Russland-Affäre:Rückt der FBI-Sonderermittler Trump zu nahe?

FBI-Sonderermittler Robert Mueller nach einer Anhörung im Capitol in Washington.

FBI-Sonderermittler Robert Mueller (vorne) gilt als unerbittlich - US-Präsident Donald Trump scheint deswegen zunehmend genervt zu sein.

(Foto: AFP; Bearbeitung SZ)

Der US-Präsident wirkt in der Russland-Affäre zunehmend verärgert über Robert Mueller. Will er ihn feuern? Und darf er das überhaupt? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Thorsten Denkler, New York

US-Präsident Donald Trump zeigt sich immer verärgerter über die Russland-Ermittlungen von FBI-Sonderermittler Robert Mueller. Auf Twitter greift er ihn inzwischen persönlich an. Zudem heuert Trump einen zweifelhaften Juristen an, um sich in der Sache zu verteidigen - während seine bisherigen Anwälte weitere Dokumente an Mueller übergeben. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Worum geht es noch mal?

Um herauszufinden, wie weit die russische Einflussnahme im Vorfeld der Präsidentschaftswahl im November 2016 ging, untersuchen zunächst das FBI und seit Mai 2017 Sonderermittler Robert Mueller den Fall. Eine der zentralen Fragen lautet, ob und, wenn ja, in welchem Umfang Trumps Wahlkampfteam mit den Russen zusammengearbeitet hat. Und auch, ob der US-Präsident mit Amtsantritt versucht hat, die Ermittlungen zu behindern. Trump bestreitet, dass es je eine Zusammenarbeit mit den Russen gegeben habe. Er nennt die Ermittlungen eine von den Demokraten aufgeblasene Hexenjagd.

Trump hat Russlands Präsident telefonisch zu dessen Wahlsieg gratuliert. Warum ist er Putin so wohlgesinnt?

Der frühere CIA-Chef John Brennan hat als Antwort zwar keine Beweise, aber eine Theorie: Die Russen könnten etwas gegen Trump in der Hand haben, sagte er im US-Fernsehen. Und zwar etwas derart Kompromittierendes, dass der US-Präsident nichts auf Putin kommen lässt. Auch aus einem Dossier über Trump aus dem Jahr 2016 geht hervor, dass Russland Informationen über ihn haben könnte. Etwa über eine unappetitliche Sex-Party im Moskauer Ritz Carlton Hotel, auf der Prostituierte vor Trump uriniert haben sollen. Stichwort: Golden Shower. Trump bestreitet das. Belege für die Behauptungen gibt es bisher nicht. Es ist aber erkennbar, dass Putin zu den wenigen Politikern auf der Welt gehört, gegen die er kein böses Wort getwittert hat. Brennan vermutet: "Ich glaube, Trump hat Angst vor dem russischen Präsidenten."

Wer ist Trumps neuer Anwalt?

Joe diGenova ist ein ehemaliger Staatsanwalt aus Washington, der regelmäßig im Sender Fox News zu Gast ist. Er vertritt seit geraumer Zeit die These, dass sich führende FBI-Mitarbeiter mit Leuten von Hillary Clinton oder sogar mit der ehemaligen demokratischen Präsidentschaftskandidatin selbst verschworen haben. Und dass der "deep state" - eine Art Schattenmacht - am Werk ist. Das Ziel: Sollte Trump die Wahl gewinnen, wollten sie ihm etwas anhängen. Mit dieser Verschwörungstheorie ist diGenova genau auf Trump-Linie. Es wird vermutet, dass der Anwalt jetzt vor allem dem Justizministerium Ärger machen soll, dem Sonderermittler Mueller und die Bundespolizei FBI unterstellt sind.

Trump hat in seinen Tweets vom Wochenende erstmals Mueller persönlich angegriffen. Wird er versuchen, ihn zu feuern?

Auszuschließen ist das nicht. Nach Medienberichten hat Trump schon im Sommer 2017 versucht, Mueller zu entlassen. Erst die Rücktrittsdrohung seines Justiziars im Weißen Haus, Don McGahn, soll ihn daran gehindert haben. Und Trump hat schon ganz andere gefeuert: im Mai 2017 etwa FBI-Chef James Comey. Später hat der Präsident öffentlich damit geprahlt, dass das etwas mit der Russland-Affäre zu tun gehabt habe. Vergangene Woche ließ er den stellvertretenden FBI-Chef Andrew McCabe feuern. Der war zwar schon zurückgetreten. Aber seine nachträgliche Entlassung bewirkt, dass McCabe einen Teil seiner Pensionsansprüche verliert. Auf Twitter wettert Trump weiter gegen Mueller und seine Ermittlungen. Am Mittwoch zitiert er länglich einen Havard-Professor, der offenbar auf seiner Seite ist.

Kann Trump den Sonderermittler überhaupt feuern?

