Ferrero:Unter Verdacht

Nutella-Brot

Übliche Kakao-Brotaufstriche enthalten oft Palmöl.

(Foto: Daniel Karmann/dpa)

Das günstige Pestizid Paraquat wird in Chile beim Anbau von Hasel­nüssen verwendet. Es belastet die Erntehelfer.

Von Benedikt Peters

Der italienische Konzern Ferrero legt Wert auf ein gutes Image. Der Umweltschutz sei dem Konzern besonders wichtig, heißt es im jährlich erscheinenden Unternehmensbericht, ebenso wie "die Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern". Der drittgrößte Süßwarenhersteller der Welt hat in den vergangenen Jahren gezeigt, dass das nicht bloß leere Worte sind.

Als im vergangenen Jahr Berichte über Kinderarbeit bei der Produktion von Überraschungseiern publik wurden, beendete Ferrero die Zusammenarbeit mit dem verantwortlichen Zulieferer aus Rumänien. Positive Nachrichten gab es zuletzt auch bezüglich des Palmöls, einer Zutat, die aus Produkten wie Nutella, Kinderschokolade und Rocher nicht wegzudenken ist. Selbst die Umweltorganisation Greenpeace, nicht unbedingt bekannt als Freund der Konzerne, bescheinigte Ferrero, ein Vorreiter bei der nachhaltigen Beschaffung von Palmöl zu sein. Und widersprach damit der damaligen französischen Umweltministerin Ségolène Royal, die 2015 zum "Nutella-Boykott" aufgerufen hatte.

Bei den Arbeitern könne das Mittel Haut, Augen und Lunge schädigen, sagen Experten

Nun aber könnte eine andere, wichtige Zutat des beliebten Brotaufstrichs dafür sorgen, dass das positive Image des Schokoladengiganten Risse bekommt. Es geht um den Anbau von Haselnüssen, aus denen beispielsweise Nutella zu 13 Prozent besteht. Das Pestizid-Aktionsnetzwerk Lateinamerika (auf Spanisch abgekürzt RAP-AL) wirft Ferrero vor, bei der Produktion in Chile Paraquat einzusetzen, ein Pflanzenschutzmittel, das für die Beschäftigten schädlich sein kann. In der Europäischen Union ist der Einsatz von Paraquat seit 2007 verboten. In Chile hingegen darf das Pestizid nach wie vor eingesetzt werden, auch wenn das Agrarministerium des Landes es als "schädlich und moderat gefährlich" einstuft.

Die Publikation von RAP-AL, über welche die taz bereits berichtete, stützt sich auf die Berichte von Erntehelfern und Anwohnern aus der Region Maule, etwa 180 Kilometer südlich der chilenischen Hauptstadt Santiago. Die Ferrero-Tochterfirma AgriChile baut dort in großem Stil Haselnüsse an. Dabei arbeitet sie nach eigenen Angaben mit lokalen Produzenten zusammen. Den Berichten der Anwohner zufolge komme dabei in großen Mengen Paraquat zum Einsatz, schreibt RAP-AL. Zudem beruft sich die Organisation auf Statistiken, denen zufolge einschlägige Erkrankungen in der Region angestiegen seien. Bis September 2017 seien bereits 442 Pestizid-Vergiftungen gemeldet worden.

Muriel Ramírez Santana hält die Vorwürfe für plausibel. Die Wissenschaftlerin der chilenischen Universidad Católica del Norte hat Studien zum Gebrauch von Pestiziden in dem Land erstellt. "Paraquat wird praktisch überall eingesetzt, da es vergleichsweise kostengünstig und wirksam ist. Und in Chile eben nicht verboten", sagt sie. Für die beschäftigten Erntehelfer sei der Stoff gefährlich. "Paraquat ist hochgiftig", sagt Ramírez Santana. Bei den Arbeitern könne es zu Schäden an Haut, Augen und Lunge führen. Zudem wirke es auf lange Sicht krebserregend.

Für die Verbraucher hingegen ist der Einsatz von Paraquat beim Anbau von Haselnüssen nach Ansicht von Wissenschaftlern unbedenklich. Zu diesem Schluss kommt der deutsche Pestizidforscher Lars Neumeister, der im Auftrag von Organisationen wie Greenpeace Studien erstellt. Zu seinen Auftraggebern zählt auch der deutsche Ableger des Pestizid-Aktionsnetzwerks, das die Vorwürfe gegen Ferrero erhebt. Paraquat werde zwar auf die Pflanzen aufgetragen, sagt Neumeister, die Schale um die Haselnüsse aber verhindere, dass Rückstände in die Produkte gelangten. Nach Angaben Ferreros stammen die in Nutella verarbeiteten Haselnüsse ohnehin aus der Türkei und aus Italien. Das gilt zumindest für das auf dem deutschen Markt verkaufte Produkt.

Gerne würde man wissen, für welche Produkte der Süßwarenhersteller dann die chilenischen Nüsse nutzen möchte. Die Ernte in dem Land belief sich im Jahr 2016 Zeitungsberichten zufolge auf 20 000 Tonnen, Ferreros Anteil daran betrug demnach 98 Prozent. Auf eine entsprechende Frage der Süddeutschen Zeitung antwortete der Konzern allerdings nicht.

Per E-Mail schickt das Unternehmen lediglich eine kurze Stellungnahme, der zufolge "weltweit kein Paraquat auf den eigenen Haselnussplantagen" eingesetzt werde. Wie es sich auf den Plantagen der lokalen Produzenten verhält, mit denen Ferrero und Agri-Chile zusammenarbeiten, das scheint das Unternehmen jedoch nicht genau zu wissen. Denn Ferrero schreibt weiter: "Wir werden unsere Lieferanten entsprechend prüfen."

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