Gespräch über NS-Raubkunst:"Ich vermisse den Versuch, das Problem ein für alle Mal zu lösen"

Rückgabe eines von Nationalsozialisten geraubten Kunstwerkes

"Skandinavische Landschaft" von Andreas Achenbach aus dem Besitz von Max Stern. Das von den Nationalsozialisten geraubte Gemälde konnte an die Nachlassverwalter zurückgegeben werden.

(Foto: dpa)

Ronald Lauder, der Vorsitzende des Jüdischen Weltkongresses, kritisiert Deutschland scharf für seinen Umgang mit NS-Raubkunst.

Von Catrin Lorch

Ronald Lauder, der Vorsitzende des Jüdischen Weltkongresses, hat Deutschland schwere Versäumnisse im Umgang mit NS-Raubkunst vorgeworfen. "Es herrscht immer noch die Haltung, diese Dinge als Einzelfälle anzusprechen. Ich vermisse den aufrichtigen Versuch, das Problem Nazi-Raubkunst ein für alle Mal zu lösen", sagte Lauder in einem Interview der Süddeutschen Zeitung. Er sei "frustriert", dass eines "der Länder mit den höchsten juristischen Standards der Welt" das Problem Raubkunst "nicht gelöst bekommt".

Seit der Verabschiedung der Washingtoner Erklärung zur Rückgabe von Kunst, die jüdischen Bürgern während der NS-Zeit geraubt wurde, seien mehr als zwanzig Jahre vergangen. Dennoch hingen in Deutschland in Privatsammlungen, Museen und sogar in den "Büros von Politikern" noch Raubkunst, so seine Kritik. Die Institutionen in Deutschland arbeiteten zu langsam, sagte Lauder.

"Einen Symbolfall" nennt Ronald Lauder den Skandal um eine für diesen Winter in Düsseldorf geplante Ausstellung über den Kunsthändler Max Stern. Die Schau war kurzfristig abgesagt worden, wegen aktuell laufender Restitutionsgesuche, wie es hieß. Nach internationalen Protesten hatte Oberbürgermeister Thomas Geisel - ersatzweise - ein Symposium und eine neu zu erarbeitende Schau zum Leben Max Stern versprochen. Stern, ein von den Nationalsozialisten verfolgter jüdischer Galerist, war nach seiner Fluch in Kanada zu einem bedeutenden Kunstvermittler geworden.

Der Max-Stern-Skandal könne dem Ruf Deutschlands ähnlich schaden, wie der sogenannte Schwabinger Kunstfund, also die Entdeckung des Erbes des NS-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, warnte Lauder. Der Fund der Gurlitt-Sammlung war im Jahr 2012 von den Behörden geheim gehalten worden und führte nach dem Bekanntwerden unter öffentlichem Druck zur Einrichtung einer international besetzten Task Force. Diese musste die Herkunft der Kunstwerke mit enormem finanziellen Aufwand untersuchen. Die Situation sei vergleichbar, so Lauder: "Man leistet sich auf der unteren politischen Ebene einen gewaltigen Fehler. Und dann muss die Bundesrepublik viele Millionen Euro dafür ausgeben, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. Der Bürgermeister sollte das den deutschen Steuerzahlern nicht aufbürden. Natürlich wird wieder jemand die Rechnung übernehmen müssen, denn wie steht Deutschland sonst da?"

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