Eisschnelllauf:Zu alt zum hustend Laufen

Pyeongchang 2018 - Eisschnelllauf

Beim Massenstart ist Claudia Pechstein (Mitte) umringt von Gegnerinnen.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Claudia Pechstein, 46, wird im Massenstart nur 13., aber ist auch ohne Medaille "stolz, dass ich mit meinem Alter die siebten Spiele absolviert habe". Die Probleme im deutschen Eisschnelllauf kann sie nicht kaschieren.

Von Barbara Klimke

Den vierten Anlauf unternahm Claudia Pechstein mit Helm, Schienbeinschonern und Schnittschutz am Anzug. Das Massenstart-Rennen ist neu im olympischen Programm, das von Winterspielen zu Winterspielen um neue vermeintliche Attraktionen aufgestockt wird. Vom Format her ähnelt der Massenstart dem Shorttrack; die Zwischensprints sind dem Radsport entlehnt, es gibt Ausreißer und die eine oder anderer Sprintwertung mit Punktegutschrift. 16 Schleifen werden auf dem 400 Meter langen Eisoval gekurvt, Überholmanöver sind erlaubt, und schon im ersten olympischen Rennen, dem Halbfinale der Frauen, verkanteten erst eine Schweizerin, dann eine polnische Athletin und flogen mit Karacho in die Bandenpolsterung.

Vom Cowboy-Eisschnelllauf ist deshalb manchmal die Rede, und dass Claudia Pechstein neben dem klassischen Rundenlaufen auch dieses Rodeo beherrscht, wurde spätestens im Dezember klar, als sie überraschend ein Weltcup-Rennen in Calgary gewann und den Erfolg tatsächlich mit einem Cowboy-Hut auf dem Podium feierte.

Aber dies ist Korea und nicht Kanada, und "Olympische Spiele schreiben immer ihre eigene Geschichte", wie sie am Samstag sagte. Platz 13 belegte sie nur bei der Massenstart-Premiere, die zehnte Medaille ihrer olympischen Karriere, die sie sich in ihrem vierten und letzten Wettbewerb erhofft hatte, blieb eine Illusion. Im Finale setzte sich eine Konkurrentin, die Estin Saskia Alusalu, früh vom Feld ab, und als sie schließlich eingeholt wurde von einer sechsköpfigen Verfolgergruppe, gehörte Pechstein, die zwei Tage zuvor 46 Jahre alt geworden war, nicht dazu. Gold ging an die 25-jährige Japanerin Nana Takagi, die sich auf der Zielgeraden gegen Kim Bo-reum aus Südkorea und Irene Schouten aus den Niederlanden durchsetzen konnte. "Mein Ziel war im Finale entweder eine Medaille oder nichts", sagte Pechstein später, sichtbar erschöpft und hustend, deshalb habe sie sich auch nicht an den Sprints beteiligt. Ohnehin sind diese Rennen eine Strapaze, selbst für die Jüngeren: Zwischen den Halbfinals und den Finals lag kaum mehr als eine halbe Stunde; und mit 46, das sagte Pechstein selbst, sei sie in einem Alter, in dem sie längere Regenerationszeiten benötige.

"Die Medaillenchancen, die wir uns erarbeitet haben, haben nicht funktioniert"

Vier Wettkämpfe und die Plätze neun (über 3000 Meter), acht (über 5000 Meter), sechs (Teamverfolgung) und 13 stehen nun zu Buche bei ihren siebten Winterspielen; es ist keine Frage, dass sich die fünfmalige Olympiasiegerin mehr versprochen hatte von der Reise nach Südkorea; sie hält noch immer die Olympischen Rekorde auf beiden Langstrecken. Dennoch zog sie, zumindest öffentlich, eine positive Bilanz: "Enttäuscht? Nein, überhaupt nicht", sagte sie: "Ich bin stolz, dass ich mit meinem Alter die siebten Spiele absolviert habe." Es gebe Tage, an denen sich die Trainingsleistung nicht reproduzieren lasse; und weil sie mehr Rennen als jede andere deutsche Kollegin im Eisoval von Gangneung bestritt, wertete sie zumindest das als persönlichen Erfolg.

Auf Pechstein aber hatte der Verband, die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG), trotz ihres Alters gesetzt, als er das Ziel von mindestens einer Medaille in Pyeongchang verkündete, ebenso auf den Sprinter Nico Ihle und den Langstreckler Patrick Beckert, die gleichfalls bei Olympia hinter den eigenen Ansprüchen zurückblieben. Der einst so erfolgreiche Verband hat nun nach Sotschi 2014 erneut nichts Zählbares am Bande vorzuweisen, was Sportdirektor Robert Bartko gar nicht schönzureden versuchte: "Wir müssen uns im Nachgang positionieren und sagen, dass die Medaillenchancen, die wir uns erarbeitet haben, nicht funktioniert haben." Gleichzeitig verteidigte Bartko, seit vier Jahren im Amt, ein von ihm mitentwickeltes neues Gesamtkonzept, das langfristig auf die Jahre 2026 und 2030 ausgerichtet ist.

So weit, bis 2026, rechnet nicht einmal Claudia Pechstein: In Pyeongchang kündigte sie an, dass sie erst nach den nächsten Spielen, 2022 in Peking, ihren Rücktritt erklären will. "Sofern ich mich dann qualifiziere", fügte sie an. Der Massenstart mit Helm, Schnittschutz und Platz 13 soll nicht ihr letztes Rennen gewesen sein.

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