OEZ-Anschlag:Wie Ermittler den mutmaßlichen Betreiber des Darknet-Forums festnahmen

Darknet

Die Anonymität im Darknet schützt Whistleblower und Dissidenten - aber auch Kriminelle.

(Foto: Manuel kostrzynski)

"Lucky" war Administrator der Plattform, über die der Münchner Täter seine Waffe kaufte. Nach jahrelanger Suche schlugen die Fahnder zu - mit einem Rammbock.

Von Ronen Steinke und Hakan Tanriverdi

Vor 25 Jahren zeichnete Peter Steiner zwei Hunde, die vor einem Computer sitzen. Darunter schrieb er: "Im Internet weiß niemand, dass du ein Hund bist." Heute ist der Cartoon weltberühmt - und noch immer können technisch versierte Nutzer ihre Identität im Internet verschleiern. Das hilft nicht nur Hunden, sondern auch Kriminellen.

Ermittlern fällt es immer schwerer, Verdächtige zu überwachen und Tätern auf die Spur zu kommen. Smartphones verschlüsseln den Speicher, Rechner die Festplatte, und Messenger wie Whatsapp gewähren Dritten keinen Zugriff auf die Nachrichten. Die Verschlüsselung ist technisch meist so sauber umgesetzt, dass Fahnder nicht mitlesen können.

Also müssen sie kreativ werden. So war es auch im Fall von "Lucky". Der Informatikstudent Alexander U. hat mutmaßlich eine der größten Plattformen im Darknet betrieben: "Deutschland im Deep Web". Das Forum war ein Umschlagplatz für Drogen und Waffen. Auch die Pistole, die beim rechtsgerichteten Amoklauf in München zum Einsatz kam, wurde über dieses Forum erworben.

Menschen machen Fehler, Geduld zahlt sich aus

Lucky ist ein technisch begabter IT-Experte, der auf seiner eigenen Plattform Anoymität anbot und das Ausspähen der Plattform verhinderte. Denn Server, die im Darknet stehen, geben ihre Adresse nicht preis. Weder Behörden noch die Betreiber der Internetanschlüsse können die Spuren im Darknet verfolgen.

Doch die Ermittler bleiben an Lucky dran. Sie lesen mit, wenn er sich im Forum zu Wort meldet. Sie vertrauen darauf, dass sich für sie eine Gelegenheit ergeben wird. Menschen machen Fehler, Geduld zahlt sich aus.

Wenn Verdächtige mit verschlüsselten Chat-Apps kommunizieren, lassen sich Beamte das entsperrte Smartphone unter einem Vorwand aushändigen - zum Beispiel am Flughafen - und stellen Whatsapp so ein, dass fortan auch die Ermittler mitlesen können, über einen Web-Browser.

Rohe Gewalt und psychologische List

Schließlich finden die Ermittler einen Weg, um Lucky zu knacken. Es ist eine Mischung aus roher Gewalt und psychologischer List. Die Fahnder wissen: Wenn sie Lucky festnehmen, muss der Laptop aufgeklappt bleiben. Sonst hätten sie keinen Zugriff auf die Daten und könnten die Beweise nicht sichern.

Mit einem Rammbock positionieren sich die Einsatzkräfte vor seiner Tür. Gleichzeitig versuchen sie, Lucky weiszumachen, dass seine Plattform technische Schwächen aufweise - ein Affront für den Mann, dessen IT-Kenntnisse selbst Ermittler bewundern. Lucky beißt an und sitzt wie gebannt vor seinem Laptop. Dann kracht der Rammbock in die Tür.

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