Neuer bayerischer Ministerpräsident:Söder nach seiner Wahl: "Ich bin etwas ergriffen"

Markus Söder wird mit 99 von 169 Stimmen zum bayerischen Ministerpräsidenten gewählt. Horst Seehofer ist der erste Gratulant im Landtag.

Aus dem Landtag von Isabel Bernstein

Bevor es ernst wird, muss Markus Söder noch einmal an die frische Luft. Muss er vielleicht wirklich. Aber Söder wäre nicht Söder, wenn er das nicht zu inszenieren wüsste. Er weiß, dass die Journalisten und Fotografen ihm an diesem Freitagvormittag überallhin folgen werden. Und so entstehen die Bilder, die Söder haben will: Söder nachdenklich auf dem Balkon stehend, mit Blick auf München, Söder innehaltend kurz vor der Plenarsitzung im Bayerischen Landtag, die ihn zwei Stunden später mit 99 von 169 Stimmen zum Ministerpräsidenten von Bayern machen soll.

Im Innenhof tritt zur gleichen Zeit Horst Seehofer vor die Presse. In knapp einer halben Stunde beginnt die Sitzung, die seine zehnjährige Amtszeit als Landesvater beenden wird. Eine der spannenden Fragen vor diesem Tag war, ob der Noch-Ministerpräsident und neue Bundesinnenminister zur Wahl seines Nachfolger kommen würde - nach all den Monaten des erbittert geführten Streits. Im Grunde verbindet die zwei CSU-Alphatiere eine über Jahre gewachsene Feindschaft, die spätestens auf der Weihnachtsfeier 2012 endgültig öffentlich wurde: Da bezeichnete Seehofer Söder als "vom Ehrgeiz zerfressen" und attestierte ihm "charakterliche Schwächen".

Seehofer findet, der Streit sei nun "ausreichend beleuchtet" worden. Ihm sei wichtig gewesen, zur Wahl zu kommen, "weil daraus sonst Bewertungen hätten geschlossen werden können". Seit klar ist, dass Söder und Seehofer die CSU als Doppelspitze führen sollen, bemühen sich die zwei Politiker demonstrativ um Harmonie. Der scheidende Ministerpräsident gibt sich zum Abschied versöhnlich: "Es war eine wunderschöne, eine spannende Zeit, das wünsche ich Markus Söder auch." Wird er dem 51-jährigen Franken seine Stimme geben? Seehofer grinst. Er sei noch nie gefragt worden, wie er gewählt hat. Erneute Nachfrage: Wird er Söder wählen? "Das Wahlgeheimnis breche ich auch heute nicht", sagt er und geht los Richtung Plenarsaal.

Dort steht Söder bereits in der ersten Reihe, schüttelt Hände, redet mit dem CSU-Fraktionsvorsitzendem Thomas Kreuzer. Es ist kurz vor zehn Uhr, langsam füllt sich der Plenarsaal. Horst Seehofer nimmt nicht direkt neben Söder Platz, Kreuzer sitzt zwischen den zwei Politikern. Die Plätze auf der Besuchertribüne sind inzwischen fast alle besetzt. Auch die früheren Ministerpräsidenten Günther Beckstein und Edmund Stoiber sind gekommen.

Natascha Kohnen: "Wir brauchen kein kraftmeierisches Auftreten"

Söder muss sich gedulden: Bevor es zur Wahl geht, steht eine einstündige Aussprache im Landtag an. Und erst einmal gehört die große Bühne Horst Seehofer. Als Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) dem jetzigen Bundesinnenminister für seine "äußert verdienstvolle Arbeit" dankt, gibt es minutenlangen Applaus. Seehofer steht auf, winkt den Abgeordneten zu, setzt sich wieder hin, dann erheben sich die Abgeordneten. "Er kann zu Recht stolz sein auf das große Werk, das er für Bayern geleistet hat", sagt Kreuzer und fügt hinzu: "Sein politisches Erbe wird Bestand haben."