Nicht direkt. Mueller ist dem Justizministerium unterstellt. Und weil Justizminister Jeff Sessions sich im Frühjahr 2017 von der Aufsicht über die Ermittlungen zurückgezogen hat, ist seitdem dessen Stellvertreter Rod Rosenstein zuständig. Trump könnte nun seinen Justiziar auffordern, Sessions aufzufordern, der möge Rosenstein auffordern, Mueller zu feuern. Rosenstein hat jedoch klargemacht, dass er das eher nicht tun würde. In dem Fall müsste Trump auch ihn feuern lassen. Und womöglich auch noch Sessions. Und dann Personen nominieren, die kein Problem damit hätten, Mueller zu feuern. Es ist also alles sehr kompliziert.

Kann der Kongress verhindern, dass Mueller gefeuert wird?

Nein. Aber eine Reihe von Republikanern sprechen von einem immens hohen politischen Preis, den Trump zu zahlen hätte. Sollte er Mueller feuern, könnte das in einer Regierungskrise münden. Das Weiße Haus hat am Wochenende erklärt, Muellers Job stehe nicht zur Disposition. Aber die Halbwertzeiten von solchen Erklärungen werden immer kürzer. Siehe den Rauswurf von Außenminister Rex Tillerson.

Trump behauptete in seinen Tweets vom Wochenende, im Ermittlungsteam von Mueller würden 13 Demokraten arbeiten, aber kein einziger Republikaner. Stimmt das?

Nein, Mueller selbst ist Republikaner. George W. Bush hatte ihn 2001 als FBI-Chef nominiert. Und auch Vize-Justizminister Rosenstein ist Republikaner. Er hat Mueller als Sonderermittler eingesetzt und ist wiederum selbst von Trump nominiert worden. Nach den Daten der Faktenchecker der Washington Post haben sich 13 der 17 Mitglieder in Muellers Ermittlerteam mal als Demokraten in Wählerregister eintragen lassen. Von den anderen vieren fehlen solche Einträge oder konnten nicht gefunden werden. Nach dem Gesetz ist es dem Justizministerium untersagt, die Personalauswahl von Partei-Präferenzen abhängig zu machen. Die Regel gilt auch für Mueller.

Trump behauptet auch, die Russland-Ermittlungen hätten mit einem von Hillary Clinton gekauften Dossier gegen ihn angefangen.

Auch das stimmt nicht. Der erste Hinweis, dass Russland merkwürdigen Kontakt mit Mitarbeitern aus Trumps Kampagne haben könnte, kam von der Regierung in Australien. Die hatte die US-Behörden über ein Gespräch informiert, dass der ehemalige Trump-Mitarbeiter George Papadopoulos im betrunkenen Zustand mit einem australischen Diplomaten im Mai 2016 geführt hatte. Darin habe Papadopoulos durchblicken lassen, die Russen hätten "politischen Dreck", den sie gegen Clinton verwenden könnten. Im Juli 2016 hat das FBI deshalb die Ermittlungen aufgenommen.

Trump bezieht sich wiederum auf ein Dossier, das der frühere britische Spion Christopher Steele über ihn angefertigt hat. Er hat es für die Firma Fusion GPS erstellt, eine Art politischer Detektei. Fusion GPS war ursprünglich von Paul Singer, einem konservativen Milliardär und Trump-Kritiker, beauftragt worden. Als Singer sich zurückzog, weil Trump als Republikaner-Kandidat feststand, finanzierte eine Anwaltskanzlei das Projekt weiter. Die Anwaltskanzlei arbeitete im Auftrag der Clinton-Kampagne und der Demokratischen Partei. Das ist kein unübliches Vorgehen in US-Wahlkämpfen.

Das Dossier beginnt mit den Worten: "Das russische Regime hat Trump für mindestens fünf Jahre gefördert, unterstützt und ihm assistiert." Das Dossier ist dem FBI allerdings erst deutlich später zur Kenntnis gelangt. Und auch die Republikaner im Kongress haben in einem jüngst veröffentlichen Memo klargestellt, dass die Australier den Anstoß für die Ermittlungen gegeben haben. Und nicht das Steele-Dossier.

Ist es richtig, wenn Trump sagt, das FBI habe Gesetze missbraucht, um seine Wahl-Kampagne abhören zu können?

Nein, auch das stimmt nicht. Das FBI wollte im Herbst 2016 den damals schon ehemaligen Trump-Mitarbeiter Carter Page abhören und hat dafür die Erlaubnis von einem für solche Fragen zuständigen und geheim tagenden Gericht eingeholt. Page hat die Trump-Kampagne am 26. September 2016 verlassen. Der Abhörantrag wurde erst gut einen Monat später gestellt. Die Abhörerlaubnis ist seitdem mehrfach auch unter der Trump-Administration verlängert worden - offenbar hielten die Richter die Argumentation des FBI weiterhin für schlüssig.

Trumps Anwälte knüpfen Bedingungen an eine Aussage

Trump behauptet, die Republikaner im Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses hätten festgestellt, dass es keine Kollaboration zwischen seiner Kampagne und den Russen gegeben habe. Was ist damit?

Das ist nur die halbe Wahrheit. Die Republikaner haben lediglich festgestellt, sie hätten keine Beweise für eine solche Zusammenarbeit finden können. Die Demokraten lehnen solche Festlegungen als für deutlich zu früh ab.

Trumps Anwälte haben jetzt neue Dokumente an das Mueller-Team übergeben, in denen es um die Entlassung von FBI-Chef Comey gehen soll. Was versprechen sie sich davon?

Offenbar zeigen sich zumindest die Anwälte von Trump gegenüber Mueller so kooperativ, wie es nur geht, um vor allem eines zu verhindern: dass Trump in einer langen Befragung Mueller gegenübersitzen muss. Angeblich sind den Anwälten die Schwächen Trumps nur zu klar: Er lässt sich leicht provozieren und sagt oft Dinge, die - vorsichtig ausgedrückt - missverstanden werden können. Mit anderen Worten: Seine Juristen wollen vermeiden, dass sich ihr Chef in so einem Treffen versehentlich selbst belastet. Je mehr Akten sie Mueller bereitstellen, desto weniger Fragen dürften offen bleiben, lautet das Kalkül.

Wird denn Trump vor Mueller aussagen?

Schwer zu sagen. Trump selbst tut so, als könne er es gar nicht erwarten. Seine Anwälte sind da deutlich vorsichtiger. Sie knüpfen angeblich Bedingungen an so ein Treffen. Etwa, dass Mueller nach einer Befragung von Trump die Ermittlungen innerhalb von 60 Tagen einstellt. Das scheint inzwischen eines der wichtigsten Ziele der Trump-Anwälte und wohl auch von ihm selbst zu sein: dem Ganzen ein schnelles Ende setzen.

Am Samstag erst hat sich Trump-Anwalt John Dowd die Blöße gegeben, dies öffentlich zuzugestehen. In einem Interview mit CNN sagt er, er "bete", dass der stellvertretende Justizminister Rosenstein den Russland-Ermittlungen bald ein Ende setze. So wie am Tag zuvor Justizminister Sessions den stellvertretenden FBI-Chef McCabe gefeuert habe. Das sei "brillant und mutig" gewesen. Zunächst hatte Dowd gesagt, er spreche auch im Namen des Präsidenten. Später nahm er das zurück.

Die Angriffe von Trump und seinen Anwälten richten sich vor allem gegen sein eigenes Justizministerium. Wie passt das zusammen?

Das Wichtigste für Trump ist absolute Loyalität. Justizminister Sessions dürfte in dieser Hinsicht eine einzige Enttäuschung sein. Sessions hätte Trump eigentlich vor dem FBI und einem etwaigen Sonderermittler frühzeitig schützen sollen. Sessions aber hat sich im vergangenen Frühjahr selbst unangenehme Fragen wegen seiner Kontakte zu russischen Regierungsvertretern gefallen lassen müssen. Schließlich zog er sich aus der Aufsicht über die Ermittlungen zurück und überließ alles seinem frisch installierten Stellvertreter Rod Rosenstein.

Als es Trump aber Ende April 2017 einfiel, FBI-Chef Comey zu feuern, benutzten er und Sessions ein von Rosenstein erstelltes Memorandum über Comey, um auf dieser Grundlage dessen Entlassung durchzuziehen. Die Vermutung liegt nahe, dass Rosenstein damit nicht einverstanden gewesen sein kann.

Trump hatte wohl nicht damit gerechnet, dass dieser danach mit dem Ex-FBI-Chef Robert Mueller einen der härtesten Ermittler für den Posten des Sonderermittlers gewinnen konnte. Mueller gilt als hochgradig zielgerichtet und unerbittlich.

Trump müsste schon Sessions feuern und dann Rosenstein gleich mit, um mehr Kontrolle über das Justizministerium zu bekommen. Sessions aber ist wegen seines harten Anti-Migranten-Kurses nahezu unantastbar. Trumps rechte Wählerbasis würde so einen Schritt nicht verstehen. Zumal dann nicht, wenn stimmt, was der Präsident über sich sagt: dass er selbst völlig unschuldig ist.

Wenn Trump unschuldig ist, warum dann überhaupt dieses Herumgeeiere?

Das kommt sogar manchen Republikanern verdächtig vorsichtig vor. Trey Gowdy, Abgeordneter aus South Carolina, appellierte etwa auf Fox News an die Trump-Anwälte: "Wenn Ihr Mandant unschuldig ist, dann sollten Sie sich auch so verhalten!" Und an den Präsidenten gerichtet sagte er: "Wenn Sie nichts falsch gemacht haben, dann sollten Sie dafür sein, dass die Ermittlungen so umfassend und gründlich wie irgend möglich weitergehen."

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