Tatort aus Dresden:Vor der Tat schaut niemand hin, nach der Tat schauen alle

Tatort: Déjà-vu; Tatort MDR Dresden Déjà-Vu

Weil das Publikum mehr weiß als die Ermittler, kann es sich auf die Figuren konzentrieren.

(Foto: MDR/Wiedemann & Berg/Daniela Inc)

"Déjà-vu" mit den Kommissarinnen Sieland und Gorniak ist ernsthafter angelegt als die vorherigen "Tatorte" aus Dresden. Aber der Fall funktoniert besser.

Von Holger Gertz

In diesem Tatort arbeiten sie bewusst mit Gegensätzen. Einerseits ist es brütend heiß, der Schweiß läuft den Leuten über die Gesichter, sie sehen glasiert aus. Andererseits versucht Kommissarin Sieland (Alwara Höfels) so zu tun, als wäre alles bestens. "Die Sonne lacht, ich bin gut drauf", sagt sie. "Alles super" sagt sie sogar nach einem Kotzanfall. Überhaupt gehört es ja zu den Eigentümlichkeiten der Gegenwart, ständig "alles gut" zu antworten, wenn man gefragt wird, wie es denn so ist. Aber das ist dann natürlich auch nur so dahingeredet.

In Wahrheit quietscht die Welt in allen Scharnieren, auch in Dresden, wo sie einen Kindermörder suchen. Ein hartes Thema, und der nächste Gegensatz: Bisher waren die Episoden mit den Ermittlerinnen Sieland und Gorniak (Karin Hanczewski) doppelbödig unterhaltsam angelegt, aber Humor und Wortwitz hatten sich mehr und mehr verloren. Autor Ralf Husmann hat die Zusammenarbeit mit dem MDR inzwischen beendet, Alwara Höfels wird auch aufhören, die Folge "Déjà-vu" ist jetzt konventioneller, ernsthafter als ihre Vorgänger.

Und tatsächlich funktioniert sie besser. Regisseur Dustin Loose (Buch: Mark Monheim und Stephan Wagner) erzählt eine klar strukturierte "Es geschah am hellichten Tag"-Geschichte. Und weil das Publikum mehr weiß als die Ermittler, kann es sich auf die Psychologien der Figuren konzentrieren: Wie die Umgebung des Täters vor der Tat mal wieder nicht hinschaut. Wie nach der Tat dafür mal wieder alle hinschauen - belastbare Hinweise aus der Bevölkerung gibt es aber nicht. "Nur Schwachsinn und besorgte Bürger", sagt ein Polizist.

Die Verstörtheit der Kommissarinnen wirkt bisweilen etwas dick aufgetragen. Dafür ist die Verzweiflung der Eltern wahrhaftig spürbar, und der Druck, der sich dadurch für die Ermittler ergibt. Dieses emotionale Geflecht erinnert an große Folgen wie "Der tiefe Schlaf" vom BR. Irgendwann bricht aus dem herrlichen Kommissariats-Chef Schnabel (Martin Brambach) die Frage hervor: "Kann denn nicht mal was Schönes passieren?" Nein, manchmal passiert nichts Schönes mehr.

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

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