Zwangsehen in Saudi-Arabien:Wo Kinder heiraten müssen

Die Braut ist acht Jahre und geht in die Grundschule, der Bräutigam ist 48: In Saudi-Arabien hat nun ein Gericht entschieden, dass diese Ehe rechtskräftig ist - selbst gegen den Willen der Mutter.

Karin El Minawi

Ein Richter in der saudi-arabischen Stadt Oneysa hat am Samstag sein im Dezember ausgesprochenes Urteil bestätigt: Die Ehe eines achtjährigen Mädchens ist rechtskräftig.

Zwangsehen in Saudi Arabien: Wo Kinder heiraten müssen, AP

Männer suchen in Saudi Arabien ein Kleid für ein Brautkleid aus. Immer wieder sorgt das Land für Schlagzeilen mit Fällen, in denen Kinder zur Ehe gezwungen werden.

(Foto: Foto: AP)

Die Minderjährige war im vergangenen Jahr von ihrem Vater mit einem 40 Jahre älteren Saudi-Araber verheiratet worden, ohne dass ihre Mutter darüber Bescheid wusste. Diese ging deswegen vor Gericht: Sie forderte die sofortige Scheidung ihrer Tochter.

Der Richter will der Trennung jedoch erst zustimmen, wenn das Mädchen in die Pubertät gekommen ist und sich selbst dazu entschließt, die Scheidung zu beantragen. Die minderjährige Ehefrau weiß bis heute nicht, dass sie verheiratet ist: Ihre Eltern haben es ihr noch nicht gesagt.

In Saudi-Arabien sind Zwangsehen von Kindern keine Seltenheit. Erst Anfang des Jahres hat sich der Großmufti des Landes öffentlich gegen die Einführung eines Mindestalters für die Eheschließung ausgesprochen. Seiner Meinung nach sind Mädchen im Alter von gerade mal zehn und zwölf Jahren durchaus heiratsfähig.

Der vorliegende Fall aber ist selbst für Saudi-Arabien ein besonderer. Das Mädchen aus Oneysa, einer Stadt 220 Kilometer nördlich der Hauptstadt Riad, ist erst acht Jahre alt, ihr Ehemann 48 Jahre. Seit die Eltern des Kindes sich getrennt haben, lebt es bei der Mutter.

Die Hochzeit, ein Handel

Der Vater hatte es verheiratet, weil er in finanzielle Schwierigkeiten steckte - er schuldete seinem jetzigen Schwiegersohn Geld. Der zeigte sich bereit, dem Mann einen Teil der Schulden zu erlassen, wenn er als Gegenleistung das Grundschulkind heiraten dürfe. Bei den Schulden geht es um umgerechnet 5400 Euro. Der Vater willigte in das Geschäft ein. Als einzige Bedingung stellte er, dass die Ehe erst in zehn Jahren vollzogen wird, wenn seine Tochter volljährig ist.

Die Mutter wurde bei diesem Handel nicht eingeweiht. Als sie von der Eheschließung erfuhr, ging sie im August vor Gericht und forderte die Scheidung ihrer Tochter. Der Richter lehnte ab. Er schlug vor, dass die Mutter und der Schwiegersohn gemeinsam eine Kompromisslösung finden sollten und gab ihnen dafür 100 Tage Zeit.

Zu einer Entscheidung kam es nicht: Der Ehemann weigerte sich, in die Scheidung einzuwilligen und verlangte sogar, dass seine achtjährige Ehefrau zu ihm gebracht werde. Die Mutter blieb hart, legte Berufung ein.

Noch im März durfte sie hoffen, recht zu bekommen: Das Urteil wurde von einem Berufungsgericht nicht bestätigt. Der erste Richter sollte erneut über den Fall entscheiden. Er konnte sein im Dezember ausgesprochenes Urteil entweder bestätigen oder ändern. Am Samstag bestätigte er es: Das Mädchen wird von ihrem Ehemann damit vorerst nicht geschieden.

Immer häufiger finden bizarre Fälle wie dieser in internationalen Medien Beachtung. Bekannt ist allerdings nicht, ob die Anzahl der Ehen von Minderjährigen in Saudi- Arabien, das nach islamischen Gesetz regiert wird, tatsächlich angestiegen ist, oder ob die Öffentlichkeit das Thema lediglich aufmerksamer verfolgt: Offizielle Statistiken über Ehen mit Minderjährigen in Saudi-Arabien gibt es bisher noch keine.

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