Zyklus-Apps:Pseudo-Feminismus statt Verhütung

Zyklus-Apps: Die App "Natural Cycles" ist ein Fall für die schwedische Arzneimittelbehörde geworden

Die App "Natural Cycles" ist ein Fall für die schwedische Arzneimittelbehörde geworden

(Foto: Natural Cycles)

Verhütungs-Apps wie "Natural Cycles" machen auf feministisch und natürlich. Leider erfüllen sie nicht ihren Zweck, wie mittlerweile viele Frauen erfahren mussten.

Kommentar von Berit Uhlmann

Es musste ja so kommen. 37 Schwedinnen, die sich auf eine heftig beworbene Verhütungs-App verließen, sind binnen dreier Monate schwanger geworden. Diese Fälle wurden in nur einem einzigen Krankenhaus registriert. Wie viele Frauen weltweit betroffen sind, wie hoch der Anteil der Schwangeren an allen Nutzerinnen des Produkts ist, weiß niemand. Dennoch hat sich die schwedische Arzneimittelbehörde eingeschaltet; die Vorkommnisse machten Schlagzeilen.

Denn bei dieser App ist die Fallhöhe besonders hoch: Angeblich sollen 600 000 Frauen weltweit den Zyklus-Tracker " Natural Cycles" nutzen. Dessen Erfinder haben sich immerhin die Mühe gemacht, ihren Algorithmus an einer großen Zahl von Frauen zu testen und die technische Funktionstüchtigkeit vom TÜV überprüfen zu lassen. Das ist mehr, als die meisten Konkurrenzprodukte vorzuweisen haben.

Die Temperaturmethode ist längst überholt

Doch letztlich haben die meisten Smartphone-Anwendungen zur Familienplanung die gleichen Grundprobleme. Sie sind kaum mehr als technisch aufgemotzte Menstruationskalender, die bisweilen an ein Thermometer gekoppelt sind. Verlässlich ist die Auswertung solcher Daten nicht, die Kalender- und Temperaturmethode gelten seit Jahrzehnten als obsolet. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ein roter Warnhinweis auf dem Smartphone per se noch keinerlei Verhütung darstellt. Schon gar nicht, wenn die Warnung wie im Falle von Natural Cycles manchmal den halben Zyklus lang aufleuchtet.

Das alles wird gerne mit dem Versprechen der Natürlichkeit übertüncht: Die Verhütungs-Apps erscheinen dann als Befreiung von der garstigen Chemie, die die männlich dominierte Pharmabranche den Frauen aufnötigt. Nicht umsonst rücken die Anbieter so gern ihre weiblichen Mitarbeiter in den Vordergrund. Sie stehen ja qua Geschlecht auf der richtigen Seite. Dieser pseudo-feministische Anstrich ist ein besonderes Ärgernis der Apps. Dass Frauen allein über ihren Körper und ihre Lebensplanung entscheiden können, bedeutet einen enormem Fortschritt auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung. Doch Unternehmerinnen, die diesen Gedanken für die Vermarktung unzulänglicher Produkte ausbeuten, gefährden ihn. Genauso wie Kundinnen, die gutgläubig allem anhängen, was irgendwie nach Kleinunternehmertum und Natürlichkeit klingt.

Am Ende bestimmen nicht die Frauen über ihren Körper, sondern ein fehlerhafter Algorithmus. Oder gar die Geschlechtskrankheit, die sich zuziehen kann, wer schließlich auch noch das Kondom als unnatürlich ablehnt. Die Erreger von Chlamydien und Tripper etwa können viel Leid auslösen und in schweren Fällen zu Unfruchtbarkeit führen - auch wenn sie Naturprodukte par excellence sind.

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