Stadtgestaltung:"Architekturbüros haben zu viel Macht"

Stadtgestaltung: "Wir müssen die Stadt von den Architekten zurückholen." Manuel Pretzl, Fraktionschef der CSU.

"Wir müssen die Stadt von den Architekten zurückholen." Manuel Pretzl, Fraktionschef der CSU.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Der Münchner CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl kritisiert die Ideen und Formen von Neubauten in der Stadt als zu eintönig.
  • Seiner Meinung nach haben einflussreiche Münchner Architekturbüros zu viel Macht, aber keine demokratische Legitimation.
  • Es werde sich zeigen, "ob es uns gelingt, die Bürger mit der wachsenden Stadt zu versöhnen", sagt er.

Von Heiner Effern

Die CSU will neue Ideen und Formen bei großen Neubauten verwirklichen und greift deshalb die mächtigen Architekten in München scharf an. Was diese in den letzten Jahren errichtet hätten, sei "belanglos und uniform", sagt Fraktionschef Manuel Pretzl.

Die neuen Gebäude erzeugten "keine Sympathie, sie treffen das Lebensgefühl der Menschen nicht". Verkopft geplant seien die meisten, formal korrekt, Rastermaße würden vorbildlich aufgegriffen, "wie es an der Universität gelehrt wird". Die Bedürfnisse der künftigen Bewohner spielen nach Pretzls Beobachtung eine geringe Rolle. Wenn überhaupt. Das soll sich ändern. "Wir müssen die Stadt von den Architekten zurückholen."

Mit "wir" meint der CSU-Fraktionschef nicht nur die Bewohner, sondern auch die Politik. Die hat aus seiner Sicht die Hoheit über die Gestaltung der Stadt weitgehend verloren. In 16 Jahren im Stadtrat habe er manchen der architektonischen Wettbewerbe erlebt, die über große Vorhaben in der Stadt entscheiden. Da zeichne sich ein monotones Bild ab: "Es ist eine Clique aus zwei Handvoll Architekten, die entweder ihre Entwürfe einreichen oder in der Jury sitzen."

Das will Pretzl künftig verhindern. Seine Fraktion wird im Stadtrat beantragen, dass zumindest die Berufung in Jurys in einem festen Zeitraum stark begrenzt wird. Am liebsten wäre ihm auch eine Beschränkung, wie oft ein Büro an einem Wettbewerb teilnehmen darf. Doch das sei rechtlich schwierig, sagt Pretzl. In jedem Fall will er aber eine "viel größere Durchmischung bei den Architekten".

München sei aufgrund dieser Monokultur national und international bald Schlusslicht bei innovativer Architektur, prophezeit Pretzl. "Man muss nur mal nach Hamburg in die Speicherstadt schauen, da sind tolle Gebäude entstanden." Wenn er von Reisen zurückkomme, packe ihn zu Hause der Frust, etwa bei einem Besuch in der Messestadt Riem. "Wenn ich in den Park schaue, ist das schön. Aber wenn ich im Innenbereich bin, ohne Baum und Strauch, diese vollkommen trostlose, breite Schneise, die sich da durchzieht - das hat keine Lebensqualität."

Die immer gleichen Architekten würden die immer gleichen Häuser bauen, heraus kämen Riegel wie die Welfenhöfe in Haidhausen. "Ich habe momentan den Eindruck, dass wir von der Vielfalt zu einer Einfalt kommen, dass wir Erdgeschoss plus drei Obergeschosse über die ganze Stadt legen", sagt Pretzl. Fast überall sehe er dazu Flachdächer, sehr strenge Raster. "Aber wenn mal jemand mit der Form oder großen Balkonen arbeitet, wird das in diesen Wettbewerben sofort niedergemacht."

