Nach Pleite mit VW-Aktien:Adolf Merckle begeht Selbstmord

Der schwäbische Milliardär Adolf Merckle hat sich vor einen Zug geworfen. Die Finanznöte seiner Firmen hätten ihn gebrochen, sagt seine Familie.

Bernd Dörries

Der Milliardär Adolf Merckle hat am Montagabend Selbstmord begangen. Er warf sich in seinem Wohnort Blaubeuren bei Ulm vor einen Zug. Sein Firmenimperium, zum dem Unternehmen wie Ratiopharm und Heidelberg-Cement gehören, ist ins Wanken geraten, weil Merckle mit Aktienspekulationen Millionen verloren hatte.

Nach Pleite mit VW-Aktien: Der Unternehmer Adolf Merckle Anfang des Jahres 2007, als er sich ins goldene Buch der Stadt Wernigerode eintrug.

Der Unternehmer Adolf Merckle Anfang des Jahres 2007, als er sich ins goldene Buch der Stadt Wernigerode eintrug.

(Foto: Foto: dpa)

Die Polizei Ulm hat am Montagabend die Leiche Merckles auf einem Bahndamm der wenig befahrenen Strecke bei Blaubeuren-Weiler gefunden, nicht weit vom Merckles Anwesen entfernt. Nach Angaben der Ermittler gibt es keine Hinweise auf Fremdverschulden. Die Polizei geht von einem Selbstmord aus, Merckle habe seiner Familie einen Abschiedsbrief hinterlassen.

"Adolf Merckle hat für seine Familie und seine Firmen gelebt und gearbeitet", teilte seine Familie am Dienstag mit. "Die durch die Finanzkrise verursachte wirtschaftliche Notlage seiner Firmen und die damit verbundenen Unsicherheiten der letzten Wochen sowie die Ohnmacht, nicht mehr handeln zu können, haben den leidenschaftlichen Familienunternehmer gebrochen, und er hat sein Leben beendet."

Merckle galt in seinem Heimatort Ulm als recht verschwiegener Unternehmer. Aus der kleinen Arzneimittelhandlung seines Vater schmiedete er ein Firmenimperium mit etwa 30 Milliarden Euro Umsatz und 100 000 Mitarbeitern. Merckle stieg als einer der ersten in das Geschäft mit Generika ein - Arzneimittel , deren Patente abgelaufen sind - und wurde mit Ratiopharm einer der Marktführer in Europa. Die Beteiligungen des 74-Jährigen reichten von Skiliften im Allgäu über den Pistenbullyhersteller Kässbohrer bis zum Großkonzern Heidelberg-Cement.

Der öffentlichkeitsscheue Unternehmer war im November in die Schlagzeilen gekommen, als bekannt wurde, dass er mit Aktienspekulationen Millionen verloren hatte. Merckle selbst taxierte seine Verluste durch Wetten auf einen fallenden Kurs der Volkswagen-Aktie auf einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag, in Bankenkreisen war aber bis zuletzt auch von einer Milliarde die Rede.

Die Fehlspekulationen kamen zu einem Zeitpunkt, da das Merckle-Imperium ohnehin in großen Schwierigkeiten war, vor allem mit dem Kauf der Mehrheit an Heidelberg-Cement hatte sich Merckle verhoben. Auf seiner Unternehmensgruppe lasteten etwa 16 Milliarden Euro Schulden. Merckle befand sich seit Monaten in harten Verhandlungen mit seinen Gläubigerbanken, die ihn zum Verkauf von Rathiopharm drängten.

Kurz vor seinem Tod hatte es aber eigentlich so ausgesehen, als ob Merckle große Teile seines Besitzes retten könnte. "Man ist kurz vor einem positiven Abschluss", sagte am Dienstag eine Sprecherin der Gesellschaft VEM, in der Merckle viele seiner Firmen-Beteiligungen gebündelt hat. Merckle hatte zuletzt die Banken zu einem Stillhalteabkommen bewegen können und sollte einen Überbrückungskredit von 400 Millionen Euro erhalten. Er und seine Frau hätten den Kreditvertrag noch am Montag unterschrieben, hieß es in Firmenkreisen.

Der Selbstmord des in Geldnöte geratenen Milliardärs hat nach Angaben aus Bankenkreisen jedoch keine Auswirkungen auf das Rettungspaket für das Firmenimperium des Unternehmers. Die Vereinbarungen seien von diesen tragischen Ereignissen nicht betroffen, sagten Banker am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Unter den rund 30 Gläubigerbanken Merckles herrschte Fassungslosigkeit angesichts des Tods des Unternehmers. "Einfacher wird die ganze Situation dadurch sicher nicht", sagte ein Banker. Der Überbrückungskredit ist ohnehin nur der Anfang einer umfassenden Sanierung von Merckles Imperium.

Merckle selbst hatte auch die weltweite Finanzkrise für die Probleme seiner Firmen verantwortlich gemacht. Aktienwerte, die den Banken als Sicherheit dienten, hätten massiv an Wert verloren. Merckle galt als einer der zehn reichsten Deutschen, zuletzt gingen im aber offenbar die flüssigen Mittel aus.

Auf seine Umgebung hatte er bis zuletzt einen kämpferischen Eindruck gemacht und sich persönlich für die Rettung seiner Unternehmen eingesetzt. Merckle, der lange als Vorzeigeunternehmer galt, sah sich aber in den vergangenen Wochen auch massiver öffentlicher Kritik ausgesetzt. Im November vergangenen Jahres hatte er beim Land Baden-Württemberg um eine Landesbürgschaft nachgefragt, was die Landesregierung aber ablehnte.

Merckle wurde von vielen Seiten kritisiert. Es könne nicht angehen, dass jemand, der an der Börse Millionen verspekuliert, Hilfe vom Staat bekommen möchte, hieß es. "Es macht mich traurig, dass in solchen Zeiten wie der jetzigen Finanzkrise die öffentliche Meinung über Handlungen und Personen schlagartig umschwingen kann", sagte Merckle noch Mitte Dezember. Er sei aber stets ein "positiv denkender" Mensch gewesen.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) hat sich nach dem Tod des Unternehmers Adolf Merckle erschüttert gezeigt. "Baden-Württemberg verliert eine große Unternehmerpersönlichkeit. Trotz der Finanzprobleme der letzten Wochen hat Adolf Merckle ein mittelständisches Unternehmen von europäischer Bedeutung aufgebaut. Sein unternehmerisches Vermächtnis bleibt", betonte Oettinger am Dienstag in einer Mitteilung des Staatsministeriums in Stuttgart. Als Unternehmer und Mäzen habe Merckle seine Verantwortung in besonderer Weise wahrgenommen und wurde dafür mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

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