Front National in Frankreich:Neuer Name, alte Gesinnung

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Marine Le Pen applaudiert Steve Bannon nach dessen Rede beim Parteitag des Front National. (Foto: Philippe Huguen/AFP)

Marine Le Pen benennt ihre Partei um und will so weniger aggressiv wirken. Doch die fremdenfeindlichen Ideologie bleibt.

Von Nadia Pantel, Lille

Die Frau, die verkündet, dass alles anders wird, ist altbekannt. "Ich werde jetzt nicht überrascht tun", sagt Marine Le Pen, als sie am Sonntagvormittag auf dem 16. Parteitag des Front National erneut zur Vorsitzenden gewählt wird. Fünf Stunden später ist Le Pen dann nicht mehr Vorsitzende des FN, sondern des "Rassemblement National" (RN), auf deutsch etwa nationaler Zusammenschluss. Die Enthüllung des neuen Namens ist der Höhepunkt der einstündigen Grundsatzrede, die Le Pen vor 1500 Parteimitgliedern in einem Kongresszentrum im nordfranzösischen Lille hält. Es gebe nur zwei Möglichkeiten, der heutigen Welt zu begegnen. Entweder man ergebe sich "den großen totalitären Bewegungen unserer Zeit, dem Islamismus und der Globalisierung". Oder man schließe sich Le Pen an. Globalisierung sei gleichzusetzen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, mit Heimatlosigkeit und Entwurzelung, mit Terror und Tod. Macrons Partei "La République en Marche" nennt Le Pen nur "die Nomaden". Die Anwesenden hingegen stünden für die "Verteidigung der Zivilisation". Dieser Botschaft solle nun der neue Parteiname Rechnung tragen. Er soll ein "Aufruf an diejenigen werden, die sich uns anschließen wollen".

Die Reaktion der Frontisten? Verhalten. Kein Jubel, kein Skandieren. Einige greifen halbherzig zu den bereitliegenden Frankreich-Fahnen. Der Name stehe nun zur Abstimmung, betont Le Pen. Allerdings gab es in der Geschichte noch nie etwas, was ein oder eine Le Pen zur Abstimmung gestellt hätte, was nicht angenommen wurde. Außer dem Parteinamen sind auch die Namen der internen Institutionen neu. Das Zentralkomitee heißt jetzt Nationalkomitee, das Zentralbüro heißt Nationalbüro. An der hierarchischen, zentralistischen Struktur der Partei ändert das nichts. Einer Altlast haben sich die Rechtsradikalen jedoch tatsächlich entledigt. Der antisemitische Front-Gründer Jean Marie Le Pen ist nicht mehr Ehrenvorsitzender.

Was den Rassemblement National nun inhaltlich genau vom Front National unterscheidet, wird sich die Partei erst noch ausdenken müssen. Das Ziel der neuen, alten Rechten ist hingegen klar: Der RN will Frankreich regieren. Die 100 neugewählten Mitglieder des Nationalkomitees werden als "Machthaber von morgen" vorgestellt.

Vielen Alt-Mitgliedern missfällt, dass Le Pen ihren Nationalismus sozialistisch auflädt

In ihrer Präsidentschaftskampagne war Marine Le Pen als Fundamentalistin der schlechten Laune aufgetreten. In ihrer Weltsicht wird Frankreich massiv angegriffen - von Einwanderern, die dem Land Kultur, Sicherheit und Reichtum nehmen wollten, und von der Europäischen Union, die die französische Nation abschaffen wolle. Von dieser Ideologie dürfte Le Pen kaum abrücken. Was sich verändern könnte, ist die Art und Weise, in der sie ihre Botschaft zu vermitteln versucht. Die französische Presse misst regelmäßig, wie aggressiv Le Pen auftritt. Im Wahlkampf lag das Aggressionsbarometer im unteren Bereich. "Marine", wie sie ihre Anhänger nennen, gab sich als kümmernde Landesmutter, die ihr Programm um großzügige sozialpolitische Geschenke erweiterte. Im TV-Duell mit dem heutigen Präsidenten Macron schnellte das Barometer dann massiv nach oben. Le Pen keifte und höhnte, ohne sich um Argumente oder Fakten zu scheren.

Viele in der Partei nehmen ihr diesen planlos-unpräsidialen Auftritt bis heute übel. Ihr ehemals engster Berater Florian Philippot hat Le Pen die Treue gekündigt und seine eigene Bewegung gegründet: "Die Patrioten". Viele deuten das als bevorstehende Radikalisierung der Partei. Schließlich hatte der Elite-Hochschulabsolvent Philippot versucht, den Frontisten Vulgarität und Beißreflexe abzutrainieren. Doch auch der rechte Rand der Rechtsradikalen ist am Zerfleddern. Vielen Alt-Mitgliedern missfällt, dass Marine Le Pen ihren Nationalismus sozialistisch auflädt. Sie würden lieber eine andere Le Pen an der Parteispitze sehen: Marion Maréchal-Le Pen. Doch die 28-jährige Hardlinerin zog sich vergangenen Sommer aus der Tagespolitik zurück. Nach eigenen Angaben ist sie aktuell dabei, eine Hochschule für rechte Kader zu gründen, für eine anti-elitär argumentierende Elite.

Wie geht es also nun weiter, ohne die Jungstars? Der RN soll weniger nach Totalopposition klingen, als es die nationale Front tat. Dieses leichte Ankuscheln an die gesellschaftliche Mitte wirkte auf dem Parteitag jedoch wenig entschieden. Denn als Ehrengast hatte Le Pen den amerikanischen Ultrarechten und Ex-Trump-Berater Steve Bannon eingeladen. "Wenn man euch Rassisten nennt, dann tragt das wie ein Ehrenabzeichnen", rief der Amerikaner den begeisterten Franzosen zu. Der Auftritt von Bannon machte deutlich, dass es bei der Neuausrichtung vor allen Dingen um Macht geht, nicht um thematische Debatten. Von Bannon wollen Frankreichs Rechtsradikale siegen lernen.

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Eine leichte inhaltliche Neuausrichtung kann man dennoch spüren. Le Pen inszeniert sich als Feministin. Als das neugewählte Nationalkomitee die Bühne des Kongresszentrums betritt, sagt Le Pen als Erstes: "Ich sehe viele Frauen, das freut mich sehr." Für das Abschlussfoto des Parteitags wird zunächst das weibliche Viertel der Gewählten auf der Bühne platziert. Die Männer müssen dann die verbliebenen Lücken füllen, so sind zwischen den dunkelblauen Anzügen gleichmäßig bunte Kostümjäckchen verteilt. Le Pens Feminismus funktioniert nach demselben Prinzip wie ihre Solidarität mit Arbeitslosen und Geringverdienern: Benachteiligt dürfen sich nur Franzosen fühlen, vorzugsweise weiße, katholische Franzosen. Rechte Feministinnen wie Le Pen sehen nicht die Gleichstellung von Mann und Frau als ihre Hauptaufgabe, sondern das Verteidigen der französischen Frau vor Einwanderern. Insofern bestätigt diese neue Begeisterung für Frauen in der Partei nur die alte Linie. An den Problemen, die Frankreich heute hat, sind im Zweifel Muslime, Ausländer und die EU schuld.

© SZ vom 12.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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