IT-Schulung für Flüchtlinge:Gewinner unter sich

IT-Schulung für Flüchtlinge: Bürgermeister Josef Schmid (links) mit Redi-School-Gründerin Anne Riechert, Absolventin Sana Abo Helal und Oliver Tuszik von Cisco.

Bürgermeister Josef Schmid (links) mit Redi-School-Gründerin Anne Riechert, Absolventin Sana Abo Helal und Oliver Tuszik von Cisco.

(Foto: Catherina Hess)

An der in Garching eröffneten "Redi School of Digital Integration" unterrichten Mitarbeiter von Unternehmen wie Microsoft und Cisco Flüchtlinge und Migranten. Die Stadt München unterstützt das Projekt, das der IT-Branche neue Fachkräfte zuführen soll.

Von Irmengard Gnau, Garching

Um bei potenziellen Unterstützern für ein Projekt zu werben, wird gern die "Win-win-Situation" angepriesen, die daraus für beide Seiten entstehe.

Die Steigerung dieses Versprechens stellte Anne Kjaer Riechert am Dienstag in Garching in Aussicht: Gar eine "Win-win-win-Situation" will die von der Skandinavierin mitgegründete "Redi School of Digital Integration", die mit München nun ihren zweiten Standort eröffnet hat, für die Region schaffen. Das gemeinnützige Projekt richtet sich an IT-affine Flüchtlinge und Zuwanderer und bietet kostenlose Kurse in Programmieren und anderen digitalen Skills an.

Als Dozenten treten Mitarbeiter von IT-Firmen wie Cisco oder Microsoft auf, ehrenamtlich, die Unternehmen können die Schule zudem finanziell unterstützen. Davon sollen alle Seiten profitieren: die Flüchtlinge und Migranten, die sich sinnvoll fortbilden und Kontakte knüpfen - und die Unternehmen in München und Umgebung, die in einer umkämpften Branche potenzielle neue Mitarbeiter bekommen. Und nicht zuletzt die Münchner Stadtgesellschaft, weil der Eintritt in die Arbeitswelt die Integration unterstützt.

Eine Perspektive, die sich die Stadt München nicht entgehen lassen wollte. Das Referat für Arbeit und Bildung hat das Berliner Projekt nach Bayern geholt, über das Münchner Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramm (MBQ) wird die Stadt die "Redi School" mit 300 000 Euro zunächst für zwei Jahre mitfinanzieren. Aus dem Projekt erhofft sich der Münchner Bürgermeister Josef Schmid (CSU) auch eine Stärkung des Wirtschaftsstandorts München. Schließlich gelinge es durch das Projekt, Arbeitskräfte und Arbeitgeber bereits in der Qualifikationsphase zusammenzubringen, erklärte Schmid, und das idealerweise auf Augenhöhe.

HTML, Java und Content Management

Ein reizvoller Ansatz, den auch die Unternehmen fördern. "Wir brauchen mehr IT-Skills", forderte Oliver Tuszik, Deutschland-Geschäftsführer des Netzwerkexperten Cisco, der die Redi School als Projektpartner unterstützt. Angesichts von Digitalisierung und übergreifender Vernetzung beklagen deutsche Unternehmen einen Mangel an Fachkräften im IT-Bereich. In diese Lücke will die Redi School stoßen. Denn wie aus den Erfahrungsberichten ehemaliger und aktueller Studenten deutlich wurde, ist es für Flüchtlinge und Zuwanderer häufig ein großes Hindernis, ihre Qualifikationen auf dem deutschen Arbeitsmarkt richtig anzubringen - insbesondere, wenn der Kontakt zu den passenden Unternehmen fehlt. Zum Angebot der Redi School gehört deshalb der Umgang mit HTML, Java und Content Management Systemen ebenso wie Netzwerkveranstaltungen, getreu dem Motto "It's important what you know and who you know."

Tatsächlich kann das Projekt schon einige Erfolge vorweisen. Im Februar 2016 starteten die ersten Kurse in Berlin mit 42 Teilnehmern, inzwischen haben mehr als 350 Menschen einen Kurs absolviert. Viele Positivbeispiele beweisen, dass die Absolventen einen Studienplatz, eine Anstellung oder ein Praktikum bei einer IT-Firma gefunden haben, auch mehrere Start-ups sind bereits aus den Kursen entstanden. Die Nähe zu großen IT-Firmen, das innovationsfreundliche Klima in der Branche und das Netzwerk-Talent der Gründer um Riechert haben schon einige prominente Gäste neugierig gemacht. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat dem Projekt in Berlin ebenso bereits einen Besuch abgestattet wie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg.

Entsprechend viele Anfragen habe es auch gegeben, das Projekt auf andere Städte auszudehnen, erzählt Riechert. Dass München nun zum Zuge kommt, liegt einerseits am Engagement der Stadt, die sich - anders als Berlin - sowohl persönlich als auch finanziell hinter die Redi School gestellt habe. Außerdem hat die Region als Standort vieler großer Technikunternehmen die Gründer überzeugt.

Studium ist keine Voraussetzung

Die ersten sechs Kurse in München haben vergangene Woche begonnen, mit 33 ehrenamtlichen Dozenten und 75 Teilnehmern aus insgesamt 21 Ländern. Sie eint der Ansporn, nach der Weiterbildung einen guten Arbeitsplatz zu finden. Sana Abo Helal ist auf einem guten Weg dorthin. Die 25-Jährige hat die Redi School in Berlin besucht und macht aktuell ein einjähriges Praktikum bei Cisco, arrangiert über die ehrenamtlichen Dozenten. Vor ihrer Flucht vor dem Bürgerkrieg in Syrien hat Abo Helal in Aleppo Computerwissenschaften studiert. Ein Studium ist jedoch nicht Voraussetzung für die Kursteilnahme, sagt Sophie Jonke, die den Münchner Standort leitet. Wer sich für die Redi School bewirbt, sollte freilich IT-affin sein und über ein Sprachniveau in Deutsch und Englisch verfügen, das es erlaubt, den Kurseinheiten zu folgen.

Drei Monate dauert das Semester, in denen sich die Schüler an zwei Abenden pro Woche zu ihren Workshops treffen. Dafür stellen die Partnerfirmen Räume und Ausstattung zur Verfügung. Jonke und ihre Mitstreiter hingegen sind noch auf der Suche nach einer passenden Adresse für ihr Büro. Anders als in Berlin ist das in München gar nicht so einfach.

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