Urheberrecht:Warum die Deutschen illegal glotzen

Eine Person tippt auf der Tastatur eines Laptops Berlin 22 06 2016 Berlin Deutschland PUBLICATION

Die Forscher befragten mehr als 5500 Personen: Welchen Anteil an der Nutzung haben bezahlte und kostenlose Angebote?

(Foto: imago/photothek)

Die legalen Alternativen für Filme, Musik und Spiele im Netz sind schlicht zu unpraktisch. Zu diesem Schluss kommen Münchner Forscher.

Von Marc Beise

Die Deutschen sind ein Volk von Online-Dieben. Vor allem junge Menschen surfen unablässig im Internet und laden bedenkenlos Inhalte herunter, ohne Rücksicht auf die Schutzrechte der Eigentümer. So heißt es immer wieder, und besonders die Musikindustrie klagt über die Null-Bezahlmentalität des Volkes. Wie urheberrechtlich geschützte Inhalte im Netz genutzt werden und wie Politik und Wirtschaft auf den Wildwuchs reagieren sollen, wird seit Jahren heftig diskutiert. Nur dass man leider häufig von falschen Voraussetzungen ausgeht, das jedenfalls glaubt ein Münchner Forscherteam um die Professoren Dietmar Harhoff und Reto Hilty.

Im Bericht zur "Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte im Internet durch deutsche Verbraucher" kommen die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Innovation und Wettbewerb in München zu dem für Beobachter überraschenden Ergebnis, dass viele Konsumenten auch bereit wären, dafür zu zahlen - wenn nur die Abläufe einfacher und transparenter wären.

"Das Urheberrecht muss dringend an die digitale Welt angepasst und radikal vereinfacht werden."

In der Studie, die sich methodisch an britische sowie australische Forschungsprojekte anlehnt und in dieser Form in Deutschland bisher einmalig ist, wurde untersucht, in welchem Maß Internetnutzer Musik, Filme, Serien und Videospiele herunterladen, solche kreativen Inhalte streamen oder öffentlich weitergeben. Das Interesse der Forscher: Welchen Anteil an der Nutzung haben bezahlte und kostenlose Angebote? Halten Nutzer ihr jeweiliges Verhalten für legal, und welche Motive haben sie für möglicherweise illegale Nutzung? Was würde Nutzer dazu veranlassen, ihr möglicherweise illegales Verhalten einzustellen? Insgesamt wurden mehr als 5500 Personen befragt, um repräsentative Aussagen über alle deutschen Internetnutzer ab zwölf Jahren möglich zu machen.

Das Ergebnis: Jeweils mehr als die Hälfte der deutschen Online-Konsumenten von Musik oder Bewegtbildinhalten gibt nichts für die Nutzung dieser Inhalte aus, etwa ein Viertel bezahlt für alle genutzten entsprechenden Inhalte. Die übrigen Online-Konsumenten nutzen einen Teil der Inhalte kostenfrei, während sie für einen anderen Teil bezahlen. Rund zehn Prozent nutzen diese Inhalte ihrer eigenen Einschätzung nach teilweise auch illegal, während fünf Prozent ihren gesamten Konsum für illegal halten. Allgemein kann man sagen: Wer online klaut, ist eher jünger und eher männlich als jene, die ausschließlich legal konsumieren.

Die drei mit Abstand am häufigsten Gründe für illegales Verhalten sind Kostenfreiheit, die Einfachheit und Bequemlichkeit sowie die Schnelligkeit. Konsequenz: Wenn legale Dienste billiger, flexibler und besser wären, würde ein Teil der Konsumenten nach eigener Aussage freiwillig zahlen. 21 Prozent der Befragten mit zumindest teilweise illegalem Nutzungsverhalten geben laut Studie an, auf illegales Online-Verhalten dann zu verzichten, wenn dieses besser von legalem Verhalten abzugrenzen wäre. Dagegen spielen mögliche rechtliche Sanktionen oder angedrohte Einschränkungen des Internetzugangs bei Urheberrechtsverletzungen nur eine untergeordnete Rolle.

Für Max-Planck-Forscher Harhoff "helfen die Ergebnisse des Projekts der Wissenschaft und hoffentlich auch der Politik, Nutzerverhalten im Internet besser zu verstehen." Ein Ergebnis ragt heraus: Es wird den Nutzern in Deutschland nicht gerade einfach gemacht, klar zwischen legalem und illegalem Verhalten zu unterscheiden.

Ein ganz erheblicher Anteil der deutschen Internetnutzer - nämlich 47 Prozent und damit 14 Prozent mehr als in den britischen Vergleichsstudien - gibt an, nicht sehr oder überhaupt nicht sicher zu sein, welches Online-Nutzungsverhalten als legal und welches als illegal einzustufen ist.

Für Harhoff ist offensichtlich, dass mit einfacheren, flexibleren und bequemeren Lösungen von Seiten der Anbieter urheberrechtsverletzendes Verhalten im Internet einzudämmen wäre. Insbesondere sollten Inhalte, die in anderen Ländern bereits genutzt werden können, auch in Deutschland schnell verfügbar gemacht werden, um vorhandene Zahlungsbereitschaft abzuschöpfen. "Das Urheberrecht muss dringend an die digitale Welt angepasst und radikal vereinfacht werden."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: