Kunstreihe:Münchner Geschichte(n)

Kunstreihe: Wo heute die Fachbibliothek Englischer Garten ist, war früher der US-Propagandasender Radio Free Europe.

Wo heute die Fachbibliothek Englischer Garten ist, war früher der US-Propagandasender Radio Free Europe.

(Foto: pam)

Die Kunstreihe "Public Art Munich" setzt auf Performance und Intervention.

Von Jürgen Moises

Als "Game Changer" bezeichnet man in der Wirtschaft Dinge, Personen oder Unternehmen, welche die Weise ändern, wie wir etwas herstellen, denken oder tun. Zum Beispiel werden etwa Amazon-Gründer Jeff Bezos oder der iPod gerne als "Game Changer" genannt. Beim auf insgesamt drei Monate angesetzten, gleichnamigen Kunstprojekt, das Joanna Warsza auf Einladung des Kulturreferats in München kuratiert, wird der Begriff nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch und allgemeingesellschaftlich verstanden. Und während man an den Märkten vor allem auf weltweite aktuelle und mögliche zukünftige "Game Changer" hofft und blickt, richtet die am 30. April startende Kunstreihe ihr Augenmerk fast ausschließlich auf München und seine unmittelbare oder weiterreichende Vergangenheit.

So stellten jedenfalls Kulturreferent Hans-Georg Küppers und Joanna Warsza bei der Pressekonferenz im Neuen Rathaus das Projekt dar. Und weil es um "kurze Momente, die Geschichte machten", gehen soll, hat sich die in Warschau geborene und Berlin lebende Kuratorin für Performance und Intervention als maßgebliche Kunstformen entschieden. Denn auch diese sind ereignishaft und spielen sich meist im öffentlichen Raum ab.

Mehr als 20 internationale Künstler hat Warsza, die zuvor unter anderem den Georgischen Pavillon auf der Biennale von Venedig 2013 kuratiert hat, eingeladen. Davon stammen viele aus München, andere wie Alexandra Prici, Massimo Furlan oder Olaf Nicolai aus Bukarest, Lausanne oder Berlin. Sie alle setzen sich mit "Game Changers" aus München auseinander, zu denen die Veranstalter Dinge wie die Bayerische Räterepublik, die Entnazifizierung, die 68er-Bewegung oder das Wendejahr 1989 zählen.

So zeigt etwa Aleksandra Wasilkowska am Eröffnungsnachmittag am 30. April in der Ost-West-Friedenskirche eine Arbeit zu Ehren von "Väterchen Timofei". Und Anna McCarthy und Gabi Blum aus München werden danach ihre "Parade of the W(e/a)k" von dort zum Olympiastadion führen, wo am selben Abend die feierliche Eröffnung von "Game Changers" stattfindet. Und zwar in Form von Massimo Furlans Reenactment des Fußball-Länderspiels DDR-BRD von 1974, bei dem Massimo Furlan und der Schauspieler Franz Beil die Fußballer Sepp Maier und Jürgen Sparwasser darstellen.

Danach folgt dann ein mehrwöchiges Programm mit Aktionen an verschiedensten Orten in der Stadt. Etwa im Amerikahaus, wo Michaela Melián 24 Stunden lang dort im Keller gefundene Schallplatten mit "Entnazifizierungs-Musik" spielt. Oder auf dem Schwere-Reiter-Gelände, wo sich Rudolf Herz und Julia Wahren mit dem verschollenen Stummfilm "Desperados" auseinandersetzen, der zur Zeit der Räterepublik entstanden ist.

Oder in der LMU-Fachbibliothek im Englischen Garten, in der sich bis Mitte der Neunzigerjahre der US-Propagandasender Radio Free Europe befand, was Lawrence Abu Hamdan mit einer akustischen Intervention aufgreift. Solche Aktionen, die vergessene Orte oder Artefakte aus der Geschichte aufgreifen, dürften zu den spannendsten der Reihe gehören, die neben dem laufenden Faust-Festival zu den künstlerischen Großereignissen des Jahres zählt und von der Stadt mit 1,1 Millionen Euro gefördert wird.

Das Programm findet sich unter der Website pam2018.de, während des Festivals kann man sich außerdem am PAM-Pavillon auf dem Viktualienmarkt informieren. Zudem wird Joanna Warsza am 20. März in den Kammerspielen mit dem Kurator Kaspar König noch einmal öffentlich über ihre "Game Changers" sprechen.

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