Olympia:Kim Jong-uns Bataillon der Cheerleader

Lesezeit: 3 min

Nordkoreanische Cheerleader bei den Olympischen Spielen - hier beim Shorttrack. (Foto: AP)
  • Kein Ereignis ist so politisch wie die Spiele des gemeinsamen Frauen-Eishockeyteams von Nord- und Südkorea. Im ersten Spiel verliert die Mannschaft mit 0:8.
  • Auf der Tribüne lässt Diktator Kim Jong-un das Spiel der Propaganda spielen. Hunderte Cheerleader führen einen bizarren Synchrontanz auf.
  • Es sind Tänzerinnen, die handverlesen wurden und in Nordkorea einem brutalem Drill ausgesetzt sind.

Von Holger Gertz, Pyeongchang

Auf dem Weg zum Kwandong Hockey Center kommt man an einem Skulpturenpark vorbei, zu besichtigen ist das Standbild eines goldenen, von innen beleuchteten Schweins, auf dem drei Koreaner reiten, tatsächlich. Normalerweise kann ein leuchtendes Schwein nicht getoppt werden, in diesem Fall hält der Abend allerdings eine noch größere Attraktion bereit. Fraueneishockey, erste Runde, das Match der Schweizerinnen gegen die Koreanerinnen, zusammengewürfelt aus Spielerinnen des Südens und Nordens, ein Einheitsteam als Symbol für die seltsame neue Nähe zwischen den beiden Koreas. Fraueneishockey ist sehr politisch bei diesen Spielen, entsprechend gut besucht ist die Ehrentribüne. Der südkoreanische Präsident, die Schwester des nordkoreanischen Diktators: alle anwesend.

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Die Attraktion ist nicht gleich zu sehen, sie formiert sich, bildet sich heraus, besetzt schließlich ganze Tribünenbereiche im Stadion, auch bevorzugte Plätze nah beim Eis. Gruppen von Frauen, eingepackt in Thermoanzüge, Farbton: steinzeitkommunistisches Rot. Alle ähnlich frisiert, ähnlich groß, ähnlich alt. Und ähnlich gut bei Stimme, wie man jetzt erfährt, wo der übliche Dorfdisco-Sound aus dem Hallenlautsprecher scheppert, Kategorie "Jump" von Van Halen. Die Frauen halten dagegen und singen ihre eigenen Lieder des Nordens. Mal stehen sie, mal sitzen sie, mal stemmen sie ein Ärmchen in die Hüfte. Alles was sie tun, tun sie synchron, auf eine so bizarr-perfekte Weise, dass man hinschauen muss. Man würde gern den Mechanismus erkennen, die Technik dahinter. Aber das sind alles hochtrainierte Menschen, die sich beim Singen und Skandieren problemlos fotografieren lassen. "Whistle" singen sie, einen nordkoreanischen Popsong. Es gibt ein Video bei Youtube, ein junger Mann macht, vor dem Hause einer Frau stehend, auf sich aufmerksam, indem er ausdauernd pfeift. Deshalb Whistle. Auch diese Frauen hier tun alles, was sie tun, mit großer Ausdauer, und dabei machen sie die Welt auf sich aufmerksam, darauf kommt's schließlich an. Olympia ist, wer wüsste es nicht, immer eine Bühne. Diesmal eine für Nordkorea.

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Das Spiel wird schnell ein Randereignis, die Schweizerinnen sind kombinationssicherer, entschlossener, konsequenter, sie haben vor vier Jahren die Bronzemedaille gewonnen und sind längt eine kleine Macht im Nischensport Fraueneishockey. Die Koreanerinnen sind erst vor ein paar Wochen neu sortiert worden, als zwölf Frauen aus dem Norden zu einem Team kamen, das sich viel länger auf dieses Ereignis vorbereitet hatte. Nur drei von den zwölfen müssen allerdings mitspielen, und weil so oft im Hockey durchgewechselt wird, hält sich der nordkoreanische Einfluss sehr in Grenzen. Für die Qualitätssteigerung sind sowieso andere zuständig, rechtzeitig sind einige Spielerinnen aus Nordamerika eingebürgert worden, die Cheftrainerin Sarah Murray stammt aus Kanada, der nordkoreanische Cheftrainer ist jetzt ihr Assistent.

Dieses Ensemble ist ohne Chance gegen die eingespielten Schweizerinnen. Nach zwei Dritteln steht es schon 6:0, die Stimmung in der Halle ist dennoch ausgelassen, weil die gut vorbereiteten Cheerleader - "Army of Beauties" genannt - verschiedene Devotionalien im Reisegepäck dabeihaben, die sie bei Bedarf in ihre Performance einbauen. Unterschiedliche Mützen, die Einheitsflagge, und einmal halten sich alle eine Maske vors Gesicht, kurz sieht es aus größerer Entfernung aus, als wäre darauf das Gesicht von Kim Jong-un - was womöglich mit dem olympischen Protokoll dann doch nicht vereinbar gewesen wäre. Weil aber der Typ auf den Masken von Nahem betrachtet viel jünger und schöner aussieht als der Diktator, wird da nichts beanstandet. OK-Sprecher Sung Baik-you kann am nächsten Tag über die Maske auch nur sagen: "Es war ein gemaltes Bild, es war ein Mann, und ich habe auch nicht verstanden, was das soll."

8:0 am Ende, Schussverhältnis 52:8 bei diesem speziellen Match. "Politisch gesehen ist das sicher eine feine Sache", sagt Daniela Diaz, Schweizer Trainerin: "Aber wir haben uns auf unser Spiel konzentriert."

Sichtbar wird allmählich, dass auch der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un sich auf sein Spiel konzentriert hat, sein Spiel ist die Propaganda, und das läuft hervorragend. Für ihn hat sich schon jetzt gelohnt, dass er mitspielt bei dieser zweiwöchigen Darstellung des olympischen Friedens, denn seiner Cheerleader-Armee werden ja die besten Plätze freigeräumt, in der Halle und auch im Fernsehen.

Wer redet über den Drill, dem sie sich aussetzen zu Hause? Mitglieder dieser Showtruppen sind handverlesen, schon als Kinder werden sie ausgesucht, und in Nordkorea bespielen sie nicht nur ein paar Tribünenplätze, sondern ganze Stadien. Bei den Arirang-Massenfestspielen kann das besichtigen, wer zufällig gerade am Ort ist; sie finden statt im Stadion Erster Mai in Pjöngjang. Wer zufällig gerade am Ort ist, sollte auf keinen Fall ein Plakat von der Wand nehmen. Der amerikanische Student Otto Warmbier hat ein Propagandabanner klauen wollen aus Nordkorea, als Souvenir. Schauprozess, Lagerhaft, mysteriöser Tod.

Bei Olympia lassen die Friedenstifter vom IOC zu, dass ein überzuckertes Nordkorea-Bild gemalt wird, davon profitiert am Ende dann womöglich gerade das IOC. Man lese also - als Gegengift - die schlimmen Berichte von Leuten, die aus Nordkorea abgehauen sind, man schaue die Doku "Im Strahl der Sonne" - ist ja wichtig für das ganze Bild. Man betrachte diese roten Cheerleader in der Eishockeyhalle einen Moment lang aus anderer Perspektive. So viele Menschen in perfektem Gleichklang - große Körperkunst, aber was für eine furchtbare Symbolik.

© SZ vom 12.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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