Wie auch in der Stadtgestaltungskommission zuletzt, in der viele arrivierte Architekten mit sehr vielen Professorentiteln über das Aussehen der Stadt wachen. Mit dem einen Baubewerber duzte man sich in der Runde so herzlich wie selbstverständlich, der andere wurde abgekanzelt wie ein Schulbub. Er stellte den Plan für einen 44 Meter hohen Neubau am Heimeranplatz vor, dessen Figur sich alle paar Stockwerke verdreht. Zu unruhig, sagten die Experten. Endlich mal was Neues, konterten die Politiker. Ausgang der Debatte: offen. Ein "Musterbeispiel" für die Münchner Probleme sei das, sagt Pretzl.

"Kein Mensch würde sagen: Ich wohne neben den Welfenhöfen."

Mit einem zweiten Stadtratsantrag will die CSU auch hier eine Gegenoffensive starten. "Wenn jemand innovativ baut, etwa bei der Form des Gebäudes, der Ausgestaltung, der Höhe, der Sprache, soll er ein höheres Baurecht bekommen", fordert Pretzl. Markante Bauten sollen Identität schaffen. "Wenn man neben dem BMW-Vierzylinder wohnt, dann ist das was, wo man sagt: Daneben wohne ich. Kein Mensch würde sagen: Ich wohne neben den Welfenhöfen." Und die Architekten sollten die Wünsche der Menschen berücksichtigen. Aus Pretzls Sicht bedeutet das: kleine, grüne Innenhöfe, in denen die Bewohner "mit den Nachbarn manchmal abends ein Bier trinken und die Kinder rauslassen können".

Als Beispiele für dichte, aber gelungene Bebauung führt er die Borstei in Moosach, die Kolbsiedlung in Untergiesing-Harlaching oder auch das geplante Hochhaus am Arabellapark mit seiner begrünten Fassade an. Wichtig sei ihm zudem, dass die Stadt ihre unterschiedlichen Wohnformen behält. "Wir haben Vorstädte, klassische Gartenstädte, sehr urbane Gebiete, Viertel aus den Sechziger- und Siebzigerjahren", sagt Pretzl. "Ein Student mag es vielleicht eher eng und mit vielen Kneipen rundum, als Familie ist mir Grün mehr wert."

Eine Wohnform will die CSU wie auch Oberbürgermeister Dieter Reiter noch viel stärker forcieren: Hochhäuser. Sensibel, aber nachdrücklich, wie Pretzl sagt. Die Baugebiete an der Achse vom Hauptbahnhof über Laim bis Pasing oder Schwabing Nord seien verpasste Chancen gewesen.

Künftig soll das Planungsreferat, so wird es Pretzl beantragen, verpflichtend jeden neuen größeren Bebauungsplan daraufhin überprüfen, ob ein Wohnhochhaus möglich sei. Überhaupt will die CSU die Bauverwaltung dafür sensibilisieren, auch mal neue Wege mit neuen Architekten zu gehen. "Das ist ganz wichtig. Die Verwaltung muss das aktiv mit fördern und fordern. Da muss man von Seiten der Politik ein klares Signal setzen, dass wir eine andere Architektur auch erwarten."

Die Initiative der CSU wird manchem Grünen oder mancher neuen Wohnungsbaugenossenschaft bekannt vorkommen. Die Ideen sind nicht revolutionär neu, doch sind sie nun im regierenden Rathausbündnis von SPD und CSU angekommen. Das macht sie nicht anders oder besser, aber plötzlich deutlich realistischer. Höchste Zeit sei es für Veränderung, sagt Pretzl. "Wir bauen die nächsten 20 Jahre die letzten großen Flächen der Stadt zu. Überall wird es dichter. Das prägt unsere Stadt auf lange Zeit. So ein Gebäude steht 60, 80 oder 100 Jahre."

Für Pretzl wird sich in diesem Zeitraum entscheiden, "ob es uns gelingt, die Bürger mit der wachsenden Stadt zu versöhnen". Dafür nimmt er die Auseinandersetzung mit den bestimmenden Architekturbüros der Stadt in Kauf. "Das ist es wert. Diese Architekten strahlen ein großes Sendungs- und Selbstbewusstsein aus, aber sie haben keine demokratische Legitimation." In München müssten endlich wieder Gebäude entstehen, über die die Menschen sagen könnten: "Wow, da wohne ich."

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