Rätsel der Woche:Wann wird Hetze zu Volksverhetzung?

Deftige Sprache und scharfe Angriffe allein sind nicht strafbar. Aber bei den Türken-Beschimpfungen des AfD-Politikers Andre Poggenburg dürfte die Rechtslage nach dem Paragrafen 130 des Strafgesetzbuchs klar sein.

Von Wolfgang Janisch

Der Paragraf 130 des Strafgesetzbuchs , der Volksverhetzung regelt, ist eine wirklich komplizierte Norm. Schon deshalb, weil er das friedliche Zusammenleben schützt, also ein Rechtsgut, das nicht so klar umrissen ist wie etwa Eigentum oder körperliche Unversehrtheit. Vor allem aber sind es die weit gesteckten Freiräume der Meinungsfreiheit, die eine Abgrenzung zwischen erlaubten und verbotenen Äußerungen schwierig machen. Deftige Sprache und scharfe Angriffe allein reichen noch nicht für eine Volksverhetzung. Außerdem müssen Äußerungen laut Bundesverfassungsgericht freiheitsfreundlich ausgelegt werden: Wenn ihr Wortlaut eine Interpretation hergibt, die eine zulässige Meinungskundgabe ist, dann ist sie nicht strafbar - auch wenn sie einen aggressiven Unterton hat. Diese Wortklauberei wirkt immer ein wenig künstlich, hat aber den Sinn, der freien Rede eine breite Schneise zu schlagen.

Aber auch die Duldsamkeit der Justiz ist nicht endlos. Paragraf 130 stellt die "Aufstachelung zum Hass" und die Aufforderung zu Gewalt und Willkür gegen nationale, rassische, religiöse oder ethnische Gruppen unter Strafe, zudem die Beschimpfung oder böswillige Verächtlichmachung bestimmter Gruppen. Darunter lassen sich nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg von 2001 auch "Ausländer raus"-Parolen fassen, die aus einer Neonazigruppe heraus skandiert werden. André Poggenburg hetzte gegen "Kameltreiber", die sich "zurückscheren" sollen, "hinter den Bosporus, zu ihren Lehmhütten, Ziegen und vielen Weibern". Es ist also eine Art "Ausländer raus"-Parole, nur noch schlimmer. Zwar fehlt der Nazi-Kontext, der die Gerichte normalerweise zu strengerem Einschreiten veranlasst. Aber die Parole ist garniert mit Beschimpfungen der übelsten Sorte, die wohl nur einen Sinn haben - Türken in Deutschland verächtlich zu machen.

© SZ vom 17.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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