Hans Modrow im Gespräch:"Ich tauge nicht zum Märtyrer"

Hans Modrow

Hans Modrow (Archiv): Die Linke hat kaum überzeugende Antworten auf die Fragen unserer Zeit

(Foto: dpa)

Ein Gespräch mit dem letzten DDR-Ministerpräsident der SED über Feindbilder, warum die AfD in Sachsen so stark ist, was die Linke falsch macht - und wo die sozialistische Flamme für ihn noch lodert.

Von Lars Langenau

Vergangene Woche ist Hans Modrow 90 Jahre alt geworden. Zum Interview im Rahmen der Reihe "Reden wir über Geld" empfängt er in seinem kleinen, schlichten Büro im 5. Stock des Karl-Liebknecht-Hauses in Berlin. In den Regalen stehen die gesammelten Marx-Engels-Werke fein säuberlich in den berühmten blauen Einschlägen. Bis zu vier Tage in der Woche besucht er die Parteizentrale der "Linken". Noch immer ist er im Ältestenrat seiner Partei, die nach der Wende aus der SED hervorgegangen ist.

Während des Gespräches klingelt sein Telefon, er geht mit seiner dünnen, brüchigen, heiseren Stimme ran. Und entschuldigt sich danach umgehend: "Ich hatte die Pflicht ranzugehen." Pflicht ist wohl das wichtigste Wort für den ehemaligen DDR-Ministerpräsidenten, in dessen kurzer Amtszeit vom 13. November bis zum 12. April 1990 der Mauerfall fiel und der lange Erster Sekretär der SED-Bezirksleitung in Dresden war.

In dieser Zeit erlangte er auch Prominenz, weil er bescheiden auf seine Dienstvilla verzichtete und in einer einfachen Wohnung lebte. Modrow antwortet leise und nachdenklich. Bisweilen aber wird er zum fidelen Granden, der beharrlich und bestimmt auf seine Rechte pocht: Seine Rente etwa nennt er "Straf-Rente", weil er zu "DDR-nah" gewesen sei. "Als Ministerpräsident eines Landes und als Volkkammerabgeordneter kann ich das nicht von der Hand weisen. Aber deshalb soll ich nur 60 Prozent der Rente bekommen, die mir eigentlich zustünde? Das ist für mich Unrecht."

Geld an sich empfinde er als "nicht mein Thema", da seine Familie niemals viel davon gehabt habe und er sich daraus auch bis heute nicht viel mache. Gleichwohl wollte er die deutsche Währungsunion im Sommer 1990 am liebsten verhindern: "Ich wollte, dass die DDR souverän in die deutsche Einheit zieht. Mit der Einführung der D-Mark in der DDR erledigte sich die Souveränität von einen Tag auf den anderen."

"Weder Paradies noch Hölle"

Ein paar Jahre war Modrow auch im Zentralkomitee der SED für Agitation zuständig. Dass er agitatorisch geschult ist, merkt man, wenn er das Wort "Unrechtssystem" für die DDR vehement zurückweist: "Die DDR war weder Paradies noch Hölle, es war ein normaler Staat mit einem Rechtssystem. Das unterschied sich zwar von dem der Bundesrepublik, aber Sie werden doch nicht behaupten wollen, dass hier alles gerecht zugeht?"

Aber auch mit seiner eigenen Partei, der Linken, geht er nicht zimperlich um: "Sie hat kaum überzeugende Antworten auf die Fragen unserer Zeit." Die Linke vernachlässige "die Analyse der Verhältnisse". Außerdem trete die Partei zu uneinheitlich auf: "Eskalieren ist in der Politik kein Kunststück. Deeskalation hingegen schon."

Heute sieht Modrow die sozialistische Flamme vor allem noch in Kuba lodern. Mit Begeisterung blickt er allerdings auch nach China: "Xi Jinping baut Armut ab, will bis 2025 für sein Volk mittleren Reichtum erlangt haben und verspricht glückliche Menschen. Ob das nun Sozialismus heißt oder nicht ist doch unerheblich."

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