"Wellküren" in Vaterstetten:Bayerisches Brausepulver

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Bei ihrem Auftritt in Vaterstetten servieren die "Wellküren" geistreiche Schärfe und mitreißende Musik. Im Programm "Abendlandler" überzeugt das Trio mit überschäumender Leidenschaft

Rezension von Ulrich Pfaffenberger, Vaterstetten

Zu schön, diese Geschichte, um wahr zu sein: Da streiten sich einst vor Ururur-Generationen zwei schottische Musiker darum, wer der bessere sei. Es geht grob zur Sache: Mac Beth schupst Mac Well ins Wasser, den Loch Ness. So findet die Well-Ness ihren Ursprung und nimmt dann unaufhaltsam ihren Lauf, dank ehelicher Bande schließlich bis nach Bayern. Mit tierischem Ernst erzählt Moni, die jüngste der Wellküren, diese Anekdote, wie überhaupt keine aus dem Trio zum Scherzen aufgelegt scheint bei ihrem Auftritt in Vaterstetten. Allenfalls zwischendrin zu einem instrumentalen Juchzer.

Aber das täuscht. Denn nichts weniger als das seelische Wohlgefühl seiner Gäste liegt dem Trio am Herzen. Schließlich verfügen die Schwestern über das perfekte Wellness-Rezept für einen Freitagabend am Ende einer Arbeitswoche. Ein Rezept, das ihr Publikum im Festsaal des Vaterstettener Seniorenwohnparks viel entspannter hinausgehen lässt, als es hereingekommen ist. Was auch damit zu tun hat, dass sie sich geradeheraus und pragmatisch der kleinen Schwächen und Störungen des Alltags annehmen. Allein die Szene, in der Moni das schlafstörende Ritual markerschütternder Schnarcher ihres Ehemanns lautstark zum Besten gibt: Die ebenso schicksalsergebenen wie solidarischen Lacher der Ehefrauen im Publikum signalisieren unmittelbares Wiedererkennen - und Dankbarkeit für das "Du bist nicht allein".

Locker und geistreich Humor zu verabreichen, diese Kunst beherrschen Burgi, Bärbi und Moni Well vollendet. Dem Anschein zum Trotz belassen sie es dabei nicht bei homöopathischen Dosen, sondern platzieren ihre Anwendungen intravenös. Wie sie sich der Irrungen und Wirrungen der Gegenwart annehmen, geht ins Blut, geht ins Hirn und geht ins Gemüt. So jemand wie diese drei hätten wir alle gern öfter um uns, um mit dem täglichen Irrsinn fertig zu werden und mit dem Wischi-Well die trüben Augengläser geputzt zu bekommen.

Wie schon "Abendlandler" vermuten lässt, der Titel des aktuellen Programms, werden die Well-Schwestern auch diesmal wieder ihrem exzellenten musikalischen Ruf gerecht. Auch wenn sie ihren Auftritt plakativ als "Stubenmusik" darbieten, tragen Titel wie "Hormonelle Demenz" oder ihre grandiosen multiinstrumentalen Variationen über die A-Dur-Sonate von Wolfgang Amadeus Mozart eine so charakteristische Handschrift, dass ihnen nur mit der Stilrichtung "Wellklang" gerecht zu werden ist. So mühelos adaptieren und kreuzen die Wellküren Stile und Melodien, dass Barbershop und Bayernhymne zu eineiigen musikalischen Zwillingen mutieren und sich zwischen "La Paloma" und "Spiel mir das Lied vom Tod" eine Brücke von unglaublicher Eleganz und Tragkraft spannt. Man möchte gar nicht mehr aufhören, zu applaudieren. Wenn die drei dann ihr Publikum auch noch zum Mitsingen einladen, dann lässt sich selbiges freudig darauf ein, den Kanon "Es war einmal ein Kuckuck" in ein orgiastisches Miteinander von Stimmen und Leidenschaften zu verwandeln. Da gerät der "Abendlandler" für Minuten zur mitreißenden musikalischen Wildwasserfahrt.

Dann nehmen sich die Wellküren das politische Frankenland migrierenden Landesvateranwärter zur Brust, deren Einlassungen die Woche über das bürgerliche Wohlwollen angesäuert haben - gut ausbalanciert mit einer großzügigen Portion Kabarett und beherztem Kampfgeist. Die differenzierenden Vokabeln der bairischen Mundart ("fiese Lätsch'n") und der feinfühlige Griff zum sprechenden Bild ("bayerischer Dschihad") helfen ihnen nicht nur bei der Auseinandersetzung mit CSU-Politiker Markus Söder, sondern geben den Zuhörern das rundum wohlige Gefühl, sprachlich wie gedanklich in der guten Stube der Wells zuhause zu sein. Selten ein Nockherberg-Derblecken gehört, das derart scharf gewürzt war. Gegen so eine überschäumende Leidenschaft, wie im tiradischen "Monilog" käme nicht einmal ein Sack voll Brausepulver an.

All dies führt letztlich dazu, dass man der Musik, des Esprits und der schieren Gegenwart der Wellküren so wenig überdrüssig werden kann wie der Oma ihrem sau-guten Schweinsbraten. Der zeitliche Abstand vom Auftritt der Wellküren im Zapf'schen Stadl zum Vaterstettener Seniorenparkfestsaal war genau angemessen, um sich am Vertrauten wieder zu freuen und das Verflogene wieder einzufangen. Alle halbe Jahr' eine "Wellkürenkur", das reinigt Geist und Seele. Jede Minute des freudig-brausenden Beifalls ist da well verdient.

© SZ vom 22.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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