Kammerspiele:Lilienthal hat Beachtliches geleistet - für die Kammerspiele und für München

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Kein Typ, der Freude an der Zersetzung oder der Zertrümmerung hat: Matthias Lilienthal. (Foto: dpa)

Der Intendant hat den gesellschaftlichen Diskurs so munter und streitbar geführt, wie man es sich von der Politik oft wünschen würde.

Kommentar von Susanne Hermanski

Da ist was faul im Städtchen, das ist klar. Die CSU prescht vor und teilt dem Intendanten der Münchner Kammerspiele Matthias Lilienthal mit, dass die Stadtratsfraktion eine Verlängerung seines Vertrages nicht unterstützen werde. In der Sprache der Bühne: Und bist Du nicht willig, aus eigenen Stücken zu gehen, so brauchen wir eben Gewalt.

Ohne die Stimmen der CSU kann die SPD Lilienthal keine weiteren fünf Jahre halten. Dabei ist die Besetzung dieses Postens mit Lilienthal eine der raren konsequent kulturpolitischen Gesten der SPD überhaupt. Und obendrein ist sie eine ideelle, aus tiefer Überzeugung getroffene Herzensangelegenheit des Kulturreferenten und SPD-Mannes Hans-Georg Küppers.

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Er wird seinen Vertrag nach dessen Ablauf im Jahr 2020 nicht verlängern. Doch selbst wenn er gewollt hätte, hätte er nicht an dem Theater bleiben können - jedenfalls wenn es nach der CSU geht.

Von Heiner Effern, Susanne Hermanski und Michael Zirnstein

Matthias Lilienthal werden von der CSU die Auslastungszahlen seines Theaters vorgeworfen, und die sind in der Tat etwa fünf Prozentpunkte unterm Durchschnitt anderer städtischer Bühnen in der Republik. Lilienthal grämt das selbst. Er ist kein Typ, der Freude an der Zersetzung oder der Zertrümmerung hat.

Im Gegenteil, er hat für die Stadt und die Kammerspiele auf seine Weise Beachtliches geleistet. Er hat den gesellschaftlichen Diskurs hier so munter und streitbar geführt, wie man es sich von der Politik oft wünschen würde. Und dabei hat er immer wieder an große, klaffende Wunden der Stadt gerührt. Den obszön überheizten Wohnungsmarkt hat er gleich zum Auftakt seiner Zeit in München mit dem Architekturprojekt "Shabby Shabby Apartments" aufgespießt. Die Wirkmacht der Kammerspiele hat er dabei aus der schicken Maximilianstraße bis an jeden Platz, wo eines der Kunst-Häusel stand, ausgeweitet.

Lilienthal hat sein Haus nicht nur mit schönen Sprech-Theater-Worten, sondern mit auch Taten für Flüchtlinge geöffnet. Er hat sich auf Podien zur Münchner Stadtentwicklung gesetzt, er hat mitdemonstriert, er hat mitdiskutiert. Denn er, der Berliner, interessiert sich ernsthaft für dieses München. Für diese Stadt, die sich wandelt, auch wenn mancher aus der CSU die Uhren gern wieder zurückdrehen würde.

Zeit lassen will man ihm nun aber keine mehr, vielleicht auch im Theater selbst Spannenderes, Magnetischeres auf die Bühne zu holen. Das mögen viele nun beklatschen. Am besten so laut, dass man die riesige Ohrfeige gar nicht mehr hört, die die CSU der SPD da erteilt.

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Die Auslastung der Kammerspiele ist gesunken, die Zahl der Abos zurückgegangen. Doch Intendant Mattias Lilienthal verweist auf künstlerische Erfolge.

Von Christiane Lutz

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung des Textes stand, die Entscheidung für Lilienthal sei in der Amtszeit von Oberbürgermeister Dieter Reiter gefallen. Tatsächlich wurde der Intendant aber noch während der Amtszeit von dessen Vorgänger Christian Ude berufen.

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