Eisschnelllauf:Die tiefe Krise im deutschen Eisschnelllauf

Patrick Beckert

Patrick Beckert wurde Siebter in Pyeongchang - und erreichte damit die beste Platzierung der deutschen Eisschnellläufer.

(Foto: dpa)
  • Im deutschen Eisschnelllauf fehlt es nach den enttäuschenden Winterspielen an sportlichem Führungspersonal.
  • Der deutsche Verband und Sportdirektor Robert Bartko haben sich getrennt - nun zieht sich auch Eisschnelllauf-Bundestrainer Jan van Veen zurück.
  • Die Flaute, davon war das Duo Bartko und van Veen überzeugt, werde noch lange anhalten.

Von Barbara Klimke

Vom Weltcup-Finale in Minsk schickte Bundestrainer Jan van Veen eine E-Mail an seinen Arbeitgeber. Dann erklärte er den Medien am Ort, dass er langfristig keine Möglichkeit sehe, die deutschen Eisschnellläufer international wettbewerbsfähig zu trimmen. Schließlich verabschiedete er sich von seinem Frauen-Team. Das vergangene Wochenende hat noch einmal verdeutlicht, was die Athleten zuletzt meinten, wenn sie die miserable Kommunikation im Verband beklagten. "Der Bundestrainer hat uns alle überrascht", sagte Hubert Graf, Vizepräsident der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG), am Montag: "Wir waren an einer Verlängerung seines Vertrags interessiert, mit seinem Rückzug ist er uns nun zuvorgekommen."

Vor zwei Jahren erst hatte Jan van Veen die Arbeit bei der DESG auf Vermittlung des Sportdirektors Robert Bartko aufgenommen. Präsidiumsmitglied Graf kann nur vermuten, dass der Weggang des niederländischen Experten nun als Reaktion auf die Trennung des Verbands von Bartko zu verstehen ist. Bartkos Abschied war nach den für die DESG enttäuschenden Olympischen Winterspielen offenbar seit einiger Zeit beschlossene Sache. Erst am Sonntagabend aber hat Präsidentin Stefanie Teeuwen diesen Schritt, der auf eigenen Wunsch des Sportdirektors erfolgt sei, in einer Presseerklärung bekannt gemacht. Zugleich wurde deutlich, dass der frühere Radrennfahrer Bartko zum Monatsende ausscheidet und für eine Übergangsfrist nicht mehr zur Verfügung steht.

Die Kooperation mit den Athleten muss neu geordnet werden

Kein Bundestrainer, kein Sportdirektor, kaum Erfolge: In ihrer größten sportlichen Krise steht die Eisschnelllauf-Gemeinschaft nun ohne sportliches Führungspersonal da. Verschärft wird die Lage dadurch, dass auch der Sparte Shorttrack seit Monaten ein Bundestrainer fehlt. Jahrzehntelang verwöhnt durch die Erfolge von Ausnahme-Athletinnen wie Gunda Niemann oder Anni Friesinger, habe der Verband die Nachwuchsförderung schleifen lassen, hatte Bartko noch in Pyeongchang erklärt. In Südkorea erlebte die DESG bereits zum zweiten Mal nach Sotschi 2014 medaillenlose Spiele. Die beste Platzierung erreichte der Erfurter Langstreckler Patrick Beckert, 27, als Siebter über 10 000 Meter. Die Flaute, davon war das Duo Bartko und van Veen überzeugt, werde noch lange anhalten, bis 2030: Auf diesen Zeitraum waren ihre langfristigen Verbandskonzepte ausgelegt.

Die DESG aber muss jetzt schnell handeln: eine "Mordsherausforderung", wie Vizepräsident Graf sagt. Zum einen ist nach Kandidaten für die vakanten Posten zu fahnden. Zudem erwartet der Dachverband DOSB für die Fördermittelvergabe Angaben zum Potenzialanalyse-System "PotAS": 151 Fragen sind laut Graf bis Mai zu beantworten; eventuell werde das Präsidium um eine Fristverlängerung bitten müssen. Die finanziellen Möglichkeiten sind ohnehin nicht besser geworden, seit kürzlich bekannt wurde, dass der Hauptsponsor sein Engagement überdenkt.

Auch bedarf die Zusammenarbeit mit den Athleten einer neuen Struktur. Zuletzt gab es eine Art duales System in der DESG, den vom Bundestrainer betreuten Sportlern standen private Teams gegenüber: Die drei besten Eisschnellläufer - Claudia Pechstein, Nico Ihle und Patrick Beckert - verließen sich lieber auf ihre eigenen Strukturen. Ganz so desolat wie vom scheidenden Bundestrainer beschrieben, bewerte er die Lage nicht, sagte Graf: "Vor vier Monaten hat er die Chancen des Teams noch gelobt, nun sieht er angeblich keine Zukunft mehr." Offenbar war auch das ein Verständigungsproblem.

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