Wetter:Die Bilanz von "Friederike"

Nach Sturmtief ·Friederike· · Nordrhein-Westfalen

Nach Orkan Friederike: Umgestürzte Bäume an einer Landstraße in Nordrhein-Westfalen.

(Foto: dpa)
  • Friederike war der schwerste Orkan seit mehr als zehn Jahren in Deutschland.
  • Er hatte den Zugverkehr am Donnerstag bundesweit lahmgelegt, seit Freitagmorgen fahren die ersten Züge wieder, es gibt aber noch zahlreiche Einschränkungen.
  • Mindestens acht Menschen kamen bei dem Sturm ums Leben.

Friederike ist abgezogen, doch vor allem in der Mitte Deutschlands sind die Auswirkungen des Orkans noch zu spüren. Polizei und Rettungskräfte sind immer noch mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Es kam zu zahlreichen Verkehrsunfällen und Straßensperrungen. Der schwerste Orkan seit mehr als zehn Jahren in Deutschland hat mindestens acht Menschen das Leben gekostet.

In Sachsen-Anhalt kamen durch das Sturmtief zwei Männer ums Leben, wie die Polizei am Freitagmorgen mitteilte. Beide seien am Donnerstagabend ihren schweren Verletzungen erlegen. Ein 65-Jähriger kam ums Leben, als er an seinem Dach Sicherungsarbeiten durchführte. Er fiel etwa acht Meter in die Tiefe. Im Burgenlandkreis wurde ein 34-Jähriger von einem umstürzenden Baum getroffen. Mindestens weitere sechs Menschen starben am Donnerstag bei dem Unwetter in Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Brandenburg.

Nachdem die Deutsche Bahn den Fernverkehr am Donnerstag eingestellt hatte, nahm sie den Betrieb am frühen Freitagmorgen wieder auf. Vor allem in Nordrhein-Westfalen müssen Bahnreisende aber noch mit erheblichen Einschränkungen rechnen. Wie ein Sprecher mitteilte, fahren im Regionalverkehr derzeit etwa auf der Hälfte der Linien wieder Züge. Etwa alle halbe Stunde könne eine weitere Linie wieder in Betrieb genommen werden.

Auch im Fernverkehr gibt es noch zahlreiche Einschränkungen. Die Bahn riet Reisenden, sich vor Fahrtantritt über die aktuelle Lage zu informieren (eine Übersicht zu allen Störungen gibt es hier). "Wir gehen davon aus, dass wir im Laufe des Wochenendes alle Linien wieder in Betrieb nehmen können", teilte ein Sprecher des Unternehmens mit. Die Zugbindung wurde für sämtliche Tickets aufgehoben, die Gültigkeit um eine Woche verlängert.

Mehr als 200 beschädigte Streckenabschnitte vor allem in Nordrhein-Westfalen und in Mitteldeutschland zählte die Bahn. Laut dem Unternehmen habe der Orkan einen Millionenschaden am Schienennetz verursacht. "Wir fliegen aktuell Strecken mit Hubschraubern ab", sagte ein Sprecher. Ist die Strecke frei, muss zuerst ein Zug ohne Fahrgäste durch, bevor sie endgültig für Züge mit Passagieren freigegeben werden kann. Wegen des Sturms hatte die Deutsche Bahn am Donnerstag erstmals seit dem Orkan Kyrill im Jahr 2007 den Betrieb auf ihrem gesamten Fernverkehrsnetz eingestellt.

Vielerorts wurde zeitweise Windstärke zwölf und mehr gemessen. Über den Brocken im Harz fegten Orkanböen mit bis zu 203 Stundenkilometern. Innenminister Thomas de Maizière bedankte sich via Twitter bei den Rettungskräften und sprach den Angehörigen der Todesopfer sein Mitgefühl aus. "Ich danke vor allem den mehr als 1000 ehrenamtlichen THWlern sowie allen anderen Einsatzkräften, die sich in den Dienst der Gesellschaft gestellt haben." Polizei und Rettungskräfte waren während des Orkans im Dauereinsatz und sind immer noch mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Es kam zu zahlreichen Verkehrsunfällen und Straßensperrungen. Allein in NRW waren laut dem Innenministerium etwa 30 000 Mitarbeiter von Feuerwehren, Rettungsdiensten und dem Katastrophenschutz zu mehr als 20 000 Einsätzen ausgerückt.

Wegen der Gefahr umstürzender Bäume war die Autobahn 7 an der Landesgrenze zwischen Niedersachsen und Hessen in Richtung Süden bis zum frühen Nachmittag gesperrt. Probleme auf den Straßen gab es auch in Westsachsen: Die Autobahn 72 in Richtung Bayern war in der Nähe von Zwickau nach einem Lastwagen-Unfall mit drei Fahrzeugen in der Nacht gesperrt. Ein Laster war in ein Stauende gerast, zwei Männer starben.

Auch in den Wäldern hat Orkan Friederike gewütet. Der Landesbetrieb Wald und Holz geht davon aus, dass die Schäden deutlich geringer sind als beim Orkan Kyrill im Jahr 2007. Ein Sprecher appellierte an die Bevölkerung, etwaige Waldbetretungsverbote zu beachten. Es bestehe Lebensgefahr etwa durch dicke Äste, die auch Tage nach einem Sturm noch zu Boden fallen könnten.

Infolge von Friederike war vielerorts die Schule ausgefallen. Einige Schulen in NRW hatten zunächst trotz der Sturmwarnung Unterricht erteilt und die Schüler dann nach der zweiten oder dritten Stunde nach Hause geschickt - mitten in den Sturm sozusagen. Diese Entscheidung wurde jetzt kritisiert. "Man kann nur von Glück sagen, dass keinem Schüler etwas passiert ist, teilweise sind die Bäume ja förmlich wie Streichhölzer umgeknickt", sagte Dorothea Schäfer, die NRW-Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, der WAZ. Eine vorausschauende Entscheidung vom Schulministerium wäre nötig gewesen, so Schäfer. Das Ministerium hatte im Vorfeld gesagt, es könne keinen allgemeinen Schulschluss vorgeben, die Entscheidung dazu läge bei den Schulen selbst. Nach der Kritik kündigte das Ministerium eine Aufarbeitung des Falls an.

Aus Sicht der Versicherungswirtschaft zählt Friederike zu den mittelschweren Unwettern. Der Versichererverband GDV schätzt die versicherten Schäden auf 500 Millionen Euro. Das Kölner Unternehmen Meyerthole Siems Kohlruss (MSK), das Versicherer in mathematischen Fragen berät, geht von 800 Millionen aus. Damit liegt Friederike bei den Schäden deutlich unter dem Orkan Kyrill, der mehr als zwei Milliarden Euro Schaden verursacht hatte. "Meteorologisch war Friederike so etwas wie ein schlanker Kyrill", sagt der Versicherungsmathematiker Onnen Siems von MSK. "Das Sturmfeld fiel enger und kleinräumiger aus und der Sturm zog schneller durch."

Das Wetter hat sich mittlerweile beruhigt. Um Mitternacht hob der Deutsche Wetterdienst (DWD) die letzten Unwetterwarnungen auf. Am Freitag bleibt es anfangs an der See und in den Bergen noch stürmisch. Probleme drohen weiterhin durch glatte Straßen. Es sind immer wieder Regen-, Schnee- und Graupelschauer möglich. An den Alpen erwartet der DWD kräftige Schneefälle.

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