Prozess:Tote bei Feuer in Mietshaus: Mordanklage ohne Beweise

Drei Tote bei Brand in München

Am 2. November 2016 brannte das Haus Dachauer Straße 24 (rechts). Viele Bewohner wurden gerettet, ein Vater und seine zwei Töchter starben.

(Foto: Tobias Hase/dpa)
  • Im November 2016 sind bei einem Feuer in der Maxvorstadt drei Menschen gestorben, elf wurden verletzt.
  • Der Brand war im hölzernen Treppenhaus ausgebrochen, dort soll ein Mann eine Matratze angezündet haben.
  • Der 43-Jährige muss sich nun vor dem Landgericht verantworten - voraussichtlich wird es ein reiner Indizienprozess.

Von Susi Wimmer

Dieser Prozess am Landgericht München I wird in diesem Jahr wohl am meisten Aufsehen erregen: Vom kommenden Donnerstag an verhandelt die erste große Schwurgerichtskammer gegen einen 43-Jährigen, der im November 2016 Feuer in einem großen Mietshaus an der Dachauer Straße gelegt haben soll.

Damals kamen in den Flammen ein 37-jähriger Familienvater und seine Töchter im Alter von 16 und neun Jahren ums Leben, elf Menschen wurden verletzt. Die Anklage lautet deshalb auf dreifachen Mord, schwere Brandstiftung und gefährliche Körperverletzung. Handfeste Beweise fehlen. "Es wird ein reiner Indizienprozess", sagt Rechtsanwalt Walter Lechner, der den Angeklagten vertritt.

In der Nacht auf den 2. November hatten sich an der Dachauer Straße 24 furchtbare Szenen abgespielt. Zwischen dem zweiten und dritten Obergeschoss, wo der hölzerne Teil des Treppenhauses beginnt, soll der Angeklagte, der in dem Haus wohnte, gegen zwei Uhr früh eine Matratze angezündet haben. Die Flammen breiteten sich rasch nach oben aus. Die Mieter der oberen Stockwerke saßen fest. Einige kletterten im Hinterhof über eine Notleiter nach unten, allerdings endete die Leiter acht Meter über dem Boden.

Die Feuerwehr konnte mittels einer Drehleiter die Verzweifelten retten, andere konnten über die Frontseite des Hauses in den Rettungskorb steigen. Für Sascha A. und seine beiden Töchter kamen die Retter jedoch zu spät. Die Feuerwehr fand ihre Leichen im Flur vor ihrem Appartement im Dachgeschoss. Die Mutter der beiden Mädchen befand sich zu der Zeit gerade bei ihrer Familie in Bulgarien.

Die Arbeit der Ermittler gestaltete sich in den folgenden Tagen äußerst schwierig. In dem Haus waren 97 Bewohner gemeldet, "aber einige wohnen schon gar nicht mehr da, neue Mieter sind eingezogen", so beschrieb es damals ein Polizeisprecher. Hinzu kam, dass die häufig wechselnden Mieter hauptsächlich aus Bulgarien oder Rumänien stammten und kein Deutsch sprachen. Rasch stand für die Brandfahnder allerdings fest, dass das Feuer von einer im Treppenhaus gelagerten Matratze ausgegangen war.

Der Verdächtigte verstrickte sich in Widersprüche

Im März 2017 verkündete die Polizei dann die Verhaftung eines Tatverdächtigen. Ein 42-jähriger libysch-tunesischer Mann, der seit 2009 in dem Haus lebte. Laut Polizei hatte er finanzielle Probleme, war mit der Miete im Rückstand, hatte sich oft über wechselnde Mieter und den Unrat im Treppenhaus beschwert. Er war es auch gewesen, der in der Brandnacht die Polizei gerufen hatte. Bei seiner Vernehmung habe er sich in Widersprüche verstrickt, teilten die Ermittler mit. Als Motiv führten sie Frustration an. Der Leitende Kriminaldirektor Frank Hellwig sagte damals aber auch: "Den einen schlagenden Beweis gibt es nicht."

15 Verhandlungstage sind momentan für den Prozess angesetzt, der bis Mai terminiert ist. Es werden mehrere Dutzend Zeugen aussagen, die ein Bild des Menschen zeichnen sollen, der auf der Anklagebank sitzt. Augenzeugen der Tat gibt es offenkundig nicht. "Unser Mandant bestreitet die Tat", sagt Anwalt Lechner. Er wird zusammen mit Birgit Schwerdt den 43-Jährigen vor Gericht verteidigen, dem eine lebenslange Haftstrafe droht. Für Lechner ist es beileibe nicht der erste Indizien-Prozess. Er verteidigte im Sommer 1976 einen Gräfelfinger Zahnarzt im sogenannten Begonienmord-Prozess. Der Arzt sollte seine junge Geliebte beauftragt haben, die Ehefrau aus dem Weg zu räumen. Am Ende musste er lebenslang in Haft.

Die Zustände in dem Haus an der Dachauer Straße, das Johann Hölzl aus der Bäckerei-Familie gehört, waren nach dem Brand vom "Bündnis bezahlbares Wohnen" kritisiert worden. Sie initiierte im Namen einer Mieterin eine Klage, zumal diese für zwölf Quadratmeter 550 Euro Miete bezahlt hatte. Doch das Gericht sah keinen Mietwucher, sondern "München-übliche" Preise.

Der Eigentümer hatte den Mietern zwei Tage nach dem Brand Aufhebungsverträge angeboten. "Die meisten wussten gar nicht, was sie da unterschreiben", kritisiert Maximilian Heisler vom Bündnis. Er und seine Mitstreiter verteilten im Sommer vor dem Brandhaus Brezn, um sich mit der Satire-Aktion im Namen des Hauseigentümers für Unannehmlichkeiten zu entschuldigen. Johann Hölzl war für Nachfragen nicht zu erreichen.

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