Umweltpolitik:Dicke Luft in Dachau

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Schadstoffmessungen haben ergeben, dass viele Stellen im Stadtgebiet mit Stickoxid hoch belastet sind. Umweltschützer fordern die Kommunalpolitik auf, den innerörtlichen Verkehr zu reduzieren

Von Benjamin Emonts, Dachau

Stickoxide gelten als krebserregend und können Herz-Kreislauf-Erkrankungen hervorrufen. Aktuellen Stickoxidmessungen in Dachau zufolge könnte die Gesundheit der Stadtbewohner somit in Gefahr sein. In der viel befahrenen Mittermayerstraße und an der Kreuzung der Brucker Straße mit der Ludwig-Dill-Straße wurde der für die Gesundheit als kritisch erachtete Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter deutlich überschritten. Ein Bündnis aus Bund Naturschutz (BN), Verkehrsclub Deutschland (VC), Allgemeinem Fahrradclub Deutschland (ADFC), Bündnis für Dachau und Bündnis 90/die Grünen, das die Messungen eigenständig durchgeführt hat, fordert von der Stadt Dachau deshalb eine deutliche Reaktion, um die Schadstoffbelastung in den Griff zu bekommen.

Dringender Handlungsbedarf

"Es besteht dringender Handlungsbedarf", betont der Vorsitzende der BN-Kreisgruppe, Roderich Zauscher. Das Thema Stickoxid ist aktueller denn je. In der Landeshauptstadt München werden seit Jahren hohe Stickoxidwerte gemessen. Das Verwaltungsgericht München hat der bayerischen Staatsregierung am Montag nun eine deutliche Ohrfeige verpasst. Der aktuelle Luftreinhalteplan der Stadt sei eine "halbe Larifari-Seite" und "allgemeines Blabla", mahnte Richterin Martina Scherl. Bis Ende Mai muss der Freistaat nun ein tragfähiges Konzept zur Schadstoffreduzierung vorlegen, womöglich inklusive eines Fahrverbots für Dieselfahrzeuge. Im Jahr 2016 war der Stickstoffdioxid-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter in München an mindestens 13 Stellen überschritten worden, mitunter besonders krass in der Landsberger Straße (80 Mikrogramm) oder am Stachus (56).

Abgasmessungen
:Die Politiker sind in der Pflicht

Dachau muss auf die Belastung mit Stickoxid reagieren - der Gesundheit der Bürger und der Umwelt zuliebe

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Messwerte in Mittermayerstraße auf Niveau der Verdistraße

Auch in Dachau ist die Stickoxidbelastung offensichtlich ein Problem. Die Messwerte des Bündnisses in der Mittermayerstraße und der Brucker Straße liegen auf dem Niveau der Verdi- und Brudermühlstraße in München. Der offizielle Jahresgrenzwert in der Europäischen Union "zum Schutz der menschlichen Gesundheit" von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter wurde an beiden Punkten deutlich überschritten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO und das Bundesumweltamt empfehlen indes einen Jahresmittelwert von 20 Mikrogramm pro Kubikmeter. An sämtlichen 15 Messstellen in Dachau lag der Wert über dieser Empfehlung. Der bereits für Vegetation und Ökosystem als kritische erachtete Grenzwert von 30 Mikrogramm wurde an elf Punkten erreicht oder erheblich überschritten. Folglich kommt das Bündnis zu dem Schluss: "Die Stickoxidbelastung im gesamten Stadtgebiet Dachau ist erschreckend hoch."

Das Bündnis fordert deshalb die Stadt Dachau auf, beim zuständigen Landesamt für Umweltschutz, kurz LfU, flächendeckende und verbindliche Jahresmessungen der Stickoxidwerte im Stadtgebiet einzufordern, um die reale Gefahr einschätzen zu können. Die Stadt soll bereits jetzt einen zukunftsfähigen Aktionsplan zur Luftreinhaltung erarbeiten. Das Bündnis ist überzeugt, dass die hohe Stickoxidbelastung dem starken Verkehrsaufkommen im Stadtgebiet geschuldet ist. Es sieht die Kommunalpolitik in der Pflicht, den innerörtlichen motorisierten Verkehr zu reduzieren. Als unumgängliche Maßnahmen nennt das Bündnis Verbesserungen im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), eine deutlich ausgebaute Infrastruktur für Radfahrer- und Fußgänger und eine Abkehr von der geplanten Nord-Ost-Umfahrung Dachaus. Durch sie, darin sind sich alle Bündnispartner einig, würde der Verkehr eher zu- als abnehmen. Die geschätzten Kosten von 30 Millionen Euro, so fordert das Bündnis, sollten lieber in Fahrradspuren und den ÖPNV investiert werden. Zudem wollen die Bündnispartner weiterhin für ein großes Landschaftsschutzgebiet zwischen Dachau und Karlsfeld kämpfen. Für den Frischluftaustausch sei es dringend erforderlich.

"Es hat sich in den konservativen Kreisen immer noch kein fundamentaler ökologischer Wandel durchgesetzt", sagt Bernhard Sturm vom VCD. Dabei sei die Stickoxidbelastung alles andere als eine "ab-strakte Gefahr", so der Grünen-Kreisrat Roderich Zauscher. Tatsächlich gehen Europäische Umweltbehörden von jährlich rund 10 600 vorzeitigen Todesfällen aufgrund von Stickoxid-Belastung allein in Deutschland aus. Auf die Landeshauptstadt München heruntergebrochen dürfte es sich dort um einige Hundert Todesopfer handeln. "Ein Teil davon", vermutet Naturschützer Zauscher, "könnte aus Dachau und Karlsfeld stammen."

© SZ vom 31.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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