Weiße Rose:Impulse gegen die Gleichgültigkeit

Die Mitglieder der Widerstandsbewegung "Weiße Rose" haben ihre Auflehnung gegen die NS-Diktatur mit dem Leben bezahlt. In der heutigen Zeit wäre oft lediglich Zivilcourage gefragt, meinen Leser. Wie kann man diese fördern?

Weiße Rose: „Schutz vor Willkür“: Kunstaktion an der LMU München zum Gedenken an die Weiße Rose.

„Schutz vor Willkür“: Kunstaktion an der LMU München zum Gedenken an die Weiße Rose.

(Foto: Catherina Hess)

"Vom Widerstand" vom 22. Februar:

Zivilcourage in der Demokratie

Heribert Prantls Kommentar nimmt den 75. Jahrestag der Zum-Tode-Verurteilung der Weiße-Rose-Mitglieder zum Anlass, deren Mut zu würdigen. Vor ebenfalls 75 Jahren ging "die Schlacht um Stalingrad" für die deutsche Wehrmacht verloren. Die nationalsozialistische Führung hat versucht, diese Niederlage auf ideologischer Ebene (Sportpalastrede: Wollt ihr den totalen Krieg?) und juristischer Ebene (Schauprozesse, Todesurteile) zu kompensieren.

Es ist immer wieder notwendig, diese Ereignisse vor 75 Jahren zum Anlass zu nehmen, innezuhalten und den leider viel zu geringen Widerstand gegen das NS-Regime zu würdigen. Konsequenterweise ruft der Autor mit Bezug auf Art. 1 und 20 IV des Grundgesetzes zum "kleinen Widerstand" auf - eine Schlussfolgerung, die leider noch weit davon entfernt ist, unter Juristen herrschende Meinung zu werden. In heutigen Zeiten sollten wir besser nicht von Widerstand - sei er auch noch so klein -, sondern von Zivilcourage sprechen. Zivilcourage ist auch in einer Demokratie nötig.

Aber wie kann der "Mantel der Gleichgültigkeit" abgelegt werden? Den Mantel wie an der Garderobe abzugeben, wird nicht gelingen. Wir wissen heute sehr genau, wie schwer Verhaltensänderungen im Allgemeinen und das Überwinden von Gleichgültigkeit im Besonderen zu erreichen sind. Gleichwohl ist das Überwinden der Gleichgültigkeit besonders wichtig für die nachfolgenden Generationen, das heißt diejenigen, die keine direkten Berührungspunkte mit dem Nationalsozialismus und der Geschichte des Widerstands haben. Hier ist der wohl wesentlichste Ansatzpunkt die Schule und dort der Geschichtsunterricht. Der Sachunterricht allerdings muss ergänzt werden durch etwas, was sensibilisiert und bereichert; durch Impulse, die der vorgegebenen Realität etwas hinzufügen: die fiktionale Welt des Romans.

Wir haben über Jahrzehnte im Unterricht an der Schule und der Universität positive Erfahrungen gemacht mit einem Unterrichtskonzept das heißt: "Anpassung oder Widerstand? Ein Arbeitsbuch am Beispiel von B. Traven 'Die weiße Rose'". B. Travens Roman "Die weiße Rose" hatten auch die Geschwister Scholl gelesen und waren von dieser Geschichte so beeindruckt, dass sie ihre Widerstandsgruppe nach eben diesem Romantitel benannt haben. Werner Glenewinkel, Werther

Lebensweise in Frage stellen

In oben genanntem Leitartikel wurde ein Bezug des Widerstands der Bewegung "Weiße Rose" zur Gegenwart hergestellt, was bei Erstarken nationalistischer und populistischer Strömungen auch mehr als angemessen ist. Ich frage mich jedoch manchmal, was wohl die Mitglieder der Weißen Rose zu unserer heutigen Lebensweise sagen würden. Ist nicht auch Widerstand notwendig dagegen, dass wir unsere natürlichen Lebensgrundlagen ruinieren? Gegen die Ausbeutung von Rohstoffen in Ländern, wo oft Kinder sie aus den Böden kratzen und deren Bewohner wir dann als Flüchtlinge hier nicht sehen wollen? Gegen Konsum und digitale Überwachung? Gegen die Dominanz des Autos in Gesellschaft, Verkehr und Wirtschaft? Letztlich also gegen die Diktatur des Geldes? Es gibt heute nicht den Diktator, gegen den zu demonstrieren wäre. Vielmehr müssten wir uns selbst in Frage stellen, die wir es immer einfacher, bequemer und billiger haben wollen. Es ist großer Widerstand notwendig, aber in ganz anderer Weise als vor 75 Jahren. Dr. Andreas Meißner, München

Hinweis

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