Fastenzeit:Keine Schokolade, kein Aufzug

Fastenzeit: Dorothee Löser betreibt Aufzugfasten und nutzt nur noch die Treppen. Für sie geht es auch darum, zu überdenken, was man wirklich braucht.

Dorothee Löser betreibt Aufzugfasten und nutzt nur noch die Treppen. Für sie geht es auch darum, zu überdenken, was man wirklich braucht.

(Foto: Marco Einfeldt)

Die evangelische Pfarrerin Dorothee Löser erklärt, warum Fasten für sie etwas mit Freiheit zu tun hat. In ihren Augen geht es auch darum, sich zu reflektieren, sich die Frage zu stellen: "Was mache ich und warum?"

Interview von Gudrun Regelein, Freising

Für das Christentum gilt die Zeit von Aschermittwoch bis Ostersonntag als Fastenzeit. Gefastet wird zur Buße und zur Besinnung - das war der ursprüngliche Gedanke. Heute sehen es die Kirchen nicht nur als Pflichtübung, nach der alles wie zuvor weitergeht. Die Fastenzeit sei eine Möglichkeit, aus den üblichen Gewohnheiten auszubrechen und sich bewusst mit sich und den eigentlichen Fragen des Lebens zu beschäftigen, sagt Dorothee Löser, die geschäftsführende Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Freising, im Gespräch mit der SZ Freising. "Aus evangelischer Sicht ist das Fasten kein Zwang, sondern eine Einladung."

SZ: Frau Löser, fasten Sie selber auch?

Dorothee Löser: Ja, ich versuche, in diesen Wochen keine Schokolade zu essen. Und ich mache Aufzugfasten: Wir wohnen im vierten Stock, ich vermeide jetzt bewusst das Aufzugfahren.

Ihnen ist dieses Thema sehr wichtig. Weshalb?

"Weniger ist mehr": das ist für mich das Spannende beim Fasten. Man überdenkt, was man wirklich braucht und was man weglassen kann. Es geht aber auch darum, sich zu reflektieren. Sich die Frage zu stellen: "Was mache ich und warum?"

Der ursprüngliche Sinn war aber ein anderer, oder?

Das hatte etwas mit einer asketischen Haltung und mit Läuterung zu tun. Ursprünglich diente das Fasten der spirituellen Reinigung. Sich vom Weltlichen abzukehren und das Göttliche zu suchen - sich ganz auf Gott zu konzentrieren. In der jetzigen Zeit dagegen wird das Fasten als bewusstes Leben wiederentdeckt.

Ist es deshalb für immer mehr Selbstoptimierer oder Menschen, die ein paar lästige Pfunde loswerden wollen, gerade Trend?

Ich weiß nicht, ob es immer mehr sind. Wissen Sie, es wird einem immer gesagt, "optimiere dich und du wirst glücklich". Aber das ist doch durchschaubar. Man unterwirft sich einer Kontrolle und meint, man wird damit zum glücklichen Menschen. Fasten aber hat für mich etwas mit Freiheit zu tun. Ich bin frei in meinen Entscheidungen. Ich kann mich bewusst entscheiden: Das mache ich und das lasse ich, weil ich merke, ohne eingeschliffene Gewohnheiten lebe ich freier. Ich finde, man darf Fasten nicht mit einer Diät verwechseln. Ich bin auch frei, in diesen Wochen Schokolade zu essen, wenn ich es bewusst will.

Und sind damit keine Fastenbrecherin?

Bei uns Evangelischen ist das eine freiwillige Sache. Niemand muss denken, er sei gescheitert, wenn er seinen Vorsatz bricht. Wir fasten in aller Freiheit. Es geht nicht darum, sich einem Zwang zu unterwerfen. Es geht eher darum, einen neuen Weg einzuschlagen. Ich muss es selber wollen, mir muss es wichtig sein. Ich selbst bin kein extremer Mensch - wenn es bei einem Fest mit Freunden beispielsweise zum Dessert einen Schokokuchen gibt, dann esse ich auch ein kleines Stück. Somit bin ich in aller Freiheit inkonsequent, weil ich es will.

Fasten hat eine Jahrtausende alte Tradition. Aber ist es noch zeitgemäß?

Absolut. Gerade in dieser Zeit. Alleine schon, um sich Zeit zur Reflexion zu nehmen. Sich zu hinterfragen, herauszufinden, was man als freier, selbstbestimmter Mensch wirklich will.

In der evangelischen Kirche gibt es seit einigen Jahren die Aktion "Sieben Wochen ohne": Was verbirgt sich dahinter?

Die Kampagne gibt es seit 1983 mit dem Ziel, für sich oder mit anderen zusammen zu fasten. Dabei geht es in den vergangenen Jahren weniger um das Weglassen von Konsumgütern oder von Gewohnheiten, sondern um die eigene Haltung. Darum, an seinem eigenen Verhalten zu arbeiten.

Dieses Jahr wurde das Motto "Sieben Wochen ohne Kneifen" gewählt. Wieso gerade dieses?

Ich finde das ein sehr gutes Motto. Eigentlich ist es doch ein Appell zur Mitmenschlichkeit: Nicht die Verantwortung aus der Hand zu geben, sondern zu seiner eigenen Meinung zu stehen. Wegschauen macht die Täter stark. Zivilcourage aber muss man lernen. Und das beginnt schon im Kleinen, im privaten Bereich. Dinge nicht einfach zu akzeptieren oder herunterzuschlucken, sondern zu sagen, wie es einem damit geht.

Wird die Aktion in Freising gut angenommen?

Ehrlich gesagt staune ich immer wieder, wie viele Menschen tatsächlich fasten. Teilweise auch mit einer unglaublichen Konsequenz. Das hat sich gesellschaftlich wieder etabliert. Wir haben zwar keine speziellen Fastengruppen in unserer Gemeinde, aber die Gottesdienste, die Abendstille in der Passion und die Exerzitien in der Passionszeit werden gut besucht. Sie helfen vielen, sich vor Gott zu reflektieren und sich für ein bewusstes Leben zu stärken.

Und an Ostern ist alles wieder vorbei?

Es wäre traurig, wenn es so wäre. Es ist aber gut, wenn man wieder in eine gewisse Routine zurückkehrt. Aber man sollte diese bewusster erleben. Und die nächste Fastenzeit kommt ja spätestens in einem Jahr (lacht).

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