Bühne:Vergebliches Austernschlürfen

Theater Bella Figura Bürgersaal Garching

Eine "Bella Figura" wollen Françoise, Eric, Yvonne, Andrea und Boris abgeben (von links: Susanne Steidle, Christopher Krieg, Doris Kunstmann, Julia Hansen und Heio von Stetten). Doch hinter der gutbürgerlichen Fassade kriselt es gewaltig in der Beziehungskomödie der französischen Autorin Yasmina Reza.

(Foto: Florian Peljak)

Beim Versuch, "Bella Figura" zu machen, scheitern die Figuren in Yasmina Rezas Stück

Von Franziska Gerlach, Garching

Es geht ja schon mit der Wahl des Restaurants los. Ausgerechnet seine Frau hat Boris (Heio von Stetten) um eine Empfehlung für ein romantisches Dinner mit seiner Geliebten Andrea (Julia Hansen) gebeten, was diese natürlich überhaupt nicht lustig findet. Mon dieu, ausgerechnet seine Frau, als ob es nach vier Jahren Affäre nicht schon schlecht genug liefe. Der Gekränkten bleibt da nur die Flucht in den Sarkasmus: "Ich komme ja um vor Glück", ruft sie ins Publikum.

Dass es um die beiden allerdings jemals besser stand, das konnte sich am Donnerstagabend wohl kaum ein Zuschauer vorstellen im Saal des wiedereröffneten Garchinger Bürgerhauses. Sich in "Bella Figura", der prominent besetzten Beziehungskomödie der französischen Autorin Yasmina Reza unter der Regie von Thomas Goritzki, zurechtzufinden, das war nun wirklich keine Kunst. Denn dass da ganz gehörig etwas im Argen liegt, das verstand man schon im ersten von insgesamt sechs Bildern, wenn sich Andrea in ihrem Minikleid eher unmotiviert auf der Motorhaube eines feuerroten Sportwagens rekelt. Dem Zuschauer offenbart sich ein zwischenmenschliches Konstrukt, das den Namen Beziehung eigentlich nicht mehr verdient, denn jedweder Respekt ist daraus gewichen. Als Boris beim Ausparken auf dem Parkplatz des Restaurants auch noch Yvonne (herrlich: Doris Kunstmann) umfährt, Mutter von Eric und zukünftige Schwiegermutter von Françoise, dummerweise zudem eine alte Schulfreundin von Boris' Frau, sind auf der Bühne im Bürgerhaus alle Charaktere versammelt, die es für eine gesellschaftliche Fallstudie im Stil von Reza braucht. Die Französin kennt man unter anderem für das Theaterstück "Der Gott des Gemetzels", das Roman Polanski als Vorlage für eine schwarze Filmkomödie diente, bei der sich Eltern prügelnder Kinder gegenüber stehen.

Aus den mehr oder weniger großen Sorgen frustrierter Mittvierziger, wenn sich Korrekturen im Lebenslauf nicht mehr ganz so einfach vollziehen lassen wie in jüngeren Jahren, zimmert Reza auch in "Bella Figura" den Rahmen, innerhalb dessen sich ein nuancenreicher Konflikt zwischen Mann und Frau, in gewisser Weise aber auch zwischen den Generationen, in scharfzüngigen Dialogen und auf kleinem Raum entspinnt. Denn es versucht zwar jeder der Protagonisten nach seiner Fasson, die titelgebende bella figura abzugeben, das perfekte Erscheinungsbild also - Andrea zum Beispiel, in dem sie sich für ihren Geliebten sexy kleidet.

Doch perfekt ist auf der Bühne in Garching natürlich gar nichts, und als es der Klimax entgegen geht, streitet praktisch jede mit jedem: Boris' Firma ist insolvent, Yvonne sorgt sich um die Zusammenstellung ihrer täglichen Medikamentendosis. Und am Part der Andrea, in ihrer Naivität von Hansen glaubwürdig gespielt, nun ja, an Andrea zeigt sich wohl am deutlichsten, wie sehr der Mensch Anerkennung benötigt. Doch dieser Hunger wird nicht gestillt, überzogene Erwartungen vergiften die Stimmung und vereiteln eine vernünftige Kommunikation, und alsbald zeigt die Fassade des guten Benehmens tiefe Risse, da hilft auch alles Austern schlürfen nichts. Türen werden geknallt, es wird geschrien und beleidigt, und ohne ein wenig Fäkalsprache geht es ebenfalls nicht.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass in diesem Durcheinander gerade das vermeintlich schwächste Mitglied der Gruppe, die vom Auto angefahrene und leicht verwirrte Yvonne, trotz ihres fortwährenden Lamentos über dieses oder jenes ("Ich habe nichts gegen Dramen. Sie amüsieren mich.") am Ende die beste Figur von allen macht. Das mag der Weisheit des Alters geschuldet sein, liegt aber sicher auch an der starken Bühnenpräsenz der bekannten Theater- und Fernsehschauspielerin Doris Kunstmann, die die Rolle der Yvonne mit Kuhwärme, feinem Humor und einer der sonorsten Frauenstimmen Deutschlands ausstattete.

Vielleicht hätte es dem Stück jedoch gut getan, den Figuren etwas mehr Raum für die Ausgestaltung ihrer inneren Konflikte einzuräumen, weniger Klischees und mehr Persönlichkeit, quasi. Eben jenen Sinn fürs Tragischkomische, für den wir die Franzosen schätzen. Denn, ja: Die Inszenierung erfüllte alle Erwartungen, die man an ein Unterhaltungsstück haben kann: Es hielt die Leute bei Laune, es brachte sie zum Lachen. Aber eben nicht unbedingt zum Nachdenken. "War ganz nett", sagt eine Zuschauerin zu ihrer Begleitung, als sie aus dem Bürgerhaus in die Garchinger Nacht trat. "Man hat's aber auch schnell wieder vergessen."

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