Banken:Französisch für die Hochfinanz

Societe Generale Headquarters and France's Central Bank

Fußgänger im Pariser Bankenviertel La Défense.

(Foto: Balint Porneczi/Bloomberg)

Während Deutschlands Großbanken darben, sind die Kassen der Pariser Geldhäuser voll. Institute wie BNP Paribas kaufen in Europa zu - und sichern sich so die Dominanz auf dem Kontinent.

Von Leo Klimm und Meike Schreiber, Paris/Frankfurt

Manchmal sind Umwege die besseren und schnelleren Wege ans Ziel. So mögen das die Lenker der großen französischen Banken sehen. Vor ein paar Monaten noch räsonierten Manager finanzmächtiger Häuser wie BNP Paribas und Crédit Agricole öffentlich über den ganz großen Coup: den Kauf der Frankfurter Commerzbank. Doch diese - auch politisch brisanten - Pläne mussten Pläne bleiben, bisher jedenfalls.

Nun greift die französische Finanzindustrie eben über einen Umweg an. Reihenweise übernehmen Pariser Geldhäuser derzeit in ganz Europa kleine und mittelgroße Finanzaktivitäten. Kaufen hier eine Sparte hinzu - zum Beispiel von der Commerzbank. Oder übernehmen dort einen strategischen Anteil - etwa an der Vermögensverwaltung der Deutschen Bank DWS, die in Kürze an die Börse geht. Das Ziel jedoch ist unverändert: Die Franzosen sichern sich die Dominanz über die kontinentaleuropäische Finanzwirtschaft. Und sie haben dieses Ziel bald erreicht.

Dabei profitieren sie von der Schwäche ihrer deutschen Rivalen. Deutsche Bank und Commerzbank stecken seit Jahren im Umbau, an Zukäufe ist kaum zu denken. Die Deutsche Bank schrieb 2017 das dritte Jahr in Folge Verlust, die Commerzbank konnte nur ein eher mickriges Jahresergebnis von 160 Millionen Euro vorweisen. In Frankreich dagegen verdiente keine der fünf größten Banken des Landes netto weniger als zwei Milliarden Euro. BNP Paribas kam sogar auf 7,8 Milliarden Euro. Die Pariser Institute gehören damit zu den profitabelsten Instituten der Eurozone. An der Börse ist BNP, die größte Bank des Währungsraums, mit 78 Milliarden Euro schon drei Mal mehr wert als die Deutsche Bank.

Das französisch-deutsche Ungleichgewicht hat einerseits strukturelle Ursachen. Während die französischen Großbanken ihren eigenen Heimatmarkt beherrschen, kommen hierzulande Deutsche Bank, Commerzbank und Hypo-Vereinsbank nur auf 15 Prozent Marktanteil, weil Volksbanken und Sparkassen stark sind. Zum anderen kommen die französischen Geldhäuser besser mit den seit Jahren schwierigen Bedingungen an den Finanzmärkten zurecht: "Die Einnahmen der französischen Banken sind die am besten diversifizierten in der ganzen Euro-Zone", schreiben die Branchenexperten der Ratingagentur Moodys in einer Studie. Einnahmen etwa aus Wertpapiergeschäften glichen die Belastung aus, die den Häusern durch die anhaltend niedrigen Zinsen entstehen. Deutsche Banken hingegen sind abhängiger vom klassischen Kredit- und Zinsgeschäft.

Die Société Générale steht kurz vor dem Kauf einer Sparte der Commerzbank

Die Kassen der Franzosen sind also voll. Dass ihre Geldhäuser nun vor allem mit kleineren Übernahmen vorlieb nehmen müssen, hat für sie auch Vorteile. Ein Zusammenschluss mit der Commerzbank etwa brächte Risiken. "Es würde ein Institut wie BNP Paribas zwingen, mehr Eigenkapital gegen Krisen vorzuhalten", erklärte ein hochrangiger Manager der Pariser Bank kürzlich hinter vorgehaltener Hand. Hinzu kommt, dass die Bundesregierung eine Übernahme der Commerzbank durch einen ausländischen Wettbewerber kritisch sehen könnte - und als Aktionär sogar blockieren kann. Die Sorge: Bei der nächsten Krise könnte sich ein französisches Institut aus einem Kerngeschäft der Commerzbank zurückziehen, der Finanzierung des deutschen Mittelstands.

Wenn Deutschlands zweitgrößte Bank nicht ganz zu haben ist, dann nehmen die Franzosen eben Teile davon. So verhandelt der Pariser BNP-Konkurrent Société Générale seit Kurzem exklusiv über den Kauf von EMC, der Commerzbank-Sparte im Geschäft mit Indexfonds (ETFs), wie aus informierten Kreisen in Frankfurt verlautet. Société Générale kämpft in den USA zwar noch mit Skandalen aller Art, die das Haus mehrere Milliarden kosten können. EMC kann es sich aber leicht leisten. Das Pariser Institut gehört mit einem verwalteten Volumen von 140 Milliarden Euro schon zu den großen Akteuren auf diesem Gebiet, die acht Milliarden Euro, die demnächst wohl von der Commerzbank-Sparte dazukommen, dienen da nur zur Arrondierung.

Die Deutsche Bank-Tochter DWS wiederum wird nach dem bevorstehenden Börsengang einen französischen Vermögensverwalter zu seinen wichtigsten Aktionären zählen: Tikehau Capital beteiligt sich mit 250 Millionen Euro an DWS - und hilft damit en passant womöglich, Deutsche-Bank-Chef John Cryan eine peinliche Börsenschlappe zu ersparen.

Crédit Agricole wiederum unternimmt einen Vorstoß, um sich über das mit Staatsgeld gerettete Kriseninstitut Bankia im spanischen Markt zu stärken. Und auch Branchenführer BNP Paribas nimmt natürlich an der französischen Offensive teil. Das Geldhaus, das mit dem Kauf des belgischen-niederländischen Konkurrenten Fortis einst die Blaupause für Großübernahmen in Europa lieferte, will sich wohl das polnische Geschäft der österreichischen Raiffeisen-Gruppe einverleiben. BNP lässt das unkommentiert, der Polen-Chef des Finanzkonzerns erklärte jüngst aber, er prüfe Wachstumsmöglichkeiten, bald gebe es mehr Klarheit.

In Deutschland gehören BNP Paribas schon die Direktbanken Consors und DAB, im vergangenen Jahr kam außerdem die Bank des Autoherstellers Opel dazu. Auch an dieses Geschäft mit der Finanzierung deutscher Autos kam BNP über einen Umweg - weil ein Kunde, der französische Hersteller PSA Peugeot Citroën, Opel übernahm. Am Ende sind es eben oft die Umwege, schneller und besser ans Ziel führen. Eine andere Frage ist, ob mit Opel - und mit schwächelnden deutschen und europäischen Banken - wirklich gut Geld zu verdienen ist.

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