Markus Söder soll der Mann sein, der diese Arbeit weiterführt. Dafür sei der Franke "hervorragend geeignet", findet Kreuzer. Söder war Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, für Umwelt und Gesundheit, und zuletzt leitete er das Finanz- und Heimatministerium. Für die Opposition reicht das nicht aus, um auch ein guter Landesvater zu sein. Auch wenn der Freistaat gut dastehe, sei das kein Grund, gegenüber den anderen Bundesländern arrogant aufzutreten, sagt etwa SPD-Chefin Natascha Kohnen: "Wir brauchen kein kraftmeierisches Auftreten." Dass Söder dafür der Richtige ist, bezweifelt sie. Auch Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen, greift Söder direkt an: "Fakten verfälschen und verdrehen - das ist Ihre Art, Politik zu machen." Hubert Aiwanger fordert "ein Denken in Inhalten, nicht in Köpfen". Und die fraktionslose Claudia Stamm gibt Söder eine Warnung mit auf den Weg: "Seien Sie vorsichtig, wenn Sie sich auf den Stuhl dieses Amtes setzen, an dem Sie jahrelang gesägt haben."

11.12 Uhr. Der letzte Redner hat gesprochen, und Barbara Stamm beginnt, die Wahlprozedur zu erklären. Söder hört da schon gar nicht mehr zu. Er hat längst sein Kreuz gemacht, den Zettel gefaltet. Auch Seehofer trifft schnell seine Wahl und lässt seinen Stimmzettel fast schon demonstrativ lange offen vor sich liegen. Als Stamm das Startsignal gibt, springt Söder auf und gibt seinen Zettel an der Wahlurne ab. Dann dreht er sich um, verschränkt die Arme und blickt mit zufriedenem Lächeln in den Plenarsaal. Er weiß, heute wird nichts schiefgehen. Es gibt keinen Gegenkandidaten, und auch seine Fraktion ist mit Ausnahme von zwei kranken Abgeordneten in voller Stärke erschienen. Söder genießt den Moment, schaut zu, wie die ersten Abgeordneten ihre Stimmzettel abgeben, und setzt sich auf seinen Sessel.

Dann beginnt das Warten. 20 Minuten sind für die Stimmauszählung angesetzt. Söder sitzt die meiste Zeit für sich, blickt angespannt, spielt mit der kleinen Mappe, in der sich der Stimmzettel befunden hat, wippt nervös mit dem rechten Bein. Nur einmal unterhält er sich kurz mit Horst Seehofer, die zwei schütteln sich die Hand.

Söder: "Zehn Jahre Horst Seehofer waren gute Jahre für Bayern"

11.35 Uhr. Der Moment ist gekommen. 99 Ja-Stimmen, 64 Nein-Stimmen, vier Enthaltungen und zwei ungültige Zettel. Söder ist Ministerpräsident. Er ballt die Fäuste, steht auf, winkt den CSU-Abgeordneten zu, zwinkert mit den Augen, Daumen hoch, er ist an seinem Ziel. Die gesamte CSU-Fraktion springt auf und applaudiert. Der Erste, der Söder gratuliert, ist Horst Seehofer. Aus seiner Wahl hat er ein Geheimnis gemacht, aber 99 Stimmen, das umfasst die gesamte CSU-Fraktion an diesem Freitag, inklusive Seehofer.

"Was für ein Tag", sagt Söder, als er nach seiner Vereidigung seine erste Rede als neuer bayerischer Ministerpräsident hält. Er gebe zu, er sei "etwas ergriffen". Er dankt seinem Vorgänger, "zehn Jahre Horst Seehofer waren gute Jahre für Bayern". In seiner kurzen Ansprache spricht Söder mit der Digitalisierung, Einwanderungspolitik und der Pflege nur kurz die drei Themenfelder an, auf die er sich in seiner Amtszeit konzentrieren möchte. Ein "Bavaria first" solle es unter ihm nicht geben. Eine Spitze gegen seinen Vorgänger, der vergangenes Jahr die Losung "Bayern zuerst" ausgegeben hatte.

Am Montag wird Horst Seehofer nochmals nach München kommen und Söder in der Staatskanzlei die Amtsgeschäfte übergeben. Und Söder? Er wolle nach der Wahl jetzt erst einmal kräftig durchatmen, sagt er. Wo der Balkon ist, weiß er ja.

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