Studie:Wie E-Zigaretten den Tabakkonzernen helfen

E-Zigarette

Viele Tabakkonzerne bieten ihre eigenen E-Zigaretten an. Das Gerät hilft ihnen, ihr schäbiges Image aufzuhübschen.

(Foto: Thalia Engel/dpa)
  • Es gibt kaum Hinweise, dass E-Zigaretten Rauchern helfen aufzuhören. Das bilanzieren Forscher, nachdem sie über 800 Studien analysiert haben.
  • Umgekehrt gelangten Jugendliche und junge Erwachsene oftmals durch die E-Zigarette zum Rauchen.
  • Das Gerät hilft den Tabakkonzernen, ihr schäbiges Image aufzuhübschen. Besonders der europäische Markt gilt als interessant.

Von Astrid Viciano

Es sollte der Anfang vom Ende sein. Statt Zigaretten zu rauchen, würden Menschen künftig aufs Dampfen umsteigen, hieß es vor ein paar Jahren. Die E-Zigarette sollte Menschen von ihrem gefährlichen Laster befreien, ihr Risiko vermindern, an Lungenkrebs zu erkranken und sich vorzeitig aus dem Leben zu verabschieden. Was für eine Chance! Mächtig groß war die Freude, mächtig laut auch der Streit um die Vorteile oder Gefahren der Dampfgeräte.

Nun endlich könnte Ruhe einkehren. Vor einigen Tagen haben die National Academies of Sciences, Engineering and Medicine in den USA die bislang größte Analyse zu E-Zigaretten vorgelegt. Im Auftrag der Arzneimittelbehörde FDA hatten sich die Experten mehr als 800 Studien angesehen, Arbeiten zu den Gesundheitsrisiken, Experimente zu den Inhaltsstoffen des Dampfes. Vor allem ging es um zwei Streitfragen, die seit Jahren die Fachwelt entzweien und bisweilen selbst abgeklärte Forscher zu Wutausbrüchen verleiten: Erstens, ob E-Zigaretten junge Menschen zum Rauchen herkömmlicher Kippen verleiten. Und zweitens, ob Raucher mithilfe des E-Dampfs von ihrem Laster abkommen.

Die Frage ist: Nutzen Raucher die E-Zigarette wirklich für den Ausstieg?

Allein in Europa sterben jedes Jahr 700 000 Menschen als Folge ihres Zigarettenkonsums - das entspricht in etwa der Einwohnerzahl von Frankfurt am Main. Endlich könne man die Anzahl der Todesfälle drastisch verringern, sagen Experten wie der Gesundheitswissenschaftler Jean-François Etter von der Universität Genf seit Jahren. Schließlich enthält die herkömmliche Kippe 4000 verschiedene Chemikalien, von denen rund 50 krebserregend sind.

Die E-Zigarette stellt im Vergleich dazu eine weniger schädliche Alternative dar, das bestreitet kaum noch jemand. Die Frage ist nur: Nutzen Raucher sie wirklich für den Ausstieg? Die Evidenz dafür sei "begrenzt", schreibt die Kommission um David Eaton von der University of Washington in Seattle. Sogar "ungenügend" sei bewiesen, dass E-Zigaretten ebenso effektiv beim Rauchstopp helfen wie die dafür zugelassenen Pflaster, Kaugummis oder Pillen. Gleichzeitig fanden die Experten "beträchtliche" Evidenz dafür, dass Jugendliche und junge Erwachsene durch die E-Zigaretten zum Rauchen verleitet werden können. Auch gebe es Hinweise darauf, dass junge Raucher, wenn sie anfangen zu dampfen, auch häufiger zur herkömmlichen Kippe greifen.

E-Zigaretten helfen den Tabakkonzernen, ihr schäbiges Image aufzuhübschen

Zumindest nachdenklich machen sollten die Schlussfolgerungen des US-amerikanischen Gremiums. Ist es doch die Tabakindustrie, die seit ein paar Jahren massiv in den E-Zigaretten-Markt drängt. Manche von ihnen haben sich andere Unternehmen einverleibt, andere ihre eigenen E-Produkte entwickelt. Besonders der europäische Markt gilt als interessant - hier leben mehr als dreimal so viele Raucher wie in den USA. Potenzielle Kunden für die E-Dampfe, wie das elektronische Gerät auch bezeichnet wird.

Gleichzeitig hilft das Gerät den Tabakkonzernen, ihr schäbiges Image aufzuhübschen. Jahrzehntelang hatten die Firmen verleugnet, dass Rauchen zu Krebs führen kann. Stattdessen bieten sie nun weniger schädliche Alternativen für ihre Kunden an. Das bestreitet auch der aktuelle Bericht keineswegs, im Gegenteil: Als "schlüssig bewiesen" schreiben die Experten, dass E-Dampfer sich weniger toxischen und potenziell krebserregenden Substanzen aussetzen als Raucher. Was aber bedeutet es, wenn E-Dampfen junge Menschen tatsächlich zum Rauchen verleitet? Und nur wenigen Rauchern beim Ausstieg hilft? Festzuhalten bleibt: Das Kerngeschäft der Tabakkonzerne ist immer noch der Verkauf herkömmlicher Zigaretten.

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