sich mit einer von der Fraktion in Auftrag gegebenen Umfrage. 93 Prozent der Bayern hielten Sicherung im Alter für besonders wichtig, sagt Fraktionschef Thomas Kreuzer. Die ärztliche Versorgung auf dem Land soll gestärkt werden. SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher will wissen, wie Söder ein Landespflegeamt ausstatten wolle. "Wenn er jetzt die Defizite seiner eigenen Amtszeit als Gesundheitsminister aufbereiten will, lässt das vermuten, dass es ihm nur um Wahlkampf geht."

Krabbelgruppe in Fleischwangen

In Bayern ist mehr Kinderbetreuung geplant.

(Foto: Kathrin Drinkuth/dpa)

Familie und Kinder: Bei der Kinderbetreuung möchte Söder abwarten, welche Beschlüsse eine neue Regierung in Berlin fasst. Grundsätzliches Ziel müsse sein, in Bayern die Qualität der Betreuungsstätten anzuheben sowie Erziehungsberufe attraktiver zu machen. Der Staat müsse für die ersten zehn Jahre des Kindes eine verlässliche Perspektive geben, sagt Söder: "Es dürfen in der Betreuung keine Brüche entstehen für Familien." Der Dreiklang lautet: Ausbau der Plätze, mehr Erzieher gewinnen, aber keine komplette Gebührenfreiheit, sondern mehr Qualität durch kleinere Gruppen. Für Rinderspacher ist auch das ein Eingeständnis des Versagens, da die Betreuungsquote bei den Null- bis Dreijährigen immer noch bei 28 Prozent liege, und das Deutsche Jugendinstitut schon vor mehreren Jahren einen Bedarf von 42 Prozent ermittelt habe.

Nationalparks

Ob noch ein Nationalpark kommt, ist offen.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Natur und Schöpfung: Söder will ein nationales Referenzzentrum für Artenschutz auf den Weg bringen. Zudem soll sich die bayerische Landwirtschaft noch schneller vom Pflanzengift Glyphosat verabschieden als der Bund - also spätestens in den nächsten vier Jahren. Im Streit um einen dritten Nationalpark hat Söder angekündigt, bis zum Sommer Klarheit zu schaffen. Aufgrund der regionalen Widerstände wird in der CSU damit gerechnet, dass eine Umsetzung nicht zustande kommt. Dem grünen Volksbegehren gegen Flächenfraß will die CSU ein eigenes Programm entgegensetzen. "Anreize statt Verbote", lautet Söders Motto. Wer flächensparend arbeite und Flächen entsiegele, soll belohnt werden. Ortskerne sollen stärker revitalisiert werden. Grünen-Fraktionschef Hartmann ist das zu wenig. Einen Effekt gebe es nur, "wenn man gesetzlich begrenzt, wie viel Fläche pro Jahr versiegelt werden darf".

Demokratie und Bürgernähe: Bis Ende März will Seehofer abtreten. Söder strebt eine Begrenzung der Amtszeit auf zehn Jahre oder zwei Legislaturperioden an. Dafür nötig ist eine Verfassungsänderung sowie ein Volksentscheid. Dieser soll mit der Landtagswahl zur Abstimmung vorgelegt werden. In der Staatskanzlei will Söder einen Bürgerbeauftragten installieren, er selbst will Bürgersprechstunden abhalten. Alle Themen kosten den Freistaat mehrere Milliarden Euro. Dafür will Söder in die fast fünf Milliarden Euro schwere Rücklage greifen, auch der Verkauf von privaten Beteiligungen (Eon) komme in Betracht.

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