Kryptowährungen:Telefonseelsorge für Bitcoin-Gläubige

Bitcoin Claws Its Way Back

Der Bitcoin-Kurs ist zuletzt verlaufen wie eine Achterbahnfahrt. Vor einem Jahr kostete ein Bitcoin 1053 Dollar, An Weihnachten waren es 20.000 Dollar. Dann ging es steil bergab.

(Foto: Bloomberg)

Wenn die Krypto-Währung abstürzt, brauchen Investoren jemanden, der gut zuhört. Ein Hotline-Betreiber sagt: "Wir haben keinen einzigen Scherzanruf erhalten."

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Der erste Eindruck beim Bitcoin-Sorgentelefon: Da geht niemand ran. Aaron Lasher, Marketingchef bei Bread, einem Unternehmen für die Verwaltung von Kryptowährungen, bittet in seiner Anrufbeantworter-Ansage darum, man möge sein Problem schildern, und verspricht rasche Antwort. Der zweite Eindruck beim Bitcoin-Sorgentelefon einige Stunden später: Da ruft niemand zurück. Das ist natürlich nicht gerade beruhigend für jemanden, der womöglich viel Geld verloren hat und sich um seine Zukunft sorgt.

Die Leute sind gerade verrückt nach Kryptowährungen wie Bitcoin, deren Wert in Relation zum Dollar Achterbahnfahrten hinlegt: Vor einem Jahr, am 14. Februar 2017, kostete ein Bitcoin 1053 Dollar. Kurz vor Weihnachten überschritt der Kurs die 20 000-Dollar-Marke, dann folgten Absturz, Anstieg, Absturz. In dieser Woche pendelt der Preis erstaunlich unaufgeregt zwischen 8000 und 9000 Dollar. Die einen prognostizieren einen Anstieg auf mehr als 300 000 Dollar in den kommenden zehn Jahren, andere vergleichen den Hype mit der Tulpenzwiebelmanie an der Wende zum 17. Jahrhundert und sagen einen Absturz in die Wertlosigkeit voraus. Was auch immer wahr sein mag: Die Investoren sind entweder euphorisch oder verzweifelt - und wenn Menschen euphorisch oder verzweifelt sind, dann möchten sie gerne mit anderen Menschen über ihre Aufgeregtheit sprechen.

Das Sorgentelefon der Firma Bread gibt es seit Juli, Lasher schrieb nach der ersten Woche auf der Homepage des Unternehmens: "Die schockierendste Erkenntnis: Wir haben keinen einzigen Scherzanruf erhalten. Das hat unseren Glauben an die Menschheit wiederhergestellt." Die Hotline scheint mittlerweile nicht mehr regelmäßig besetzt zu sein, aber es gibt noch andere Möglichkeiten. Als der Bitcoin-Kurs vor einem Monat einbrach, war der beliebteste Eintrag in einem Forum, in dem mehr als 500 000 Menschen über Kryptowährungen debattieren, die kostenfreie Nummer der US National Suicide Prevention Lifeline - eine Hotline für Suizidgefährdete.

Am Telefon meldet sich nach der Navigation durch ein automatisiertes Programm eine Frau mit einer monotonen Stimme. Sie ist auf Finanzprobleme spezialisiert und hatte in den vergangenen Wochen mit einigen Bitcoin-Verzweifelten zu tun. Sie reagiert gelassen auf die Geschichte des Anrufers, der vor ein paar Jahren Bitcoins im Wert von 780 Dollar gekauft, ein paar Tage später mit kleinem Gewinn verkauft hat und nun verzweifelt ist ob der womöglich verpassten Millionen. "Sie haben Geld verdient, oder? Darüber sollten Sie sich freuen. Niemand konnte mit diesem Anstieg rechnen. Sie sollten immer daran denken, dass es auch ganz anders hätte laufen können." Es beruhigt tatsächlich ein bisschen, die Dinge positiv und vor allem als großes Ganzes zu betrachten.

"Ich kann nur zuhören und beruhigen"

"Die meisten Anrufe bekomme ich von Leuten, die letztlich zugeben, nicht wirklich Ahnung davon zu haben, was da passiert", sagt sie. "Die Menschen erhoffen sich dann einen Ratschlag von mir." Sie könne allerdings keine Tipps im Umgang mit den virtuellen Währungen geben, sondern nur zuhören und beruhigen.

In Russland bietet Blockchain Fund, eine Art Bank für Kryptowährungen, seit ein paar Tagen ein Sorgentelefon für Investoren an. "Einige Leute sind völlig verzweifelt, weil sie nicht verstehen, was da passiert", sagte die Psychologin Elena Pikhovkina dem russischen Online-Portal Life. Viele Leute seien auf den fahrenden Zug aufgesprungen in der Hoffnung, dass er sie zu unermesslichem Reichtum transportieren würde. "Am Anfang sah alles rosig aus, nun geht es dauernd auf und ab." Sie habe im Jahr 2014 Erfahrungen gesammelt, als der Rubel dramatisch an Wert verlor und einige Investoren vor dem finanziellen Ruin standen. "Es ist wichtig, dass sich die Leute erst einmal beruhigen, damit sie nichts Dummes anstellen. Krisen wird es immer und überall geben. Ich versuche zu erklären, wie man damit umgeht."

Es gibt noch eine weitere Möglichkeit der Aussprache, die bietet das südkoreanische Forum Bitcointalk an. Es heißt, dass vor allem Investoren aus Südkorea und Japan für den kräftigen Anstieg und später auch den Kursverlust verantwortlich gewesen seien. Der Nutzer wird aufgefordert, mit einem Experten zu chatten, und wird auch gleich weitergeleitet. Auch dort darf man seine Sorgen vortragen. Dann jedoch heißt es: "Versuchen Sie doch mal Steem!" Schnell wird klar: Das ist keine Hilfe, sondern das Anpreisen einer alternativen Kryptowährung.

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