Kommentar:Handel trotz Trump

Auf den zunehmenden Protektionismus der USA und deren Absage an einen freien Welthandel kann Europa nur auf eine Art reagieren: viele Handelsverträge schließen.

Von Alexander Hagelüken

Europa kann zur Zeit gar nicht genug betonen, mit wem es den nächsten Handelsvertrag machen will. Nach der Einigung mit Japan vor Weihnachten steht ein Deal mit Brasilien und anderen Mercosur-Staaten Südamerikas bevor. Aber ist das überhaupt die richtige Strategie? Kritiker wenden ein, Handel diene nur Konzernen. Und dafür opfere Europa seinen Umwelt- und Verbraucherschutz.

Wer alles genau analysiert, erkennt allerdings: Um den Export zu retten, Basis gerade des deutschen Wohlstands, muss Europa geradezu mit neuen Abkommen in die Offensive gehen. Und das ist auch völlig in Ordnung, solange die Interessen der Bürger berücksichtigt werden.

Der internationale Warenaustausch zerfällt in zwei Zeitrechnungen: vT und sT. Vor Donald Trump waren sich die Wirtschaftsmächte des Westens jahrzehntelang einig, dass ihr Wohl im Freihandel liege. Der Aufschwung, den sie seit dem Zweiten Weltkrieg erleben, gab ihnen recht. So ein Boom blieb zwischen den Weltkriegen aus, als sich die Staaten abschotteten. Handel nützt eben nicht nur Konzernen. Millionen gut bezahlte Jobs in Deutschland in Exportbranchen von Auto bis Maschinenbau legen davon Zeugnis ab.

In der neuen Zeitrechnung seit Trump steht das auf dem Spiel. Gerade beschlossen die USA Strafzölle auf Waschmaschinen auch aus Deutschland. Und zwar nicht, weil sie ausländischen Firmen Dumpingpreise vorwerfen, wogegen sie nach den Welthandelsregeln vorgehen dürfen. Sondern wegen der Schwäche der eigenen Industrie. Eine Aktion, die dem freien Handel widerspricht. Am Wochenende fantasierte Trump dann, die USA dürften ihre Produkte nicht in Europa absetzen - und stieß dabei Drohungen aus.

Der Rückzug der USA reißt eine Lücke - in die China vorstößt

Trumps Protektionismus schadet Europa nicht nur direkt. Sein Abschied vom Pazifikabkommen TPP mit zahlreichen asiatischen Ländern reißt eine Lücke, in die China vorstößt. Gelingt es dieser großen Macht, andere asiatische Staaten in einen Handelsverbund gemäß ihren Vorstellungen zu drängen, wird das zum Nachteil Europas sein. Seine Firmen könnten auf einmal in ganz Asien vor ähnlich gebauten Hürden stehen.

Auf beide Herausforderungen - Trump und China - kann Europa nur auf eine Art reagieren. Indem es eben einen Handelsvertrag nach dem anderen abschließt, heute mit Mercosur, morgen mit Mexiko, übermorgen mit Asien. Damit eröffnet es seinen Firmen neue Märkte, während alte wie die USA wackeln. Und es funkt ein politisches Signal an den ganzen Erdball: Freihandel bleibt die Basis der Weltwirtschaft, egal was diese Figur im Weißen Haus twittert. Ein solches Signal kann das Verhalten der Schwellenländer durchaus beeinflussen. Ihre Regierungen überlegen immer wieder, dem Wunsch heimischer Wähler und Firmen nach Abschottung nachzugeben.

Als Pionier des Freihandels kann Europa ein Gegengewicht zu China aufbauen. Asiens dominante Macht verkauft sich ebenfalls als Held des freien Warenaustauschs, praktiziert aber nur eine unfreie Spielart davon. Chinas Firmen sollen überall grenzenlos Geschäfte machen und Firmen kaufen. Ausländische Unternehmen dürfen dies in China aber nur eingeschränkt. Je enger Europa sein Netz von fairen Handelsverträgen spannt, desto stärker wird es für andere Nationen zur Alternative zum Fakepionier China.

Bei aller Aktivität sollte die EU allerdings darauf achten, nicht zu Hause die Unterstützung zu verlieren. Als das Ceta-Abkommen mit Kanada beinahe scheiterte, stand Europa kurz davor, sich weltweit lächerlich zu machen. Im aktuellen Pakt mit Brasilien und Co. provoziert es Kritik, weil es Agrarbetriebe in Südamerika nicht selbst inspizieren will, obwohl es dort zu Fleischskandalen kommt. Sollte fragwürdige Ware in europäischen Läden landen, entbrennt die nächste Grundsatzdebatte.

Dieser Fehler taugt aber nicht als generelles Argument gegen Handelsabkommen. Ja, Europa unterzieht seine Importkontrollen einem Belastungstest. Es muss künftige Verträge im Detail besser verhandeln. Angehen sollte die EU die Abkommen aber unbedingt. Derzeit wird nicht weniger als die Zukunft des Welthandels verhandelt. In der Zeitrechnung seit Trump erscheint es ungewiss, wohin die globale Wirtschaft steuert.

Die nächste große Entscheidung darüber steht an, sobald die US-Zölle gegen Waschmaschinen vor der Welthandelsorganisation landen. Ignoriert Trump das Votum - und damit 70 Jahre Konsens über die Regeln freien Handels? Schon allein für diesen Fall sollte Europa als Macht dastehen, die mit einem neuen Vertrag nach dem anderen den Konsens verteidigt.

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