Sigmar Gabriel:Zurück aus dem Schmollwinkel

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Erst nach Serbien, dann zum Treffen mit den EU-Kollegen nach Sofia: Außenminister Gabriel am Mittwoch im Regierungsflieger. (Foto: dpa)
  • Sigmar Gabriel kehrt nochmal auf die große politische Bühne zurück.
  • Bei seinem Besuch in Serbiens Hauptstadt Belgrad wird er von Präsident Alesksandar Vučić in den höchsten Tönen gelobt.
  • Außerdem hat der Außenminister positive Neuigkeiten im Fall des in der Türkei inhaftierten deutschen Journalisten Deniz Yücel.
  • Es sieht fast danach aus, als ob er es seinen Gegnern innerhalb der SPD noch einmal richtig schwer macht, ihn loszuwerden.

Von Mike Szymanski, Belgrad

Wenn es ein Paradies für diesen Außenminister gibt, dann liegt es eindeutig im Foyer des Präsidentenpalastes von Aleksandar Vučić in Belgrad. Die weiße Deckenkuppel mit ihren vielen kleinen Lampen gleicht einem Sternenhimmel. Nun bitte die Augen schließen und einfach zuhören: Vučić begrüßt einen Mann, der "sehr engagiert" sei, der zuhören könne und die Gegebenheiten seines Landes vielleicht "am meisten versteht". Nicht nur einen Politiker begrüße er heute, sondern "einen Freund", den er vermisse, wenn er sich eine Zeit lang nicht blicken lässt. Ach ja, von Wirtschaft verstehe er auch eine Menge, und nun, wo schon ausdrücklich danach gefragt wird, ob Merkel oder die SPD auf diesen Mann in der Regierung wirklich verzichten sollten, da sagt Vučić: "Ich würde es gerne sehen, wenn er an wichtiger Stelle in der Bundesrepublik bleibt."

Jetzt wirkt tatsächlich auch Sigmar Gabriel etwas verlegen. Er schiebt den rechten Fuß vor den linken und schaut etwas ungläubig zu dem einen Kopf größeren Vučić auf. Er hatte ihn eben noch energisch gebeten, nicht auf diese Frage zu antworten und rübergeraunt: "Don't answer!" Aber jetzt ist es raus. Der Gabriel sei einfach zu gut, um nichts mehr zu sein.

Sigmar Gabriel ist nochmals auf die große politische Bühne zurückgekehrt. Danach sah es nun wirklich nicht mehr aus. Aus Ärger darüber, dass Martin Schulz mit Billigung des SPD-Vorstands ihn in der neuen Regierung aus dem Außenamt drängen wollte, hatte er den bisherigen Parteichef in einer Art angegriffen, dass selbst seine verbliebenen Unterstützer den Kopf schüttelten. Es sei doch schön, dass der Papa jetzt mehr Zeit mit der Familie habe, das sei doch "besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht", so hatte er angebliche Worte seiner Tochter widergegeben. Und danach reihenweise Termine abgesagt.

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Nach Schulz' Verzicht aufs Außenamt wäre Gabriel eigentlich zurück im Spiel gewesen, wenn er nicht zuvor ein paar explosive Sätze gesagt und nicht schon jeden Rückhalt in der Parteiführung verloren hätte.

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Auch zur Sicherheitskonferenz nach München an diesem Wochenende wollte er nicht mehr kommen. Gabriel saß zu Hause in Goslar und hatte einen richtigen Hals. Die Reue kam jedenfalls später. Bei Martin Schulz habe er sich für seine "Mann-mit-Haaren-im-Gesicht-Bemerkung" zunächst per SMS und anschließend persönlich entschuldigt, sagte er jetzt der Zeit. "Wir verstehen beide, wo unsere gegenseitigen Verletzungen liegen und dass alles menschlich ist, wir sind schließlich keine Polit-Maschinen."

"Zum Abschied leise Servus zu sagen"

Martin Schulz hat am Vortag den Parteivorsitz abgegeben. Er ist raus. Und Gabriel? Der kämpft noch - mindestens um einen besseren Abgang. Denn dass er einfach beleidigt Termine absagt, haben ihm ebenfalls viele Anhänger übel genommen. Und Merkel will mindestens einen arbeitsfähigen Außenminister haben, wenn sich - wie jetzt vor dem informellen Treffen der EU-Außenminister in Sofia und der Münchner Sicherheitskonferenz - ein wichtiger Termin an den anderen reiht. Also ist Gabriel wieder unterwegs, zwei Tage lang. Seine Gemütslage an diesem Mittwoch? Leicht übermütig, scherzend nach dem Motto, man solle ihm vertrauen, er wisse, was er tue.

Der Zeit hatte er noch gesagt, er wolle nicht um jeden Preis Außenminister bleiben. Jeder Parteivorstand habe das Recht, Ministerposten neu zu besetzen. "Da gibt es nichts zu kritisieren und schon gar nicht zu grollen oder zu jammern, sondern zum Abschied leise Servus zu sagen."

Oder sich womöglich doch noch mal bitten zu lassen. Wer ihn darauf anspricht, dass er bewegte Tage hinter sich habe, bekommt frech um die Ohren gehauen, dass die aufregenden Tage gerade erst anfingen. Jetzt könnte man meinen, da redet sich einer gerade heftig die Lage schön. Aber dem ist nicht so. Als er um 10.45 Uhr auf dem Flughafen in Belgrad die Gangway hinabschreitet, hat er jedenfalls noch eine ganz dringende Mitteilung zu machen. Es gibt Neuigkeiten im Fall des in der Türkei inhaftierten Welt-Journalisten Deniz Yücel. Gabriel sucht schnell noch eine Position, wo seine Worte nicht im Dröhnen der Triebwerke untergehen. Und dann legt er los: "Ich bin relativ optimistisch, dass wir jetzt bald zu einer Gerichtsentscheidung kommen. Und ich hoffe natürlich, dass sie positiv für Deniz Yücel ausgeht." Positiv heißt, dass der Journalist endlich freikommt.

Dass es jedenfalls erstmals berechtigten Anlass zur Hoffnung gibt, dass Yücel bald freikommt, ist vor allem Gabriels Verdienst. Er hatte erst einen Kurs der Härte gegenüber Ankara eingeschlagen, mit Sanktionen gedroht und Urlauber gewarnt, in die Türkei zu reisen. Spätestens seither ist in Ankara hinterlegt, dass ohne Yücels Freilassung keine Aussöhnung möglich ist.

Als die türkische Seite im Spätsommer mit der Freilassung von anderen Deutschen begann, die ebenfalls aus politischen Gründen in Haft waren, deutete Gabriel dies als Signal des Entgegenkommens. Seinen Kollegen empfing er zum Teetrinken daheim in Goslar. Am Mittwoch lässt er noch mal alle wissen, wem sie den Klimawandel im Verhältnis zu Ankara zu verdanken haben: "In den letzten Tagen und Wochen habe ich über den Fall Deniz Yücel intensive Gespräche mit meinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Çavuşoğlu geführt." Es sieht so aus, als würde er es seinen Gegnern in der Partei auf den letzten Metern noch einmal richtig schwer machen, ihn loszuwerden.

© SZ vom 15.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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