Kopftuch-Urteil:Rechtsreferendarinnen in Bayern dürfen im Gericht kein Kopftuch tragen

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Die muslimische Jurastudentin Aqilah S. in der Berufungsverhandlung im bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München (Foto: dpa)
  • Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München hob mit einem entsprechenden Urteil am Mittwoch eine frühere Entscheidung des Augsburger Verwaltungsgerichts auf.
  • Eine junge Rechtsreferendarin hatte gegen das Verbot geklagt und 2016 zunächst gegen den Freistaat Bayern gewonnen.
  • Das Justizministerium begründete das Verbot von Kopftüchern mit der Neutralitätspflicht der Gerichte.

Aus dem Gericht von Dunja Ramadan und Stephan Handel

Neben Richtern und Staatsanwälten ist es auch Referendaren an bayerischen Gerichten verboten, ihr Glaubensbekenntnis durch das Tragen religiöser Symbole kundzutun. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hob ein Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg auf: Eine muslimische Rechtsreferendarin hatte gegen eine Auflage geklagt, mit der ihr verboten wurde, während der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben im Referendariat ein Kopftuch zu tragen. Weil sie diese Vorgabe nicht erfüllte, wurde sie von bestimmten Tätigkeiten ausgeschlossen, zum Beispiel davon, eine Verhandlung vom Richtertisch aus zu verfolgen.

Der Freistaat hatte nach dem Ende der Ausbildung in der Justiz von Aqilah S. Ausbildung in der Justiz die Auflage wieder aufgehoben, weil sie, so die Begründung, nicht mehr erforderlich sei. Die Klägerin wollte den Bescheid dennoch nachträglich für rechtswidrig erklären lassen - und hatte in der ersten Instanz Recht bekommen:Das Verwaltungsgericht Augsburg urteilte im Juni 2016, eine solche Anordnung greife so tief in die Religionsfreiheit ein, dass dafür eine gesetzliche Grundlage erforderlich wäre. Gegen das Urteil legte der Freistaat Bayern Berufung ein.

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:Ein glaubensfreier Gerichtssaal ist eine Fiktion

Das Urteil der Richter wird dem Verhältnis zwischen individueller Glaubensfreiheit und staatlicher Pflicht zu Neutralität nicht gerecht. Es ist zumutbar, eine Frau mit Kopftuch im Gerichtssaal zu ertragen.

Kommentar von Matthias Drobinski

Der VGH hob das Augsburger Urteil am Mittwoch auf - ohne sich dabei mit der Frage zu beschäftigen, ob die Anordnung diskriminierend war. Vielmehr stützte das Gericht seine Entscheidung hauptsächlich auf einen formaljuristischen Aspekt: Nach der Aufhebung der Auflage wollte Aqilah S. festgestellt sehen, dass ihr dadurch dennoch fortwirkende Nachteile entstehen können, etwa bei künftigen Bewerbungen. Für eine solche sogenannte Fortsetzungs-Feststellungsklage hat die Rechtsprechung jedoch notwendige Kriterien entwickelt, die das Gericht nicht erfüllt sah: Die Auflage sei zwar ein Grundrechtseingriff, aber kein tiefgreifender. Das Verbot, ein Kopftuch zu tragen, enthalte außerdem kein "ethisches Unwerturteil"; die Verpflichtung zur Neutralität gelte nicht nur für Richter und Staatsanwälte, sondern auch für Referendare. Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen. (AZ: 3 BV 16.2040)

Die Klägerin und ihr Anwalt fanden das Urteil enttäuschend: "Der VGH hat die prozessuale Ausflucht gewählt", sagte Frederik von Harbou. "Im Kern ging es ja darum, dass eine Rechtsreferendarin in Bayern zwar ihre Ausbildung ,unter dem Kreuz' im Gerichtssaal absolviert, dafür aber ihr Kopftuch ablegen soll." Aqilah S. sagte, ihrer Meinung nach habe das Gericht "sich gedrückt".

Der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) nannte das Urteil in einer Pressemitteilung "erfreulich": Es werde in Bayern auch künftig keine Rechtsreferendarinnen geben, die auf der Richterbank, beim staatsanwaltlichen Sitzungsdienst oder bei sonstigen hoheitlichen Tätigkeiten ein Kopftuch tragen. "Es ist für das Vertrauen der Bürger in die Unabhängigkeit und Neutralität der Justiz unabdingbar, dass schon das äußere Erscheinungsbild nicht den geringsten Anschein von Voreingenommenheit erweckt", erklärte Bausback.

© SZ vom 8. März 2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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