3000 Jahre alt:Der Schatz vom Starnberger See

Der keltische Einbaum, der 1986 vor der Roseninsel gefunden wurde, ist erstmals in einer Ausstellung zu sehen. Das älteste erhaltene, bayerische Wasserfahrzeug gehört zu den Prunkstücken der Landesausstellung im Kloster Ettal.

Von Katja Sebald, Starnberg

Im Kloster Ettal wird derzeit an allen Ecken und Enden am "Mythos Bayern" gewerkelt. Aber das größte, älteste und wohl auch bedeutendste Exponat der diesjährigen Bayerischen Landesausstellung, die im Mai eröffnet wird, ist bereits seit einigen Wochen an Ort und Stelle - und es kommt aus dem Starnberger See: der mehr als 13 Meter lange und gut zwei Tonnen schwere keltische Einbaum, den der Tutzinger Architekt Hubert Beer 1986 vor der Roseninsel gefunden hatte. In einem höchst aufwendigen Verfahren wurde das prähistorische Wassergefährt damals geborgen und konserviert, seither aber noch nie öffentlich gezeigt.

Fast drei Jahrzehnte verbrachte der Einbaum in der Archäologischen Staatssammlung in München, die meiste Zeit davon im Depot, da kein Präsentationsraum groß genug ist, um ihn zu zeigen. Dendrochronologische Untersuchungen haben ergeben, dass die Eiche, aus der das Boot gebaut wurde, um das Jahr 900 vor Christus gefällt worden war. Es handelt sich also um das älteste erhaltene, bayerische Wasserfahrzeug, gefertigt aus einem einzigen Stamm: 13, 50 Meter lang, 1,15 Meter breit und 65 Zentimeter hoch, mit rundem Boden und einem sogenannten Löffelbug. Der heute 56-jährige Hubert Beer, Gründer der Bayerischen Gesellschaft für Unterwasserarchäologie und heute ihr Ehrenpräsident, bezeichnet die Bergung des Einbaums Ende der 1980er-Jahre als "größte unterwasserarchäologische Grabung, die es in Bayern je gegeben hat".

3000 Jahre alt: Aufwendige Unterwassergrabung: ein Taucher bei der Bergung des etwa 3000 Jahre alten Einbaums.

Aufwendige Unterwassergrabung: ein Taucher bei der Bergung des etwa 3000 Jahre alten Einbaums.

(Foto: Hubert Beer)

Bei einer Begehung des Flachwassers im südwestlichen Bereich der Roseninsel war er, damals noch Student der Architektur, auf ein langes freiliegendes Stück Holz gestoßen. Die Auswertung der entsprechenden Luftbilder ergab dann erste Hinweise darauf, dass es sich um einen Einbaum handeln könnte. "Es war mehr oder weniger ein Zufallsfund", erinnert er sich. Dass es sich um den wohl spektakulärsten Fund handelte, der je in einem bayerischen Gewässer gemacht wurde, ist auch ihm selbst erst im Lauf der Zeit klar geworden. Unter seiner Leitung und in enger Kooperation mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und der Prähistorischen Staatssammlung wurde der Einbaum im Lauf von drei Jahren geborgen.

"Es dauerte so lange, weil die finanziellen Mittel beschränkt waren und es in Süddeutschland nur sehr wenige Unterwasserarchäologen gab", erinnert sich Beer. Es habe damals auch gar keine zuständige staatliche Stelle gegeben, da man mit solchen Funden nie gerechnet hätte. Im Zuge der Ausgrabungen wurden auch die verschiedenen Kulturschichten erfasst, in die das Relikt aus der späten Urnenfelderzeit eingebettet war. Der Einbaum lag auf einer Brandschicht, beim Abzug der Inselbewohner nach dem Feuer wurde er offensichtlich zurückgelassen, so Beer. Gefunden wurden damals auch Bauhölzer, die auf stabile Gebäude hindeuten, außerdem Keramikscherben, Knochenfragmente und mehrere Bernsteinperlen, die Handelsbeziehungen bis in den Ostseeraum belegen.

Keltischer Einbaum präsentiert

Das bislang in der Archäologischen Staatssammlung verwahrte Stück wird von Mai an im Kloster Ettal ausgesellt.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand)

Zu welchem Zweck man das in Form und Länge höchst ungewöhnliche Gefährt, in dem bis zu vierzehn Männer Platz gefunden hätten, vor 3000 Jahren über den See bewegte, darüber gibt es bislang keine gesicherten Erkenntnisse. Bislang geäußerte Vermutungen, es habe kultischen Handlungen gedient und sei bei Seeprozessionen zum Einsatz gekommen, würden das rätselhafte Boot zum geradezu idealen Exponat für eine Ausstellung machen, die sich unter dem Motto "Wald, Gebirg' und Königstraum - Mythos Bayern" auch dem geheimnisumwitterten Märchenkönig widmet. "Ich glaube nicht an diese Theorie", sagt jedoch Beer. Er verfolgt einen eher pragmatischen Ansatz: "Ich gehe davon aus, dass es ein Transportschiff war, mit dem man auch Tiere aufs Festland bringen und sich relativ schnell über den ganzen See bewegen konnte."

Einbäume waren seit der Steinzeit und bis in die Neuzeit das gebräuchliche Wassergefährt auf den bayerischen Seen und Flüssen. Sie wurden beim Fischfang, zum Lastentransport oder als Fährboote eingesetzt. Vorzugsweise wurden sie aus dem besonders widerstandsfähigen und langlebigen Eichenholz gefertigt, deshalb sind sie oftmals gut erhalten. Allein im Starnberger See wurden 15 Funde dokumentiert, bayernweit sind es weit über hundert. Allerdings sind alle anderen Einbäume deutlich kleiner und auch deutlich jüngeren Datums. Einbäume waren für das Fischen mit großen Zugnetzen, dem sogenannten "Segen", besonders geeignet. Wegen der dünnen Seitenwände und des schweren Bodens kenterten sie nicht so leicht wie Bretterboote, außerdem gingen sie nicht unter, selbst wenn sie komplett mit Wasser vollliefen. Der letzte Einbaum für den Starnberger See wurde 1868 gebaut, da war er allerdings längst ein Auslaufmodell. Die hohen Kosten für die Beschaffung und Fertigung, vermutlich aber auch der Mangel an geeigneten Baumstämmen führten dazu, dass diese Jahrtausende alte Tradition von den deutlich kostengünstigeren Bootstypen wie Plätten oder Zillen verdrängt wurde.

Die Roseninsel war seit der Jungsteinzeit bis ins hohe Mittelalter kontinuierlich besiedelt. Einzigartig in Bayern ist auch die frühkeltische Seeufersiedlung an ihrer Nordostspitze, deren unter Wasser erhaltene Reste seit 2002 erforscht werden: Die verkippten Palisaden und gitterförmig angeordneten Schwellrahmenkonstruktionen, die senkrechte Wandpfosten aufnehmen konnten, bildeten auf einer Fläche von mehr als einem Quadratkilometer die Fundamente von Häusern. Sie standen - bei einem im Vergleich zu heute deutlich niedrigeren Wasserstand - im Uferbereich. An einigen Stellen konnten sogar flächige Bretterlagen ausgemacht werden, die man als Holzfußböden identifizieren könnte. Die Funde vor der Roseninsel wurden 2011 als Unesco-Welterbe-Stätten ausgezeichnet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: