Mordprozess:"Er hatte so ein sabberndes Grinsen im Gesicht"

  • Fünf Männer stehen wegen des Mordes an einer Obdachlosen im Sommer 2015 vor dem Münchner Landgericht.
  • Nun hat der erste Angeklagte ausgesagt.
  • Die mumifizierte Leiche der Frau wurde bei Bauarbeiten 2016 in einem Sickerschacht auf dem ehemaligen Gelände des Holzkontors in Haidhausen gefunden.

Von Susi Wimmer

Am Ende sagt Przemyslaw U., dass er sein Handeln nicht mehr nachvollziehen könne. Da dürfte er in Saal B 175 vor dem Landgericht München I nicht der Einzige sein. Dann rückt U. mit seinen langen, spindeldürren Fingern immer wieder den Block vor sich zurecht und erzählt, wie sein Saufkumpan Wojciech S. mit den Worten "jetzt verreck' doch endlich" den Kopf der leblosen Irena T. an den Haaren gepackt und auf den Boden geknallt habe. Dann habe er U. den Hammer gegeben, "und ich hab ihr mit so einem peitschenden Schlag aus dem Handgelenk seitlich gegen den Kopf geschlagen".

Es ist der dritte Verhandlungstag in dem Prozess um den Mord auf dem ehemaligen Gelände des Holzkontors in Haidhausen. Zwei Obdachlose sitzen wegen Mordes auf der Anklagebank, einer wegen Körperverletzung und zwei wegen Strafvereitelung. Und zum ersten Mal sagt einer der wegen Mordes Angeklagten aus. Auf dem Abbruchgelände an der Orleans-, Ecke Rosenheimer Straße hatten sich im Sommer 2015 vier Obdachlose eingerichtet.

Auch Przemyslaw U. wohnte dort, ehe er in einem Haus für Wohnungslose an der Chiemgaustraße unterkam. Eine der Obdachlosen war Irena T., Lebensgefährtin von Wojciech S. Sie wird als herrisch und streitsüchtig beschrieben - sie war aber auch Blitzableiter für den Frust einiger Männer. Sie wurde offenbar absichtlich mit heißem Wasser verbrüht und ständig verprügelt, weshalb sie meist eine Sonnenbrille trug.

Bei einem Grillabend, vermutlich im Juli 2015, kam es wieder zu einem lautstarken Streit. "Wojciech hat sie vom Stuhl geprügelt und Tomasz W. ihr mit dem Fuß ins Gesicht getreten", sagt U. Er habe nicht eingegriffen, weil ihm das Paar mehrfach gesagt habe, er solle sich nicht einmischen. Überhaupt könne er sich kaum erinnern. Er habe sich ins Dachgeschoss des Hauses verzogen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Wojciech S. und Tomasz W. die Frau ins Haus zerrten und weiter auf sie einschlugen.

Etwa eine halbe Stunde später sei Wojciech S. nach oben gekommen und habe gesagt, Irena röchle nur noch. "Wir müssen es zu Ende bringen und ihr den Gnadenstoß versetzen", soll S. gesagt haben. Weiter erzählt U. über seinen Mit-Angeklagten: "Er hatte so ein sabberndes Grinsen im Gesicht. Es hat ihm gefallen, was er macht." Dann habe er die Arme von Irena T. gepackt und nach oben gezogen und gesagt, dass sie noch nicht tot sei. Bei Leichen wären die Arme lockerer.

Aus Mitleid zugeschlagen?

An den Hammer, mit dem er dann nach seinen Worten einmal zuschlug, kann sich Przemyslaw U. erstaunlich gut erinnern. "So ganz klein und leicht, aus Alu, wie ein Fleischklopfer, mit so einem Muster am Griff." Er habe aus Mitleid zugeschlagen, weil er es nicht mehr ausgehalten habe, sagt U. "Mitleid sieht für mich anders aus", entgegnet ihm der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann.

U. sagt weiter aus, dass er tags darauf vorgeschlagen habe, die Leiche zu vergraben. Wojciech habe sie samt dem Holzhaus verbrennen wollen. Schließlich habe man die Tote zu dritt oder viert zu einen Sickerschacht getragen und hineingeworfen, ein Holzkreuz hinterher. Es ist zu erwarten, dass auch Wojciech S. in dem Prozess sein Schweigen brechen wird. Entscheidend wird für die beiden Männer unter anderem das rechtsmedizinische Gutachten von Oliver Peschel sein, der die Leiche, die ein Jahr später bei Bauarbeiten im Sickerschacht gefunden wurde, obduziert hatte.

An diesem Verhandlungstag sagen auch mehrere Zeugen aus, sie gewähren teils erschütternde Einblicke ins Obdachlosenmilieu. Mit Simon C. wabert eine Alkoholwolke in den Gerichtssaal. Er ist ein Freund von U. und wankt zum Zeugenstuhl. Er spricht in einem merkwürdig hohen Singsang, aber es kommt kein gerader Satz aus ihm heraus. Er sucht nach Wörtern und findet sie nicht. Die Überlegung, den Mann nach einem Schluck aus seiner mitgebrachten Weinflasche zu vernehmen, verwirft das Gericht aber.

Dann erzählt die Freundin von Tomasz W., dass dieser nach dem Abend Selbstmordabsichten hatte. Auch sie ist in schlechter Verfassung und gerät bei Fragen eines Verteidigers aus der Fassung. Wenn er so weiter mache, "dann schneid' ich mir wieder die Pulsadern auf", droht sie. Und schließlich bellt Marek J. aus dem Männerwohnheim an der Chiemgaustraße, dass er ein paar Männer von der Anklagebank nur kenne, weil man "ein Stamperl" getrunken habe. Wobei in Polen zur Begrüßung eine Flasche Wodka getrunken werde, dann gehe es erst richtig los. "Diese Stamperl trinken nur die Deutschen." Der Prozess wird am 21. März fortgesetzt.

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