Stadtratsentscheidung:Im Namen der Toleranz

Lesezeit: 2 min

Die städtische Berufsoberschule für Wirtschaft soll künftig Nelson-Mandela-BOS heißen - der Weg zur Umbenennung war nicht einfach

Von Melanie Staudinger, München

Schulleiter Karl Henghuber (Mitte) hatte die Idee für den neuen Namen seiner Berufsoberschule. (Foto: Florian Peljak)

An der städtischen Berufsoberschule für Wirtschaft im Norden Münchens bereiten sich Jugendliche und junge Erwachsene mit 39 verschiedenen Muttersprachen zusammen auf ihr Abitur vor. Fast die Hälfte von ihnen spricht zu Hause nicht deutsch. Seit Jahren schon sammeln die Schüler Pfandflaschen und spenden das Geld für Trinkwasserbrunnen und Schulküchen in Togo. Einige helfen ehrenamtlich Flüchtlingen, die in der Unterkunft auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne leben. Nun will die Schule mit einem neuen Namen ein weiteres Zeichen gegen Unterdrückung und für Toleranz setzen: Sie wird sich nach dem südafrikanischen Anti-Apartheids-Kämpfer und Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela benennen.

Ein schwarzer Politiker als Namensgeber einer Schule, das ist in München neu. "Das haben wir bewusst so entschieden", sagt Schulleiter Karl Henghuber. Schüler und Lehrer wollten einen Namen, der für eine bunte Gesellschaft steht. Ein steigender Anteil der Schüler habe einen Migrationshintergrund, das soll sich auch im offiziellen Schulnamen widerspiegeln. Doch der Weg dahin war mühsam - die Namensänderung gelang letztlich nur mit Hilfe des südafrikanischen Konsulats. Entscheidend für das Engagement der Schüler war vor allem das Jahr 2013: Damals lag die BOS noch an der Heidemannstraße, direkt am Gelände der Bayernkaserne. Als dort mehr und mehr Flüchtlinge einzogen, nahmen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung ihr Abitur machen, Kontakt zu ihnen auf. "Viele bei uns wissen, wie es sich in einem neuen Land anfühlt", sagt Henghuber. Die Schüler wollten helfen: Lange bevor München Flüchtlinge am Hauptbahnhof willkommen hieß, sammelte die BOS Kleidung, Schüler gaben Sprachunterricht und wurden dafür sogar vom Landtag geehrt, andere verteilten in Freimann Flyer, um für die Akzeptanz von Flüchtlingen zu werben. Die Schülerzeitung Boscop berichtete über das Engagement und wurde zu Deutschlands bester Schülerzeitung gewählt.

"Als ich Anfang 2014 erfuhr, dass die Stadt Nelson Mandela posthum ehren wollte, dachte ich mir sofort, dass das zu uns passen würde", sagt Henghuber. Er startete eine Werbetour, Filme wurden geschaut, Diskussionen abgehalten, Vorträge gehört und Projekte gemacht. In einer anonymen Wahl entschieden sich Schüler und Lehrer schließlich für die Umbenennung. Doch damit begannen die Probleme eigentlich erst. Denn wer "Nelson Mandela" im Namen tragen will, muss sich das von der Nelson-Mandela-Foundation genehmigen lassen. Die ist recht rigoros und lässt sich von Interessenten einen sehr strikten Vertrag unterzeichnen, den "Code of Conduct". Den aber wollte die Rechtsabteilung des Bildungsreferats zunächst nicht unterschreiben, zu viele Unwägbarkeiten stünden dort. "Wir haben dann Kontakt zu den vier anderen Nelson-Mandela-Schulen in Deutschland aufgenommen", erzählt der Direktor. Doch die hatten diese Probleme nicht, drei von ihnen hatten die Namensfrage noch mit Nelson Mandela selbst geklärt, eine hat keine Genehmigung. Mit Hilfe des südafrikanischen Konsulats gelang ein Kompromiss. Im Mai 2017 sprach sich der Ältestenrat der Stadt für die Umbenennung aus, im November 2017 unterschrieb Stadtschulrätin Beatrix Zurek (SPD) den "Code of Conduct" mit einigen Ergänzungen der städtischen Rechtsabteilung.

In der Zwischenzeit ist die Schule ins berufliche Schulzentrum an der Schleißheimer Straße umgezogen. Nachbar ist nicht mehr die Flüchtlingsunterkunft, sondern das Einkaufszentrum Mira. Aktiv sind die Schüler trotzdem geblieben. Sie zeigten in der Ausstellung "Homestory Deutschland" die Biografien von 37 Menschen mit dunkler Hautfarbe, die in Deutschland leben. Sie erarbeiteten mit dem NS-Dokuzentrum einen Audioguide zum "Widerstand im Nationalsozialismus", die Schule wurde als "Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage" ausgezeichnet. Nun wird sie Nelson-Mandela-BOS heißen. Die Zustimmung des Stadtrats am Mittwoch gilt als sicher. Dann könne die Schule auch nach außen zeigen, wie bunt sie sei, sagt Henghuber.

© SZ vom 29.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: