Diagnose:Krank im Netz

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Jeder zweite Befragte gab an, mit den Online-Gesundheitsinfos zufrieden zu sein.

(Foto: Emilio Morenatti/AP)

Viele Menschen recherchieren vor und nach dem Arztbesuch im Netz. Das fördert das Misstrauen zwischen Mediziner und Patient.

Kommentar von Werner Bartens

Von der leichten Unpässlichkeit bis zum Krebsverdacht ist es nicht weit. Man nehme den Hang zur Hypochondrie, eine lebhafte Fantasie und einen belastbaren Internet-Anschluss. Mit nur wenigen Klicks wird aus dem diffusen Bauchgrummeln die typische Symptomatik für Dickdarmkrebs. Und sprechen die linksseitigen Brustschmerzen nicht eindeutig für einen schweren Vorderwandinfarkt - auch wenn sie sich später als leichte Zerrung der Zwischenrippenmuskulatur erweisen? Medizinische Angebote im Netz bieten überbordend viele Informationshäppchen, die allerdings schwer einzuordnen sind; erst recht, wenn man sich nicht wohl fühlt. Deshalb werden nach der Konsultation von "Dr. Google" aus Pumperlgsunden manchmal im Handumdrehen Patienten in Panik, die sich schon dem Tode geweiht wähnen.

Dem Arzt-Patienten-Verhältnis tut es nicht unbedingt gut, wenn Menschen mit beginnenden Beschwerden zuerst im Netz recherchieren, anstatt den Doktor aufzusuchen oder ihrem Körpergefühl zu vertrauen. Das Misstrauen wächst dadurch auf beiden Seiten. Ärzte wissen, dass sich im Internet gerade zu Gesundheitsthemen viele unseriöse Anbieter und einseitige Informationen finden. Patienten werden auf diese Weise verunsichert, schwärmen plötzlich für seltsame Tests, ungeprüfte Behandlungen und fühlen sich in ihrer Filterblase durch Gleichgesinnte in abseitigen Ansichten bestätigt.

Kein Wunder, dass 30 Prozent der Patienten ihren Ärzten verschweigen, wenn sie sich zusätzlich im Internet zu ihren Gebrechen und Beschwerden kundig gemacht haben, wie eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt. Sie ahnen, dass ihr Doktor die online-Konkurrenz nicht sonderlich schätzt und unter Umständen gar als Beleidigung seiner medizinischen Autorität versteht. Lass ihn nur reden, mögen sich manche Patienten denken und verschweigen ihre Netzsuche - um anschließend nachzulesen, was das Chatforum der Selbsthilfegruppe zu den Vorschlägen des Arztes meint.

Es gibt durchaus Internetseiten mit seriösen und unabhängigen Gesundheitsinformationen

Die Ärzte verpassen hier eine riesige Chance, Vertrauen zurückzugewinnen, denn nur 20 Prozent von ihnen geben konkrete Tipps, wo sich Patienten im Internet mit seriösen Informationen versorgen können, so ein weiteres Ergebnis der aktuellen Studie. Dabei gibt es durchaus Seiten mit fundierten medizinischen Erklärungen, die unabhängig und seriös sind. Man muss sie nur kennen und bekannt machen. Die Plattform gesundheitsinformation.de vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), die Seiten des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin (ebm-netzwerk.de) wie auch jene der Cochrane Collaboration (cochrane.de) und des Igel-Monitors (igel-monitor.de) bieten umfassende Aufklärung ohne kommerzielle Interessen.

Das Verhältnis von Ärzten und Patienten war schon mal besser. Um Misstrauen abzubauen und das medizinische Vorgehen transparenter und nachvollziehbarer zu machen, sollten Ärzte den Kranken dabei helfen, ihren Wissensdurst zu stillen und sie dabei unterstützen, zu aufgeklärten Patienten und gleichberechtigten Partnern zu werden. Gesundheit im Netz muss keine Bedrohung sein, sondern nützliche Quellen und Hinweise zur besseren Orientierung können die ärztliche Tätigkeit wunderbar ergänzen. Wenn das gelingt, macht Dr. Google keineswegs krank, sondern hilft als stummer Kollege dabei, gesund zu werden.

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