Tradition in Bayern:Karteln mit dem Staatsanwalt

Kartenspieler in Kößlarn, 2017

Schafkopf gilt im Gegensatz zum Watten als Strategie- und nicht als Glücksspiel.

(Foto: Sebastian Beck/OH)
  • Gegen den Veranstalter eines Kartler-Turniers kann wegen illegalen Glücksspiels ermittelt werden.
  • Wer als Siegerprämie Geld auslobt und keine Sachpreise, kann Ärger mit den Beamten bekommen.
  • Mit Geldpreisen verstoßen private Veranstalter gegen den Paragrafen 284 des Strafgesetzbuchs.

Von Hans Kratzer

Konrad Kaser ist ein geselliger Mensch und ein leidenschaftlicher Kartenspieler. Aus Freude am Karteln organisiert er schon seit 40 Jahren Watt- und Schafkopfturniere. Bis vor Kurzem ist alles reibungslos verlaufen, jetzt aber hat Kaser ein ernsthaftes Problem am Hals. Das am vergangenen Wochenende angesetzte Watt-Turnier im Lauber Sportheim (Gemeinde Regenstauf) hat ihm eine anonyme Anzeige beschert: Kaser soll für ein illegales Glücksspiel geworben haben, weshalb gegen den bislang unbescholtenen Unternehmer ermittelt wird. Weil er ein Watt-Turnier organisiert hat, ist er nun "Beschuldigter in einem Strafverfahren".

Kaser fiel aus allen Wolken, als ihn die Polizeiinspektion Regenstauf mit der Anzeige konfrontierte. Hunderte Watt-Turniere fänden jährlich in Bayern statt, dass dabei gegen Recht und Gesetz verstoßen werde, davon habe er noch nie etwas gehört, sagt er. "Im juristischen Sinne kann das Watten dann als ein Glücksspiel bewertet werden, wenn die Spieler einen Einsatz bezahlen, der an den Sieger ausgeschüttet wird", erklärt Erich Rohrmayer, Verfasser mehrerer Bücher über Kartenspiele.

Im Gegensatz zum Schafkopfen, das als reines Strategiespiel gilt, mutiert das Watten aus zwei Gründen vom Strategie- zum Glücksspiel: Erstens werden im Gegensatz zum Schafkopfen nicht alle Karten an die Spieler ausgegeben, zum anderen könne durch die Möglichkeit des Ausschaffens geblufft werden. Ein Spieler kann seine Gegner psychologisch unter Druck setzen und somit auch mit schlechteren Karten gewinnen.

Für Kaser erwies es sich als fatal, dass er das Preis-Watten mit Plakaten beworben hatte, auf denen angekündigt war, die besten Kartler dürften 200, 100 und 50 Euro Preisgeld einstreichen. Damit verstieß er gegen den Paragrafen 284 des Strafgesetzbuchs. Kaser reagierte sofort: Er ließ die Veranstaltung noch schnell von der Gemeinde Regenstauf genehmigen und nahm seine Plakate wieder zurück. Statt der Geldpreise gab es bei dem Turnier nur noch Sachpreise, und die Teilnehmer zahlten statt eines "Einsatzes" einen "Unkostenbeitrag", womit dem Gesetz Genüge getan war. Die Anzeige gegen Kaser bleibt trotzdem bestehen.

Nach diesem Fall werden die Veranstalter von Watt-Turnieren ihre Modalitäten künftig stärker prüfen müssen als bisher. In vielen Fällen wurden Watt-Turniere bislang, selbst wenn es Geldpreise zu gewinnen gab, mehr oder weniger geduldet. Im Internet sind nach wie vor Dutzende Ankündigungen zu finden, auf denen Teilnehmer mit Geldpreisen zu Watt-Turnieren gelockt werden. Quasi nach dem Motto: wo kein Kläger, da kein Richter.

Der Bayerische Gemeindetag teilte auf Nachfrage mit, man habe sich mit diesem Problem bisher kaum auseinandersetzen müssen. Auch der Landkreistag konnte keine konkreten Angaben zu der Problematik in Regenstauf machen. Und ähnliche Fälle seien nicht gemeldet. Für Kaser steht zumindest eines fest: "Ab sofort ist das Watten ebenso genehmigungspflichtig wie ein Fest."

Sachpreise locken niemanden zu Turnieren

Manche Behörden haben den Spielern durchaus in die Karten geschaut. Erich Rohrmayer nennt einen Fall in Train (Landkreis Kelheim), wo der örtliche Fußballverein vor einigen Jahren vom Landratsamt aufgefordert wurde, "die Turnier-Modalitäten noch kurzfristig zu legalisieren". Andernfalls, so wurde den Veranstaltern angedroht, müsste "bei einer Durchführung des Turniers wie angekündigt die Mainburger Polizei anrücken".

Bis vor gut 15 Jahren gab es bei Watt-Wettbewerben in der Regel nur Sachpreise zu gewinnen. "Irgendwann aber konnte man damit niemanden mehr motivieren", sagt Kaser. "Wenn einer die sechste Bohrmaschine im Keller stehen hat, juckt ihn so ein Gewinn nicht mehr." Ein Geldpreis sei für die Teilnehmer ein weitaus höherer Anreiz. "Die Chance, einen Hunderter zu gewinnen, das zieht noch", das wissen Veranstalter wie Kaser aus Erfahrung.

"Wenn auf Geldpreise verzichtet wird, kommt der Verdacht der Illegalität erst gar nicht auf", sagt Rohrmayer. Er rät zur Vorsicht, vor allem mit Blick auf einen Satz im Online-Lexikon Wikipedia, der nach der neuesten Erfahrung so nicht stimmt: "Obwohl beim Watten nicht alle Karten ausgegeben werden, gilt es in Bayern aus traditionellen Gründen auch dann nicht als unerlaubtes Glücksspiel, wenn um Geldeinsätze gespielt wird."

Die Erlaubnis eines Watt-Turniers sei eine Einzelfallentscheidung, die regional unterschiedlich interpretiert werden könne, sagt Rohrmayer. Das Polizeipräsidium München rät, ein Turnier auf alle Fälle bei den zuständigen Behörden (Gemeinde, Landratsamt) zu beantragen. Schon deshalb, weil Verstöße gegen das Glücksspiel-Verbot generell unter Strafe stehen und das Strafmaß nicht unerheblich ist. Wer für ein öffentliches Glücksspiel wirbt, kann sich eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe einhandeln.

Wenn nicht um Einsätze gespielt wird, ist das Watten strafrechtlich nicht relevant. Wird also an den Veranstalter ein Betrag gezahlt, der nur dem Erwerb der Spielberechtigung und der Abdeckung von Unkosten dient, liegt kein direkter Spieleinsatz vor. Eine solche einmalige Zahlung wird als Startgeld aufgefasst, das über 15 Euro nicht hinausgehen sollte. Rohrmayer rät künftigen Veranstaltern: "Setzen Sie keine Geldpreise aus und werben Sie nicht damit. Beschränken Sie sich auf Sachpreise. Vermeiden Sie es, einen Teil des Startgeldes als Gewinn auszuschütten."

Kaser will das künftig beherzigen. "Man kann es weiterhin wie bisher probieren und schauen, ob jemand reagiert. Ich riskiere es aber nicht mehr." Man kann auch aufs Schafkopfen ausweichen. Das ist zwar komplexer und stressiger als das Watten, aber es droht strafrechtlich weniger Gefahr.

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